Unfallkommission tagt
Seit März rollt der Verkehr auf der A24 ohne Tempolimit zwischen den Dreiecken Havelland und Wittstock. Nachdem es in diesem Sommer viele Unfälle gab, prüfen Polizei und Autobahngesellschaft nun auch die Wiedereinführung des Limits. Von Björn Haase-Wendt
Dicht an dicht rollen Lkw, Transporter und Autos über die A24 bei Fehrbellin. In den letzten Monaten hat der Verkehr deutlich zugenommen, sagt Cornelius Voyé. Er ist Gemeindewehrführer in der Gemeinde Fehrbellin und seine Einsatzkräfte haben deutlich mehr zu tun. "Wir haben vor der Autobahnbaustelle vor vier Jahren im Durchschnitt rund 30 Autobahneinsätze. In diesem Jahr sind wir schon bei 50 Einsätzen", sagt der Gemeindewehrführer. Dazu gehören Verkehrsunfälle, Fahrzeugbrände und die Beseitigung von Ölspuren.
In der Gemeinde sind die Einheiten aus Fehrbellin und Linum für gut 42 Autobahnkilometer zuständig. Glücklicherweise sind die schweren Verkehrsunfälle mit hohem Technikaufwand ausgeblieben. Einfach ist das Einsatzgeschehen trotzdem nicht: "Wir haben die ein oder andere Lage, wo sich die Autos gegenseitig aufeinander schieben, wo viele betroffene Personen waren und auch Verletzte", erinnert sich Voyé. So gab es erst vor kurzem im Bereich der Fehrbelliner Feuerwehren einen Unfall mit neun Fahrzeugen, 22 Personen und fünf Verletzten.
Die A24 gerät mit den vielen Unfällen wieder in den Blick von Einsatzkräften, Autofahrern und der Politik. Denn erst im März dieses Jahres wurde das Tempolimit 130 nach 20 Jahren zwischen den Dreiecken Havelland und Wittstock durch die Autobahngesellschaft des Bundes aufgehoben. Die Begründung damals: Das Tempolimit hat gewirkt, die Unfallzahlen sind deutlich zurückgegangen, außerdem wurde die A24 saniert und teilweise ausgebaut. Ergo: Es gebe keine rechtliche Grundlage mehr für die Beibehaltung des Tempolimits.
Nun kracht es aber wieder häufiger zwischen den Dreiecken Havelland und Wittstock - laut dem Brandenburger Innenministerium über 360 Mal zwischen März und August, dabei wurden 103 Menschen leicht, 16 schwer verletzt. Im Vorjahreszeitraum waren es 331 Unfälle, bei denen 73 leicht und elf Personen schwer verletzt wurden, außerdem gab es einen tödlichen Unfall. Brandenburgs Innenstaatssekretär Markus Grünewald kündigte im September im Landtag an, dass das Land vor diesem Hintergrund und in Abstimmung mit der Polizei der Autobahngesellschaft eine Geschwindigkeitsbegrenzung empfehlen werde.
Vor der Sitzung der Unfallkommission zur Situation auf der A24 – die nach rbb-Informationen am Donnerstag stattfinden soll - wollen sich weder Polizei und noch die Autobahngesellschaft zu neuen konkreten Zahlen und Unfallschwerpunkten äußern. Aber so viel: Ja, es gibt Raser. Das Hauptproblem seien sie aber nicht, erklärt Dörte Röhrs, die Sprecherin der Polizeidirektion Nord in Neuruppin: "Wir haben in den vergangenen Monaten gemerkt, dass aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens die Leute leider ihre Fahrweise offensichtlich nicht anpassen."
So gab es nach Einschätzungen der Polizei viele Unfälle aufgrund von Unaufmerksamkeit und zu geringem Abstand. "Bei hohem Verkehrsaufkommen muss man sicher auch seine Geschwindigkeit reduzieren, aber man muss vor allen Dingen Abstand halten. Hier bei uns im Bereich kommt es immer wieder zu Stauerscheinungen, wo der Grund auch nicht ersichtlich ist", sagt die Polizeisprecherin. Auch würden sich die Unfälle vor allem in der Ferienzeit und an den Wochenenden häufen, wenn besonders viel Verkehr unterwegs ist.
Kann die Wiedereinführung des Tempolimits auf der A24 also helfen? Die Polizeisprecherin sagt dazu nichts und winkt ab. Die Autobahnkommission müsse entscheiden. Klarer wird Ostprignitz-Ruppins Landrat Ralf Reinhardt (SPD). Er hält ein Tempolimit für nicht zielführend. "Wir haben eben das Phänomen mit viel langsamen Verkehr mit den LKW auf der rechten Spur und viel zügigem Verkehr auf der linken Spur, der wenn es stockt, nicht rechtzeitig auf der Bremse ist. Da wird ein Tempolimit nicht viel helfen."
Der Landrat sieht das Problem auch beim Bund. Denn seit Jahren fordert die Region einen sechsspurigen Ausbau der A24 zwischen den Dreiecken Havelland und Wittstock. Doch trotz Baugenehmigung wurde das Vorhaben nicht umgesetzt. Weiterhin gibt es trotz Sanierung nur zwei Spuren je Fahrtrichtung.
Als Kompromiss soll die temporäre Seitenstreifenfreigabe dienen. Die Idee dahinter: Wird es auf der A24 zu voll, kann der bisher ungenutzte Seitenstreifen im Abschnitt zwischen Kremmen und Fehrbellin für den Verkehr freigegeben werden. Zeitgleich würde dann das Tempo auf der A24 reduziert werden. Doch obwohl die dafür notwendigen Kameras und Anzeigetafeln längst montiert sind, lief das System in diesem Jahr noch nicht.
"Die Anlage wird derzeit an die Verkehrsrechnerzentrale Berlin/Brandenburg angebunden. Hierzu sind umfangreiche Testläufe und Schulungen von Personal sowie Probebetriebsabläufe notwendig" teilte ein Sprecher, der zuständigen Fernstraßenplanungs- und -baugesellschaft DEGES mit. Läuft der Probebetrieb nach Plan, könne das System eventuell im November an den Start gehen.
Aus Sicht des Fehrbelliner Gemeindewehrführers könnte das System zu einer Entspannung führen, denn der Verkehr werde so entzerrt. "Das wird gerade im Ferien- und Wochenendverkehr ein bisschen den Druck rausnehmen", sagt Cornelius Voyé. Klar ist für ihn aber auch, es muss etwas passieren auf der A24. Denn das jetzige Einsatzgeschehen sei für die ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte zunehmend eine Belastung: "Jeder hat Familie und Job. Wenn sie dann dreimal die Woche in der Feuerwehr unterwegs sind, das zerrt am alltäglichen Arbeitsablauf."
Sendung: Antenne Brandenburg, 25.10.2023, 07:30 Uhr
Beitrag von Björn Haase-Wendt
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