rbb-Talk "Politik & wir" auf Twitch - "Risiko ist Teil des Charmes"
Bisher ist Twitch vor allem als Gaming-Plattform bekannt. Jetzt soll dort Polit-getalked werden, User:innen direkt im Kontakt mit politisch Verantwortlichen - das ist die Idee. Und zwar so wenig gefiltert wie möglich, sagt Moderatorin Franziska Hoppen.
Polit-Talk mal woanders: Im ARD-Kanal der Streamingplattform Twitch (twitch.tv/ard) gehen User:innen ab Dienstagabend (20:15 Uhr) drei Mal im Monat mit politisch Verantwortlichen in den direkten Austausch. Moderiert wird der rbb-Talk aber schon ein bisschen: zum Beispiel von Franziska Hoppen.
rbb|24: Ist Twitch denn nicht was für Gamer und Videospiele? Wen wollt Ihr da erreichen?
Franziska Hoppen: Nicht mehr nur. Ich höre von vielen, dass sie gerade während der Corona-Pandemie auf Twitch gelandet sind und dort den Austausch gefunden haben, der ihnen im Alltag gefehlt hat - vor allem in der Kategorie "Just Chatting“, in der wir auch streamen werden [twitch.tv/directory/category/just-chatting]. Und viele sind der Plattform treu geblieben. Es gibt also sehr unterschiedliche Bubbles, von Politik und Geschichte über Gossip und E-Sports. Natürlich sind die User auch jünger als die klassischen Fernseh-Zuschauer. Genau deshalb sind wir auf Twitch: weil die lineare Politik-Berichterstattung viele junge Menschen eben nicht erreicht! Das wollen wir ändern.
Was kann man evtl noch von Twitchern wie MontanaBlack oder Knossi lernen?
Die bekanntesten und erfolgreichsten Streamer Deutschlands....Die kennen ihre Community. Wir wollen unsere noch kennenlernen und aufbauen.
Wie unterscheidet sich denn so ein Stream von einem "linearen" TV-Politiktalk?
Jeder kennt den Politik-Talk, der einen mit hohem Blutdruck zurücklässt. Wir wollen vor allem konstruktiv sein: Probleme klar benennen, aber uns gemeinsam mit den Studiogästen und Usern Strategien erarbeiten, wie es besser werden kann. Dabei lebt der Twitch-Stream vom direkten Austausch zwischen Chat und Politik. Heißt: Die Politik-Experten, die wir ins Studio eingeladen haben, antworten in erster Linie den Usern, die auch nachbohren und ihre Meinung sagen können. Ich ordne gegebenenfalls journalistisch ein.
Außerdem können sich auf Twitch x-beliebig-viele Menschen dazu schalten, nicht nur eine kleine –vielleicht sogar noch vorgecastete - Gruppe, die ins Studio passt. Die User bestimmen also ungefiltert, mit all ihrer Vielfältigkeit und 'ihren' Themen mit, wohin sich der Stream entwickelt. Diese Offenheit macht den Polit-Talk nahbarer, unvorhersehbarer und spannend.
Sind es dieselben Themen wie früher, nur für eine andere Zielgruppe?
Wir orientieren uns an den Themen, die die Zielgruppe gerade beschäftigen. Im Kern sind es sicherlich dieselben: Wir gucken der Politik auf die Finger, zeigen Probleme und Ungerechtigkeiten auf und Lösungen. Zwanzigjährige oder Dreißigjährige erleben diese aber wahrscheinlich in anderen Lebensbereichen als 65-Jährige. Und da können Lösungsansätze auch anders aussehen. Wobei ich aber auch hier der Vielfältigkeit der Community gegenüber offenbleiben würde.
Wenn Ihr bis zu zwei oder drei Stunden streamt: Was, wenn du mal auf Klo musst?
Dann geh ich aufs Klo – auch wenn ich ungerne verpassen würde, worüber sich die Gäste währenddessen unterhalten. Andere Streamer sind noch viel länger live. Genau deshalb macht Twitch Spaß, weil es nicht performativ ist, sondern authentisch. Und das wiederum ist charmant, weil wir uns auf Augenhöhe begegnen. Journalisten und Politiker verlieren auch mal den Faden, müssen eine Weile nachdenken oder eben in die Pipipause. Im Fernsehen gibt es manchmal einen Hang zum Perfektionismus. Ich finde es gut, dass wir uns auf Twitch auf die Inhalte fokussieren und weniger auf die Performance.
Die meisten Streamer haben ja so typische Snacks und Drinks: Was nimmst Du mit?
Gummibärchen. Besser als Traubenzucker zwischen den Zähnen.
Tausend Kommentare pro Stunde - wie wollt ihr das denn bändigen?
Bis es tausend pro Stunde werden, dauert es wohl noch ein bisschen. Wir haben aber auch ein tolles Team, dass auf den Chat achtet und darauf, dass dort niemand zu kurz kommt.
Wenn ich ne Meinung habe - was mache ich?
Unbedingt mit uns teilen. Es gibt Online-Plattformen, da ist vorprogrammiert, dass Trolle und Hater provozieren. Auf Twitch habe ich erlebt, dass die Chat-Community echt fair und konstruktiv sein kann. Ich glaube, dass da viel Raum für unterschiedliche Meinungen ist. Und auch vor dem Live-Feature, also Stream-Together, würde ich keine Angst haben. Ist doch toll zu sehen, wie sich Leute buchstäblich von ihrem Küchentisch dazu schalten, und mitreden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.
Wenn da fremde Leute draufgeschaltet werden - wie geht Ihr mit dem Risiko um?
"Risiko" ist Teil des Charmes und macht Twitch aus. Das wollen wir sogar. Je mehr desto besser. Es gibt aber, bevor sich jemand live schalten kann, ein kleines Vorgespräch, genauso wie bei einer call-in-Sendung im Radio. Da wird inhaltlich ausgelotet, worum es dem User, der Userin geht, damit wir wissen, an welcher Stelle im Stream wir sie dazuschalten. Natürlich ist Twitch aber kein rechtsfreier Raum und wir haben eine klare Netikette. Wenn wir merken, da wird jemand antisemitisch, rassistisch, sexistisch etc., wird die Person runtergenommen. Die Debatte soll fair und konstruktiv bleiben.
Vielen Dank für das Gespräch.