Flüchtlingsunterkunft in Berlin - Gibt es regelwidrig beschäftigtes Sicherheitspersonal in Tegel?

Fr 07.06.24 | 06:31 Uhr | Von Ute Schuhmacher
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Flüchtlingslager Tegel (Quelle: rbb)
Audio: rbb24 Inforadio | 07.06.2024 | Ute Schuhmacher | Bild: rbb

Wird das Sicherheitspersonal in der Geflüchtetenunterkunft in Tegel zum Teil unter dem Mindestlohn bezahlt? Das berichten zumindest Informanten dem rbb. Einer erzählt von einem Security-Jobangebot von einem Subunternehmer, dieser wollte am Ende des Monats einen Teil des Lohns zurück. Von Ute Schuhmacher

Mitte Mai wird Pascal Müller* auf einen größeren Sicherheitsauftrag aufmerksam. Per Whatsapp-Status sucht eine Sicherheitsfirma viel Personal für die Bewachung der Geflüchtetenunterkunft in Berlin-Tegel. Es geht um insgesamt 5.000 Stunden pro Monat.

Die näheren Konditionen zu dem Jobangebot sind allerdings nur im persönlichen Gespräch zu bekommen, nicht am Telefon. Kein Wunder, denn die haben es in sich: Zwei Euro von den geleisteten Arbeitsstunden will das Unternehmen, das den Auftrag anbietet, am Ende eines jeden Monats in einem Umschlag zurückgezahlt bekommen - ohne Quittung. Aber nicht nur das: Mit dem Angebot ist es unmöglich, legal Tarif- oder Mindestlohn zu zahlen.

Angeboten sind 19,50 Euro Stundenlohn - abzüglich der zurück verlangten zwei Euro sind das 17,50 Euro. Meldet ein Unternehmen einen Arbeitnehmer legal an, müssen Sozialabgaben abgeführt werden, Urlaub und Krankheit müssen einberechnet werden, "dazu kommt als Firma eine Haftpflichtversicherung", sagt Müller. "Da kommt man mindestens über 20 Euro, um überhaupt die Rechnung bezahlen zu können. Das heißt, jeder, der dort nach dem Angebot arbeitet, kann gar nicht seriös bezahlt werden." Denn für Beschäftige der Sicherheitsbranche, die in einer Geflüchtetenunterkunft wie Tegel arbeiten, wären inklusive Zulage 15,25 Euro an Tariflohn fällig. Der aktuelle Landesmindestlohn liegt bei 13,69 Euro. Auch der wäre für ein Sicherheitsunternehmen wie das, in dem Müller arbeitet, nicht zahlbar, wenn er vom Auftraggeber lediglich 17,50 Euro bekommt.

Goldschürferstimmung in Tegel

Das Jobangebot von Mitte Mai war nach Aussage des Security-Experten kein Einzelfall, sondern ein ganz alltägliches Angebot. "Da verdienen sich grade viele Leute eine goldene Nase und da reden wir wirklich von organisierter Kriminalität", sagt Müller. "Mitarbeiter, die dort eingesetzt werden, kriegen zwischen sieben und zehn Euro, in der Regel schwarz."

Pascal Müller ist sich dennoch sicher, dass zumindest ein Teil der Sicherheitskräfte in Tegel nach Tarif bezahlt werden. Einige, die der rbb vor Ort in Tegel befragt, bestätigen eine korrekte Bezahlung. Andere wollen sich nicht äußern.

Ein Bewohner aus der Flüchtlingsunterkunft berichtet jedoch, er habe mit mehreren Sicherheitsmitarbeitern gesprochen. "Sie haben mir erzählt, dass sie fast alle auf einem Minijob arbeiten, fast jeden Tag", sagt der Mann. Das andere Geld bekämen sie schwarz.

