Interview | Crash an den Börsen - "Wer Geld anlegen will, sollte sich von Trump nicht beirren lassen"

Viele Sparer erleben durch die Achterbahnfahrt der weltweiten Börsenkurse ein Wechselbad der Gefühle. Sind die Zölle der Trump-Regierung ein Grund, Aktien und ETFs zu verkaufen – oder bietet sich gerade die Chance, günstig einzukaufen?
Am Montag kam es an den Börsen weltweit zu einem historischen Ausverkauf: Die Kurse fielen so stark wie zuletzt während der Corona-Pandemie. Auslöser war die Verkündung massiver Zölle durch die Trump-Administration in den USA, die bei Anlegerinnen und Anlegern für große Verunsicherung sorgte. Doch nur zwei Tage später scheint sich die Situation zu beruhigen: Die angekündigten Zölle sollen nun um 90 Tage verschoben werden [tagesschau.de] – und schon stiegen die Kurse nach dem dramatischen Einbruch wieder an.
Können sich Privatanlegerinnen und -anleger angesichts einer unberechenbaren Politik weiterhin auf Aktien und ETFs als langfristige Altersvorsorge verlassen? Ist der plötzliche Kursrückgang ein Alarmsignal oder eine einmalige Chance? Im Interview mit rbb|24 erläutert Ursula Walther, Professorin für Finanzwirtschaft und Corporate Finance an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin, wie Kleinsparer in unsicheren Zeiten klug reagieren können.

rbb|24: Frau Walther, jahrelang haben Finanzexperten Menschen in Deutschland geraten, ihre Altersvorsorgen nicht auf Girokonten zusammenzusparen, und stattdessen in Aktien und ETFs zu investieren. Zählen Aktienbesitzer zu den Verlierern der Trump-Ära?
Ursula Walther: Auch wenn das im Moment so aussehen mag, ich persönlich glaube, dass die Kurse auch wieder steigen werden. Schwierig ist allerdings für Menschen, die kurz vor dem Ruhestand stehen und dringend an ihr Geld möchten, die bekommen nach einem Kurseinbruch natürlich sehr viel weniger. Wenn das möglich ist, rate ich dazu, Ruhe zu bewahren und mit dem Verkauf von ETFs und Aktien zu warten.
Ich habe mir vor diesem Gespräch noch einmal den Dax-Chart über einen langen Zeitraum angesehen. In den vergangenen Jahren ist der Kurs sehr konstant gestiegen. Der jetzige Einbruch mag zwar schmerzhaft aussehen, aber im langfristigen Vergleich ist das immer noch im Bereich des Normalen.
Jüngere Anleger und Anlegerinnen könnte das vielleicht gerade verunsichern. Bisher ging es bergauf, wer sich in den letzten paar Jahren ein Plus angespart hat, steht jetzt aber vielleicht im Minus.
Das stimmt, wobei man bei Aktien immer auch mit Schwankungen rechnen muss. Wer sein Geld als Altersvorsorge über 25 oder 30 Jahre anlegen möchte, sollte nicht in Panik verfallen und jetzt aus den Investments rausgehen. Da ist die Gefahr viel zu groß, dass man den Umschwung verpasst und dann Verluste einfährt.
Wer nicht stark auf einzelne Aktien gesetzt hat, sondern auf breit gestreute ETFs, hat sein Geld aus meiner Sicht auch jetzt vernünftig angelegt. Letzten Endes kommt es bei der Altersvorsorge auf einen guten Mix an, ich muss diversifizieren und mir genau überlegen, ob ich es mir leisten kann, viel Geld auf eine Karte zu setzen.
Ein Problem haben möglicherweise auch Menschen, die Aktien kürzer halten wollten, um sie zu verkaufen und sich etwas Größeres anzuschaffen.
Ja, allerdings rate ich aus diesem Grund wirklich immer davon ab, auf Aktien zu setzen, um Geld für die klassischen größeren Anschaffungen, wie einen Urlaub oder ein Auto anzusparen. Das ist einfach zu spekulativ und kann nach hinten losgehen. Im Zweifel wäre es jetzt vielleicht besser, diese Anschaffungen zu verschieben.
Wer sich direkt nach dem größten Kurseinbruch entschieden hat zu verkaufen, hat jedenfalls wirklich die schlechteste Entscheidung getroffen, denn was wir gesehen haben, ist eine typische Reaktion am Aktienmarkt. Es gibt nach einem Einbruch normalerweise immer eine Korrektur. Erst danach pendeln sich die Kurse auf einen ggfs. neuen Niveau ein.
Woran erkennt man, ob ein Index einen Tiefstand erreicht hat und wieder steigen wird?
