Barnim/Berlin - Wie geschredderte Pappeln aus Brandenburg für Wärme in Berlin verfeuert werden
Berlin ist eine Energiesenke. Das ist ein Ort, der mehr Energie verbraucht als erzeugt. Ein Fernwärmeerzeuger blickt deshalb ins Nachbarland Brandenburg und will mit geschredderten Pappeln Kohle ersetzen - nicht unumstritten.
Hunderttausende Bäume lässt der Energiekonzern Vattenfall seit einigen Jahren in Brandenburg und auch in Polen auf Plantagen hochziehen, um das geerntete Holz in Berlin als Biomasse zu verheizen - was nicht unumstritten, aber nachhaltiger als die Verfeuerung von Kohle ist. Im Winter werden die Bäume immer geerntet.
Pappelernte bei Wandlitz auf vollen Touren
Aktuell lauf die Häckselmaschine in einem Energiewäldchen in der Nähe von Wandlitz (Barnim) nahezu heiß. Ein frisch hochgezogener Pappelstamm wird nach dem anderen geerntet. Auf dem 16 Hektar großen Wandlitzer Areal wachsen mehr als 100.000 von diesen Bäumen.
Frank Lindemann steuert die Maschine, die die Bäume nicht nur abschneidet, sondern gleich noch kleinhackt und in einen mitfahrenden Anhänger schleudert. "Die werden also spätestens alle vier Jahre hier geerntet", erklärt Lindemann.
"Claas Jaguar" heißt das 700 PS starke Ungetüm, weil es so scharfe Zähne hat. Bedient wird es mit einem Joystick. "Durch den Arm hier vorne führe ich mir die Bäume zu, so wie ich sie haben möchte. Der ist sehr wichtig dafür, wenn die Bäume Schräglage haben", so Lindemann weiter.
Vattenfall-Tochter produziert pro Jahr 20.000 Tonnen Hackschnitzel
Das gehäckselte Pappelholz wird später in Berlin verfeuert. Die Vattenfall-Tochter "Energy Crops" bewirtschaftet für die Biomasse-Produktion rund 120 Flächen in Brandenburg. "Wir haben 2010 diese Gesellschaft gegründet und den Auftrag von unserer Muttergesellschaft - der Vattenfall Wärme Berlin – erhalten, um auf 2.000 Hektar Bäume zu pflanzen, um jedes Jahr 20.000 Tonnen Holzschnitzel zu produzieren", sagt Energy Crops-Chef Jan Grundmann. Vattenfall betreibt im Berliner Märkischen Viertel ein Heizkraftwerk mit Biomasse.
Einige Tage nach der Ernte in Wandlitz landen diese Hackschnitzel auch im Märkischen Viertel. Ein LKW nach dem anderen kippt im Biomasse-Heizkraftwerk seine Ladung ab. Dort treffen auch Holzhackschnitzel aus anderen Orten ein, welche aus "Restholz" und aus Material aus Plantagen wie der in Wandlitz hergestellt wurden. "Wir kriegen bis zu 20 Lkw pro Tag angeliefert. Ein Laster hat ein Fassungsvermögen von circa 20 Tonnen. Das sind pro Jahr bis zu 70.000 Tonnen Holz, die wir hier in der Anlage verfeuern", erklärt Betriebsleiter Marc Koch. Statistisch gesehen können mit einer Tonne Pappelholz fünf Megawattstunden Wärmeenergie oder Strom erzeugt werden.
Die Hackschnitzel stammen durchweg aus regenerativen Quellen. Bis 2010 wurde in dem Berliner Heizkraftwerk noch Kohle verfeuert. Jetzt sorgt Biomasse aus Brandenburg für den Brennstoff.
Über Förderbänder werden die Holzschnitzel ins Zwischenlager transportiert, den sogenannten Bunker. Von dort wandern sie vollautomatisch weiter Richtung Ofen, dessen Hitze dann eine Turbine antreibt: "Wir haben hier Temperaturen zwischen 450 und 650 Grad Celsius. Im Kesselkopf sind es bis zu 1.100 Grad. Im Märkischen Viertel versorgen wir etwa 30.000 Haushalte mit Strom, Fernwärme und Warmwasser", so Koch weiter.
Vattenfall will weitere so betriebene Heizkraftwerke
So wie im Märkischen Viertel will Vattenfall in Zukunft deutlich mehr Energie produzieren. Noch kommt die Stadtwärme zu über 90 Prozent aus Kohle und Gas. Vattenfall will aber bis 2030 aus der Kohle aussteigen. Bandenburger Biomasse wäre da hilfreich. "Für das Berliner Fernwärmesystem werden wir noch größere Mengen Biomasse brauchen", erklärt Grundmann. Allerdings sei es im Berliner Ballungsraum nicht so einfach, auf andere Umweltwärme-Quellen zurückzugreifen. Daher seien die Brandenburger Quellen sehr gut für den Energiekonzern", so der Energy Crops-Chef weiter.
Umwelthilfe hält von Holzverfeuerung wenig
Der Biomasse-Einsatz soll in den nächsten Jahren also kräftig gesteigert werden. Doch Holz-Hackschnitzel sind nicht die erste Wahl für Umweltschützer. "Wir müssen unbedingt raus aus der Kohle, nur sollten wir nicht in andere CO2-reiche Energieträger einsteigen", betont David Fritsch von der Deutschen Umwelthilfe. "Wir haben hier in Berlin Alternativen zur Hand, seien es Abwärme-Potenziale, Geothermie oder Wärmepumpen. Hierauf müssen wir setzen, nicht auf die Holzverbrennung", so Fritsch.
Energy-Crops-Chef widerspricht
Dass das alleine für die Energiewende nicht reicht, ist auch Vattenfall klar. In Berlin erzeugt der schwedische Konzern aktuell seinen Strom und seine Wärme zu 75 Prozent aus Gas. Weitere 15 Prozent stammen aus Steinkohle. Erneuerbare haben derzeit einen Anteil von acht Prozent. Da der schwedische Konzern bis 2020 aus der Kohle aussteigen will, müssen die fossilen Brennstoffe durch grüne Energieträger ersetzt werden.
Hackschnitzel sollen dabei eine wichtige Rolle spielen, denn beim Verbrennen des Holzes werde nur das Kohlendioxid freigesetzt, was die frisch geschlagenen Pappeln aus der Umgebung aufgenommen haben, so Grundmann. Bei Kohle stamme das CO2 hingegen aus grauer Vorzeit. Nur grüner Wasserstoff, der aus Wind- und Solarenergie stammt, sei noch besser.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.02.2023, 19:30 Uhr