Unter anderem dem Vorwurf der Schwarzarbeit geht seit vergangenem Dezember auch der Berliner Zoll nach. Anfang Dezember hatte das Landeskriminalamt gemeinsam mit Zoll und Ordnungsämtern die Sicherheitsleute in Tegel überprüft. Damals mussten 55 Security-Mitarbeitende sofort ihren Dienst beenden. Ihnen fehlte entweder die Qualifikation oder sie konnten keine Zuverlässigkeitsüberprüfung vorlegen. Seit Dezember wertet der Zoll die Unterlagen dieser Kontrolle aus, eine zeitaufwändige Arbeit, weil die Geschäftsunterlagen von allen Subunternehmen geprüft werden müssen, sagt der Sprecher des Berliner Hauptzollamts, Michael Unglaube. Ein Ergebnis gibt es aber inzwischen: "Insgesamt konnten bis zu 40 Subunternehmen noch angetroffen werden." Der Zoll werte die Unterlagen weiter aus. "Um mögliche Schwarzarbeit oder Verstöße gegen Tarif- und Mindestlohn zu finden", sagt der Sprecher vom Zoll. Das dauere, weil die Geschäftsunterlagen von allen Subunternehmen geprüft werden müssen.

Auch wenn noch geprüft wird - eine Veränderung hat die Kontrolle im Dezember bereits gebracht: Sicherheitsmitarbeitende in Tegel verfügen jetzt in der Regel über eine Bewacher-ID. Die bekommt nur, wer eine Bewacherschulung absolviert hat. Das löse aber nur einen kleinen Teil des Problems, sagt Sicherheitsexperte Pascal Müller. Denn für einen Auftrag wie in Tegel brauche es viele hundert Sicherheitsmitarbeitende. Und weil die Aufträge kurzfristig vergeben werden, kann ein Unternehmen allein die Menge an Mitarbeitenden kaum spontan stellen. "Keiner hat hunderte Leute rumsitzen." Also sucht sich die Firma, die den Auftrag bekommt, Subunternehmer.

Den Auftrag für Tegel hat derzeit die Firma Teamflex Solutions von der Messe Berlin. Laut Emanuel Höger beschäftigt Teamflex in Tegel aktuell 14 Subunternehmen. Denen sei nach Angaben von Höger per Vertrag verboten, weitere Subunternehmen zu beschäftigen. Vertraglich festgeschrieben sei auch die Bezahlung: "So ist die Zahlung des Tariflohns fester Bestandteil unseres Vertrags mit dem Dienstleister", schreibt der Sprecher der Messe. Und auch der Geschäftsführer von Teamflex erklärt: "Unser Unternehmen hält in Bezug auf Tariftreue und Tariflohn alle gesetzlichen Vorgaben und zusätzlich ggf. etwaige in dem einzelnen Auftrag gestellte Anforderungen ein." Zu den genannten Vorwürfen von Schwarzgeld bis Bezahlung unter Mindestlohn schreibt Höger weiter: "Diese Vorwürfe sind weder der Messe Berlin noch Teamflex bekannt."

Auch Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) sind die Vorwürfe neu. Sie erklärt, die Messe Berlin habe den Auftrag für Tegel ausgeschrieben und einen Sicherheitsdienstleister beauftragt. Der müsse sich an den Vergabemindestlohn und die Tariftreue halten. "Schwarzarbeit wird hier nicht geduldet", so Sozialsenatorin Kiziltepe gegenüber dem rbb.

Dem migrationspolitischen Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Jian Omar, ist das zu wenig. "Es ist am Ende eine Einrichtung unter Aufsicht des Senats und unter Aufsicht des LAF." Dass die Senatorin die Verantwortung an die Messe Berlin weitergibt, reicht ihm nicht. Auch mit Blick auf das Geld: "Tegel kostet monatlich um die vier bis fünf Millionen Euro allein an Sicherheitspersonal. Dafür erwarten wir, dass Mindeststandards eingehalten werden."


* Name geändert

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.06.2024, 6:00 Uhr

Beitrag von Ute Schuhmacher

18 Kommentare

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  1. 18.

    Warum? Weil die besten Clubs sterben mußten! Das war das Werk von CDU! Gibt nur noch wenige! Auch Eckkneipen sind fast weg! Das war CDU und FDP. Thanks!

  2. 17.

    Naja , Berlin ist leider nicht mehr sexy sondern nur noch pleite.

  3. 16.

    Nach außen wird die Show-Nummer bemüht, alles ist ok. Tatsächlich wird bei Befragungen und unter Zusage der Sicherung der Anonymität eingeräumt, das die ganze Art der Migrantenverwaltung wegen des gewaltigen Mengenproblems so unterfinanziert ist, dass viel "unter der Hand" laufen muss. Denn die Wirklichkeit darf nicht in die Öffentlichkeit.

  4. 15.