Es gibt Menschen, die sich ihr ganzes Leben mit dieser Frage beschäftigt haben. Es gibt allerlei Modelle, quantitative und technische Analysen, es gibt Bauchgefühl, es gibt Erfahrung am Aktienmarkt. Eine sichere Prognose oder Aussage kann aber leider niemand geben.
Wenn davon auszugehen ist, dass die Indizes wieder steigen, bietet der Crash an den Börsen jetzt eine Gelegenheit, günstig Aktien zu kaufen?
Einerseits kann man viele Aktien jetzt tatsächlich billiger einkaufen als vor den Trump-Zöllen. Und einige warten vielleicht auf einen noch größeren Einbruch, einen noch günstigeren Zeitpunkt. Aber eine Sicherheit gibt es eben nicht und den Einstiegszeitpunkt zu optimieren ist so schwer, wie den richtigen Ausstiegszeitpunkt zu finden. Wenn der Zollstreit in einen großen Handelsstreit eskaliert, dann können die Kurse hier nochmal in ganz andere Tiefen abrutschen.
Meine Empfehlung ist: Wer jetzt Geld hat, das er langfristig anlegen würde, sollte sich durch die Zollpolitik der Trump-Regierung nicht beirren lassen.
Also ist die Sorge, dass man eine Chance verpasst übertrieben?
Ich würde immer empfehlen, langfristig zu denken und nicht auf schnelle Gewinne zu spekulieren. Wer seine Altersvorsorge auf eine sichere Grundlage gestellt hat, kann das natürlich tun, dagegen ist wirklich nichts zu sagen. Das kann auch Spaß machen, und manche verdienen auch Geld damit. man kann aber immer auch ganz schnell mal verlieren.
Vor allem Laien haben oft die Hoffnung, durch bessere Information und den besseren Riecher schnell Geld zu machen und der Gewinner zu sein. Das geht nicht immer gut. Viele haben keinen Begriff davon, was es heißt, in der globalen Finanzwirtschaft in ein Wettrennen mit programmierten Computern einzusteigen und mit Menschen, die ihre ganze Arbeitseit mit der Analyse der Finanzmärkte verbringen.
Die Auswirkungen der US-Zölle auf die Finanzmärkte sind jetzt schon spürbar. Zu den erklärten Zielen des US-Präsidenten gehört es aber auch, die Produktion von Importgütern in die USA zu holen. Halten Sie es für denkbar, dass hierzulande künftig Fabriken schließen und in die USA abwandern?
Davon gehe ich in der nächsten Zeit noch nicht aus, weil Firmen in dieser unsicheren Lage wahrscheinlich keine langfristigen Standortentscheidungen treffen werden. In Produktionsstandorte wird in aller Regel sehr viel Geld investiert, die baut man nicht in einem halben Jahr auf und wenn es nicht läuft, dann wieder ab. Man braucht Personal vor Ort. Langfristig kann das aber schon passieren.
Grundsätzlich allerdings halte ich das für einen Denkfehler in der US-Zollpolitik. Diese Idee, in den USA könnte ein Großteil der Waren hergestellt werden, die derzeit importiert werden. Die Textilien, Spielwaren aus China, die Konsumgüter, die Elektronik, wer soll in den Fabrikhallen stehen und diese Waren produzieren? Diese Arbeitskräfte gibt es in den USA nicht. Für mich ist die Politik der jetzigen Administration deshalb weitgehend irrational.
Es ist ja gerade das Ziel des zollfreien Warenverkehrs Handel zu treiben zum gegenseitigen Vorteil. Weil Länder unterschiedliche Ressourcen haben, unterschiedliche Stärken und Schwächen. Auch wenn sich natürlich die Frage stellt, ob die Gewinne gerecht verteilt sind.
Einige Experten haben Sparern empfohlen, US-lastige ETF-Portfolios wegen der unberechenbaren Trump-Politik umzuschichten und dafür Aktien aus Europa zu kaufen. Was würden sie zur Altersvorsorge empfehlen?
Ich würde sagen, wenn jemand in seinen Aktien und ETFs einen sehr starken USA-Fokus hat, sollte diese Positionen erst einmal halten. Langfristig lohnt sich eine internationale Diversifikation, es sollten dann noch andere Positionen hinzugekauft werden. Abgesehen von Europa können auch andere Märkte interessant sein. Der Absatzmarkt in Indien entwickelt sich sehr rasant, indische ETFs und ETFs aus anderen Schwellenländern könnten sich als ein Teil eines breiten Portfolios lohnen.
Wer jetzt aber vor allem ETFs wie den MSCI World mit starkem Fokus auf die USA hat, sollte am besten abwarten. Immobilien kommen vielleicht für manche Menschen infrage und können ein Faktor bei der Altersvorsorge sein. Von Bitcoin und ähnlich riskanten Investments würde ich eher abraten.
Frau Walther, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Roberto Jurkschat