Spree-Serie | Vom Müggelsee bis zur Havel - Bleibt die Spree auch in Zukunft ein lebendiger Fluss?
Die Spree ist die Lebensader Berlins. Aber wie steht es um die Wasserqualität? Was unternimmt die Fahrgastschifffahrt, um klimaneutral zu werden? Und wie verträgt sich Güterverkehr mit Naturschutz? Eine Beobachtungsfahrt vom Müggelsee bis zur Havel.
Die Spree ist der prägende Fluss unserer Region. In ihrem Verlauf weist sie etliche Besonderheiten auf. An manchen Stellen geht es ihr gut, an manchen Abschnitten kränkelt sie. Es gibt Passagen mit Neuigkeiten und Neuentwicklungen. Wie steht es um die Spree in Berlin und Brandenburg? - eine kleine Serie.
Der Berliner Spreeabschnitt startet am Müggelsee, dem größten See Berlins. Auf dem Weg von Köpenick im Südosten der Stadt fließt sie auf einer Länge von fast 50 Kilometern bis Spandau, ehe der Fluss dort in die Havel mündet. Dieser Text schaut mit unterschiedlichen Fragestellungen auf den Berliner Spreeverlauf: Wie wird die Wasserqualität gemessen? Wie weit ist die klimafreundliche Umrüstung der Fahrgastschiffahrt auf Elektromotoren? Wie sieht die Zukunft der Spree als Bundeswasserstraße aus?
Station 1: Unterwegs mit dem Messboot - wie sauber ist die Spree?
In Köpenick auf dem Müggelsee wird alle 14 Tage die Wasserqualität der Spree überprüft. Aber nicht nur dort. An 70 Messstellen wird in Berlin regelmäßig die Qualität des Oberflächenwassers überprüft. [berlin.de] Dazu ist Mike Östermann mit einem Spezial-Boot zum Gewässermonitoring unterwegs – voll elektrisch. Er kennt die Spree ganz genau, seit mehr als 30 Jahren ist der gelernte Binnenschiffer auf dem Wasser.
Das Elektroboot ist benannt nach dem Berliner Stadtplaner James Hobrecht. Mit an Bord ist auch der Chemie-Techniker Enrico Brückner. Er arbeitet für das Landeslabor Berlin-Brandenburg. Im Auftrag des Berliner Senats macht er ein sogenanntes Oberflächengewässer-Screening. Diese Prüfung ist verpflichtend, Messwerte werden EU-weit gesammelt und ausgewertet. Auf dem Schiff haben Brückner und sein Kollege alles, was sie für ihre Proben und Messungen brauchen. Alle Daten und Messwerte werden direkt im Laptop festgehalten. Für die spätere Laboruntersuchung wird Wasser in kleine Flaschen abgefüllt. Untersucht werden die Wasserproben unter anderem auf den Gehalt von Phosphor, Chlor, Sulfat oder Schwermetallen.
Gute Wasserwerte
Kurz vor dem Spreetunnel, wo der Müggelsee zur Müggelspree wird, hat das Wasser eine Sichttiefe von 1,20 Meter. "Das ist total normal und total durchschnittlich. Der PH-Wert ist knapp über acht und wir haben einen Sauerstoffgehalt von 8,5 Milligramm pro Liter", sagt Enrico Brückner. Das ist weniger als bei niedrigeren Wassertemperaturen, aber in Ordnung. Mit steigender Temperatur nimmt der Sauerstoffgehalt ab.
Die Messwerte gehen noch am selben Tag an die Senatsverwaltung. Dort wird der Sauerstoffgehalt oder auch der Sulfatwert geprüft. Sollte ein Wert kritisch sein, muss die Behörde Alarm schlagen, Das kann eine Verhaltensempfehlung oder auch ein Badeverbot sein. Enrico Brückner sagt, dass es der Spree seit der Wende zwischen Müggelsee und Oberbaumbrücke deutlich besser geht. Vor der Wende spülten Industrieanlagen wie in Oberschöneweide noch Abwässer ungefiltert in den Fluss. Tatsächlich erholen sich die Fischbestände der Spree. Aal, Barbe, Hecht, Karpfen oder Wels leben hier wieder. Nur wenn es heftig regnet, kriegen die Fische ein Problem. Dann können sie an den Folgen der überlaufenden Mischkanalisation sterben.
Das Elektroboot erreicht die Köpenicker Altstadt. Dort, wo die Dahme in die Spree mündet, ist die Sichttiefe schon schlechter. "Hier haben wir eine Sichttiefe von 0,7 Meter", sagt Enrico Brückner. Das Wasser entspricht an dieser Stelle dennoch der Güteklasse 2. Die geringere Sichttiefe "liegt vor allem an Schwebstoffen und Algen im Wasser, ist aber nicht bedenklich." An den Badestellen im Müggelsee können Menschen weiterhin bedenkenlos ins Wasser – auch dafür sind Brückner und seine Kollegen mehrmals im Monat auf dem Boot unterwegs.
