Interview | Langjährige Alba-Spielerin Lucy Reuß - "Die Saison hat Geschmack auf mehr gemacht"
Für die Frauen von Alba Berlin endete die starke Premieren-Saison in der 1. Bundesliga auf dem vierten Platz. Lucy Reuß war von Beginn an Teil der Erfolgsgeschichte der Berlinerinnen und spricht im Interview über die grandiose Entwicklung.
rbb|24: Frau Reuß, im letzten Saison-Spiel gab es am Sonntag für Alba noch einmal einen Sieg. Ein gelungener Abschluss einer grandiosen Saison? Oder sind Sie am Ende doch ein wenig enttäuscht, dass der dritte Platz verpasst wurde?
Lucy Reuß: Ich finde, dass wir auch eine Medaille verdient hätten. Wobei man auch klar sagen muss, dass in diesem Format eben ein Sieg über zwei Spiele hergemusst hätte. Und das haben wir nicht geschafft. Am Ende war es also nur der vierte Platz und ein Strauß Blumen, aber auch da haben wir uns sehr drüber gefreut und das macht in der ersten Saison in der 1. Bundesliga auch schon was her.
Wurde das Ende der Premieren-Saison also noch gebührend gefeiert?
Naja, es gab jetzt keine große Party. Wir sind relativ schnell nach dem Spiel in Osnabrück zurück nach Berlin gefahren, weil für die meisten von uns der Studiums- und Berufsalltag weiterging. Auch ich komme gerade schon wieder aus einer Vorlesung.
Es war nicht unbedingt damit zu rechnen, dass man es als Aufsteigerinnen direkt in die Playoffs schaffen würde. Waren Sie vom guten Saisonverlauf überrascht, oder haben Sie bereits früh gemerkt, dass mehr drin ist als nur der Klassenerhalt?
Ja und nein. Natürlich ist es eine riesige Umstellung, wenn man eine Liga aufsteigt. Vor allem, was die Physis und Schnelligkeit angeht. Bei uns in der Mannschaft gibt es viele Spielerinnen – mich inklusive - die nie zuvor in der 1. Liga gespielt haben. Von daher mussten wir uns erst einmal daran gewöhnen, und das geht nicht von heute auf morgen. Der Klassenerhalt war also das erste Ziel. Auf der anderen Seite war aber auch schon immer Ziel, dass man sich jedes Mal verbessert und an sich arbeitet, wenn man in die Halle geht. Es war also immer sehr viel Ehrgeiz und Engagement zu sehen. Und dass wir damit etwas erreichen können und tatsächlich mit jedem Spiel besser wurden, das hat sich relativ schnell abgezeichnet.
Sie sind seit neun Jahren im Verein und damit die dienstälteste Spielerin. Sie haben also eigentlich die gesamte Erfolgsgeschichte des Frauen-Teams mitgestaltet und drei Aufstiege miterlebt. Wie hat Alba diesen Sprung nach oben geschafft, und wie hat sich das Umfeld in den Jahren verändert?
Dass ich so lange dabei sein würde, hätte ich auch nicht gedacht. Aber mir wurde von Anfang an sehr viel Vertrauen von allen Beteiligten entgegengebracht, und genauso ging es auch allen anderen Spielerinnen, die neu dazugekommen sind. Das ist eine wichtige Grundlage für Erfolg. Als ich zum Verein kam, wurde mir kommuniziert, dass alles noch in den Kinderschuhen stecken würde und man einen großen Damenbereich aufbauen wolle. Und dieses Wort wurde gehalten. Mittlerweile haben wir zum Beispiel viel mehr Trainingszeiten und seit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga auch professionelle Spielerinnen im Team. Auch die Unterstützung und Außenwahrnehmung für den Frauen-Basketball ist viel größer geworden.
Obwohl immer bessere und professionellere Spielerinnen dazukamen, sind Sie immer dabeigeblieben und haben sich durchgesetzt. In dieser Spielzeit fehlten Sie zwar eine Weile verletzungsbedingt, kamen aber auch in der 1. Bundesliga zum Einsatz. Würden Sie sagen, dass auch Sie persönlich eine ähnlich steile Entwicklung durchlebt haben wie das Alba-Frauen-Team?
Definitiv. Ich habe da einen ganz schönen Prozess durchgemacht. Was dabei aber geholfen hat war, dass es nie einen kompletten Austausch der Mannschaft gab. Klar bin ich eine der wenigen, die wirklich ganz von Anfang an mit dabei waren. Aber es gibt schon einige, mit denen ich jetzt mehrere Jahre zusammenspiele. Das hilft dem Mannschaftsgefüge enorm. Es gibt viel Erfahrung, und dann kommt immer wieder frischer Wind dazu. Das ist glaube ich eine ganz gute Kombination.
Gut zum Team gepasst hat auch der Umzug in die Sömmeringhalle. Über 1.000 Zuschauer kamen im Schnitt zu den Erstliga-Spielen, um das Team zu unterstützen. Hätten Sie mit so großem Zulauf gerechnet? Welche Rolle spielten die Fans beim Erfolg?
Davon waren alle total überrascht und superglücklich. Wir sind nach jedem Heimspiel völlig euphorisch und mit einem riesigen Grinsen aus der Halle rausgelaufen. Und diese Unterstützung hat uns unfassbar geholfen. Mir fallen auf Anhieb drei Spiele ein, die wir ohne die Fans wohl verloren hätten. Die Atmosphäre in der Sömmeringhalle ist einfach immer total positiv. Alle freuen sich das Spiel zu sehen und dabei zu sein. Da ist es dann auch nicht so schlimm, wenn es mal nicht so gut läuft. Gerade bei unserem letzten Heimspiel waren wir ein bisschen enttäuscht, dass wir nicht die richtige Leistung abrufen konnten. Aber das nimmt einem keiner übel, und das ist ein schönes Gefühl.
Wie geht es jetzt weiter? In Berlin ist man als Basketball-Fan ja auch ein bisschen verwöhnt und Titel gewohnt. Könnte das bereits in der kommenden Saison ein Thema werden?
Nein. Zwar hat die Saison jetzt schon Geschmack auf mehr gemacht, aber jetzt ist erstmal Pause und man denkt nicht zwingend an Titel in der nächsten Saison nach. Wenn wir aber unser Motto beibehalten und jeden Tag besser werden wollen, dann freue ich mich, wenn es vielleicht irgendwann mal mit der Meisterschaft klappen sollte.
Gibt es denn trotzdem ein konkretes Ziel für die nächste Spielzeit?
Es wäre schön, wenn wir an das anschließen könnten, was wir in den letzten Monaten geschafft haben. Wir wollen weiter viele Leute begeistern und sie zu uns in die Halle locken. Sportlich gesehen ist nächste Saison vielleicht sogar noch etwas mehr Druck da. Jetzt waren wir Aufsteiger und die Erwartungen waren geringer. Wir haben aber gezeigt, was wir können. In der nächsten Spielzeit müssen wir konstant abliefern und beweisen, dass das nicht nur eine Überraschung war.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.
Sendung: rbb24, 24.04.2023, 18 Uhr