    " Gibt es regelwidrig beschäftigtes Sicherheitspersonal in Tegel? "

    Ich verstehe die Frage nicht!!!
    Natürlich gibt es das!
    Überall wo der Senat Gelder locker macht und mit vollen Händen rausschmeißt, Gewerbebedingungen oder - vorraussetzungen lockert, gibt es das!
    Und außer der Politik, weiss das auch jeder........!

  5. 14.

    Das zu bekämpfen, deutschlandweit, ist eigentlich die Hauptaufgabe des Arbeitsministeriums, statt Lohnhöhen („nach Gutdünken“) festzulegen. Das EINZAHLEN in die Sozialkassen ist sozial. Sich davor zu drücken ist unsozial.

  6. 13.

    Das ganze hat doch damals mit der Möglichkeit von Subunternehmen in unserem Wirtschaftsleben und deren Duldung bis heute zu tun.Mit allen negativen Folgen für die Arbeitnehmer und die Möglichkeit der Steuerhinterziehung und des Lohndumpings.

  7. 12.

    Vielen Dank für diesen Artikel und ihre Arbeit!

  8. 11.

    Irgendwie scheinen unsere Politiker aus den Dämmerschlaf zu kommen.
    Alles nichts neues.
    Wenn ich lese: Schwarzarbeit wird hier nicht geduldet kann ich nur lachen. Gerade im Diensleistungsgewerbe ist Schwarzarbeit verbreitet. Und Mindestlohn können die wenigsten zahlen.

  9. 10.

    Das stimmt absolut nicht. 100 € sind anrechnungsfrei, alles darüber wird zu 80 % angerechnet. Arbeitslosengeld 2 gibt es nicht mehr, es gibt nur noch Bürgergeld.

  10. 9.

    Ich sehe mir diese Leute im Sicherheitsgewerbe an und ich weiß bescheid ...! Wieder einmal herrlich, wie sich unsere Verantwortlichen in der Politik, als nichts ahnend darstellen.

  11. 8.

    "Zwei Euro von den geleisteten Arbeitsstunden will das Unternehmen, das den Auftrag anbietet, am Ende eines jeden Monats in einem Umschlag zurückgezahlt bekommen" - Was ist das bitte für ein Satz, was soll das aussagen???

  12. 7.

    Das Problem besteht darin, dass Auftraggebende die Verantwortung an Subunternehmende weitergeben und bei Fehlverhalten nicht belangt werden. Das führt oft zu undurchsichtigen Strukturen und die Arbeitnehmenden bleiben auf der Strecke, obwohl sie am wenigsten dafür können.
    Es muss eine Auftragsverantwortung her, die als erstes den Auftraggebenden in Regress nehmen. Dann würde der erste Schritt getan werden, diese Subkultur abzubauen!
    Es ist Sparen am falschen Ende!

  13. 6.

    Diese Art der Bezahlung - ein Teil per Lohnschein, ein anderer Teil „auf die Hand“ -ist im Baugewerbe überall, wo Subcontractor’s aus Osteuropa und mittlerweile auch aus Asien (arabischer Raum, Pakistan) bekannte bzw. gängige Praxis.
    Die Entrüstung über diese Art der Arbeitsverhältnisse bzw. Beschäftigungen sind weit verbreitet und das nicht erst seit ein paar Jahren, sondern seit der Wende in den neunziger Jahren. Alle Poliere wissen das und die Aufsichten auch. Passiert ist da bislang nichts!

  14. 5.

    Was macht die Innensenatorin eigentlich beruflich, fragt man sich angesichts dieser Naivität. Die Sicherheitsbranche oder besser Unsicherheitsbranche ist übrigens nicht die einzige, bei der sowas als normal gilt. Bau, Reinigung usw.

  15. 4.

    Vorteil des Minijobs ist, dass parallel zur Arbeit fast ungekürztes Arbeitslosengeld 2 vom Jobcenter bezogen werden kann. Sollte der Zoll aber feststellen und sich dazu äußern können.

  16. 3.

    Normaler Vorgang.

  17. 2.

    Was ist jetzt daran neu im besten Deutschland aller Zeiten? Läuft doch überall so in dieser und ähnlichen Branchen.

  18. 1.

    Wo kommen denn dann all die Sicherheitskräfte her, die für die neuen Flüchtlingsstandorte gebraucht werden und wie werden sie bezahlt? Da müsste man doch jetzt schon anfangen auszubilden. Aber wahrscheinlich ist man dann wieder plötzlich überrascht , dass man nicht genug Leute hat.

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