Pilze suchen - Das Myzel der Köstlichkeiten
Die Feuchtigkeit muss stimmen, nicht zu heiß und nicht zu kalt darf es sein: Unter solchen Bedingungen wachsen Pilze besonders gut. Im Pilzland Brandenburg läuft die Saison auf Hochtouren. Eine Entdeckungsreise mit Vorsicht. Von Stefan Ruwoldt
Pilze sind die Ostereier des Spätsommers. Jeder Pilz hat dabei seine ganz eigenen und komplizierten Versteckstrategien. Das Suchen macht darum nur Spaß, wenn dabei jemand "kalt", "wärmer" und "heiß" ruft. Mit rbb|24 wird der Pilzsuchmorgen zum Ostersonntag - und zwar mit möglichst vielen "heißheißheiß".
Ähnlich wie beim Eiersuchen gibt es Reviere, wo eben nicht jeder sich seine Pilze ganz frank und frei pflücken kann. Und wie jedes Kind natürlich weiß, sind dann da noch die Gefahren der giftigen Exemplare, die das Sammeln und Essen mit ein wenig gesundheitlichem Kribbeln würzen.
Biologisch, lunatisch, kulinarisch, ökonomisch
Der Pilz ist biologisch keine Blume, kein Moos, kein Farn und natürlich auch kein Nackt- oder Bedecktsamer. Pilze sind extra, so wie die Tiere und die Pflanzen extra sind. Photosynthese kann der Pilz nicht, nur manche Pilze brauchen ganz, ganz wenig Licht. Das ist vielleicht der Grund, aus dem er immer so etwas Mythisches hat, etwas Rätselhaftes. Der Pilz aus dem dunklen, dunklen Wald. Eine Art Waldschrat.
Sonne ist für den Pilz persönlich eher schädlich: Bescheint ihn Sonnenlicht, wird er leichter entdeckt und verspeist. Der Pilz holt sich das, was ihn stark macht, fast ausschließlich von unten.
Immer wieder besprochen wird ein weiterer Einflussfaktor: der Mond. Für diesen Zusammenhang von Mondphasen und Pilzwachstum gibt es bei den meisten ein bisschen Glaube und oft mehr oder weniger persönliche Erfahrung, leider aber keine wissenschaftlichen Beweise. Viele schwören auf den zunehmenden Mond. PS: Aktuell nimmt er zu, und zwar noch bis zum 31. August.
Kulinarisch ist der Pilz ebenfalls außen vor: eine Einmaligkeit. Er ist kein Obst oder Gemüse, nicht Fisch, nicht Fleisch und trotzdem köstlich und so verschieden.
Ökonomisch betrachtet würde der Betriebswirtschaftler den Pilz wahrscheinlich in die Kategorie "Katastrophe" einordnen: Man kann ihn nur schwer züchten und selten taucht er auch wirklich da auf, wo man ihn erwartet. Ein Rätsel. Nur in Ausnahmen kann der Mensch den Pilz wirklich vorhersehbar züchten. Auch seine Erntezeiten sind nur sehr schwer zu prognostizieren - Temperatur, Feuchtigkeit und Lichtverhältnisse müssen stimmen. Der Pilze ist ein Anarchist. Falls er Wachstumsregeln hat, kennt nur er selbst diese.
Wer es auf diesen Anarchisten abgesehen hat, wer ihn treffen will und später mit ihm auf dem Teller am Mittagstisch sitzen will, muss sich auf ihn einlassen.
Der Boden, die Zeit, die Temperatur
Brandenburgs Pilzgründe haben natürlich ebenso wie die Reviere der anderen Bundesländer ganz eigene Pilzlogiken. Zu empfehlen als pilzergiebige Strecken sind zum Beispiel natürliche Buchenwälder, wie sie viel im Norden in der Schorfheide und der Uckermark vorkommen. Pilze sind fast überall im Land zu finden: in den mageren Kiefernwälder, in den fruchtbareren Kalkgründen der Märkischen Schweiz oder in leicht sauren Eichenwäldern. Grundsätzlich können in allen Brandenburger Wäldern Pilze gefunden. Viele Berliner und Brandenburger haben hier auch ihre ganz eigenen, meist geheimen Pilzjagdgründe.
Diese Pilzjagdgründe liegen natürlich meist im Wald oder an den Waldrändern. Da aber viele Brandenburger Ecken nur sehr mager vom Regen bedacht werden, muss man innerhalb dieser oft trockenen Wälder die feuchteren, aber nicht nassen Flächen, Gruben und Senken suchen.
Die Pilzhauptwachstumszeit ist die Nacht. Und am besten wachsen die Pilze, wenn es feucht ist. Sie wachsen nicht gleich nach dem Regen, eher einige Tage nachdem es geregnet hatte und die Böden schön feucht sind. Ist es zu windig, trocknet das Myzel und der Pilz hört auf zu wachsen.
Für die Temperatur wird von den Experten meist eine Spanne angegeben, die aber in einer Art Relation zur Jahreszeit liegt. Im späten Herbst wären 15 Grad viel und ein besonderes Pilzwetter. Im späten Hochsommer wäre das eher zu kalt für den Pilz. Grob: Es sollte nicht kälter als etwa 10, 12 Grad sein und nicht zu heiß, also nicht heißer als 25 Grad.
"Pilzepflücken" und entnehmen
Ganz eigen und ein bisschen zwischen den Zeilen ist der Pilzschutz angesiedelt, schließlich ist der Pilz ja keine Pflanze und kein Tier, die jeweils eigene Gesetze haben. Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) verbietet das "Pilzepflücken", den Besitz von Pilzen und die Vermarktung mehrerer Pilzarten. Aber, so sagt es das Gesetz: "Geringe Mengen" darf man "entnehmen". Definiert ist dieses "gering" nicht. Der Korb für die Mittagsmalzeit zählt wohl in die Sparte "gering".
Die Stirn in Falten beim Bestimmen
Das Wichtigste zum Schluss: Was pflückt man, was sammelt man, was liest man auf, was sackt man ein, was hortet man, schneidet man, dreht man raus oder gräbt man aus, erntet oder tütet es ein? - Das kann man nicht so richtig verallgemeinern, aber die wohl bekanntesten Speisepilze sind die Pfifferlinge, die viele auch aus den Geschäften kennen, dann die Steinpilze, die Maronen, die verschiedenen Rotkappen, der Birkenpilz, der Rotfußröhrling sowie natürlich der Schirmpilz. Und der Champignon.
Jeder, der auch nur einmal dabei war beim Sammeln, kann hier Pilze ergänzen oder legt bei manchen die Stirn in Falten. Ja, genau das soll man auch, also skeptisch sein, denn für die artensichere Bestimmung braucht es Übung. Bei letzten Unsicherheiten helfen Pilzberater. Natürlich gibt es Apps und Internetseiten, am besten aber, man nutzt gleich alle Quellen, die man bekommen kann: Pilzschulen, Pilzkurse oder Pilzwanderungen. Als Erstes aber nimmt man eine Stunde bei Oma oder Opa. Der Preis: Man muss den Korb tragen.