Station 2: Fahrtgastschifffahrt - wie klimafreundlich ist der Tourismusverkehr?
Die Spree ist auf ihrem Weg durch die Stadt ein behäbiger Fluss. Mit nur etwa neun Zentimeter in der Sekunde bewegt sich die Spree voran. Zum Vergleich: der Rhein schafft etwa drei Meter pro Sekunde. Auf der Spree erfolgt der nächste Abschnitt durch das Berliner Stadtzentum auf dem Motorschiff Kreis. Es ist eines der ersten Fahrgastschiffe mit Elektroantrieb, zusteigen ist an der Friedrichstraße möglich.
Die Reederei Stern- und Kreisschifffahrt hat das Schiff umbauen lassen. Seit diesem Jahr wird es von zehn Batteriepaketen angetrieben. Es sind die gleichen, die auch in E-Autos verbaut werden.
Nur wenige Elektroschiffe
Von den rund 100 Fahrgastschiffen auf der Spree haben bisher nur eine Handvoll einen Elektroantrieb. Denn der Umbau kostet viel Geld. Der Berliner Senat hat dafür zwar einen Fördertopf mit 900.000 Euro bereitgestellt, wie die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen Antje Kapek dem rbb auf Anfrage mitteilt. Doch das Angebot nutzen nur wenige Reedereien. Klimaneutraler Schiffsverkehr auf der Spree ist noch nicht in Sicht. Ein Problem dabei: Von den knapp 30 Schiffen der Reederei Stern- und Kreisschifffahrt beispielsweise können überhaupt nur sieben einen Elektroantrieb bekommen. Bei den anderen ist der Umbau technisch nicht möglich.
Eine andere Alternative für weniger CO2 und Abgase durch Fahrgastschiffe sind Abgasfilter. Allerdings haben bisher nur drei Schiffe Abgasfilter nachgerüstet. Fünf Fahrgastschiffe fahren derzeit auf E-Basis. Bis 2050 sollen dann alle Binnenschiffe dieselfrei fahren - eine große Aufgabe für die Reedereien.
Station 3: Bundeswasserstraße - wie wird die Spree für den Lieferverkehr angepasst?
Die Umrüstung auf klimafreundlichere Antriebe gilt für alle Binnenschiffe, also für Fahrgastschiffe und auch für Fracht- und Containerschiffe. Letztere sieht man in Berlin meistens auf den noch verbleibenden sechs Spree-Kilometern zwischen der Charlottenburger Schleuse und der Mündung in die Havel. Hier ist der Fluss eine Bundeswasserstraße mit Güterverkehr, die im Rahmen des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit 17 ausgebaut wurde. Das Projekt erstreckt sich auf insgesamt 280 Kilometern vom Berliner Westhafen über den Elbe-Havel- sowie den Mittellandkanal bis nach Hannover.
Allerdings wurde der Spandauer Spreeabschnitt nicht im geplanten Umfang für den Begegnungsverkehr ausgebaut, wie aus einem Sachstandsbericht des Berliner Senats [stadtentwicklung.berlin.de] hervorgeht. Damit größere Schiffe aneinandervorbeikommen, werden Parkbuchten gebaut, wo zwei große Schiffe einander begegnen können. Der Gütertransport auf dem Wasser ist rückläufig. "Nach 1990 hatten wir in guten Jahren vier Millionen Gütertonnen Umschlag in Berlin. […] Im Moment sind wir bei einer Million Tonnen. Es könnte durchaus wieder mehr sein", sagt Dietrich.
Güterverkehr von Hamburg bis Stettin
Denn durch größere Schiffe könnten, so Dietrich, auch die Straßen entlastet werden: "Ein Großmotorgüterschiff ersetzt etwa 52 Lkw. Wenn man sich überlegt, wie viele Container allein zwischen Hamburg und Berlin hin- und herfahren, überwiegend auf der Autobahn, teilweise auch mit der Bahn, kann man da viel Gutes tun für die Umwelt, wenn man solche Verkehre auf die Wasserstraße verlagert."
Damit die größeren Schiffe auch nach Berlin kommen, muss das Spandauer Horn, eine Industriebrache, als weitere Maßnahme abgeflacht werden. Schiffe aus der Schleuse Spandau können dann direkt in die Spree in Richtung Westhafen einfahren.
Viel Grün an der Bundeswasserstraße
Zwischen Westhafen und der Spreemündung sind die Ufer der Spree sehr grün. Andreas Dietrich vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt erklärt, wie Industrie und Natur nebeneinander zurechtkommen: "Wir haben Flachwasserzonen mit Spundwänden, hinter denen sich die Natur ungestört vom Wellenschlag entwickeln kann. Wir sehen hier Seerosen, Enten, Reiher und der Biber kommt auch ab und zu vorbei. Das ist gelebter Naturschutz, so er eben im urbanen Raum möglich ist".
Sendung: Abendschau, 12.08.2023, 19:30 Uhr