Interview | Leiterin Goethe-Institut zu Bränden in Los Angeles - "Wir sind vorbereitet, in sichere Gebiete aufzubrechen"
Seit wenigen Monaten leitet Luisa Rath-John das Goethe-Institut in Los Angeles. Die gebürtige Brandenburgerin erlebt vor Ort, wie die Menschen mit der Feuerkatastrophe in Südkalifornien umgehen. Sie selbst sitzt für den Ernstfall auf gepackten Koffern.
In den USA wüten verheerende Feuer im Großraum Los Angeles. Ganze Stadtviertel sind abgebrannt. Die Zahlen sprechen von einer enormen Katastrophe. Mehr als 12.000 Gebäude liegen in Schutt und Asche, mindestens 25 Menschen sind gestorben. Etwa 88.000 Menschen können noch immer nicht in ihr Zuhause zurückkehren. Rund 17.000 Helfer sind im Einsatz.
Luisa Rath-John lebt seit fünf Monaten mit ihrer Familie in L.A. Sie ist in Libbenichen (Märkisch-Oderland) aufgewachsen, hat an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) studiert und arbeitet jetzt als Direktorin beim Goethe-Institut in Los Angeles.
rbb|24: Frau John, in Sachen Waldbrände sind wir in Brandenburg einiges gewöhnt. Aber ein Ausmaß wie in L.A. hat auch hier kaum jemand so erlebt. Wie geht es Ihnen aktuell und wie sieht es um ihr Haus und das Institut aus?
Luisa Rath-John: Es geht mir und meiner Familie zum Glück gut. Wir sind von den Bränden nicht direkt betroffen. Unser Zuhause liegt nicht in einer Gefahren-Zone.
Genauso steht es auch mit dem Goethe-Institut und den Kolleginnen und Kollegen. Wir sind ein relativ kleines Team. Ich habe drei Kolleginnen und Kollegen und wir sind im engen Austausch. Alle sind safe, also in Sicherheit und nicht in dem Maße direkt betroffen. Ein Kollege war fast drei Tage lang von Stromausfällen und stärker von diesen Santa-Ana-Winden betroffen. Und ja: Es belastet einen einfach sehr. Ich bin jetzt seit fünf Monaten hier. Meine Kollegen leben entweder schon ihr ganzes Leben oder deutlich länger als ich hier. Damit haben sie auf jeden Fall im Freundes- und Bekanntenkreis jemanden, der direkt davon betroffen ist. Das macht natürlich etwas mit einem, auch wenn wir erst einmal zufrieden sind, dass alle in Sicherheit sind. Aber die Situation kann sich nach wie vor schnell ändern.
Wie sehr verändern denn diese Brände und die Löschversuche das Leben in Los Angeles?
Große Teile der Stadt sind abgesperrt. Es gibt immer noch Gefahren-Zonen. Der Brand ist noch immer nicht unter Kontrolle. Es sind ja mehrere Brände, die momentan noch immer von den Feuerwehrmännern und -frauen bekämpft werden. Insofern ist natürlich die Mobilität in der Stadt in gewisser Weise eingeschränkt. Sehr viele Menschen sind einfach nicht in ihrem Zuhause – also momentan direkt betroffen, auf der Flucht, in Evakuierungs-Sheltern oder bei Freunden und Verwandten untergekommen. Das ist eine große Belastung für die gesamte Stadt.
Nach wie vor ist auch die Luft nicht gut. Wir haben also mit Luftverschmutzung zu tun, weshalb man angehalten ist, draußen nur das Nötigste zu tun. Man merkt aber eine leichte Besserung. Obwohl das in gewisser Weise auch trügerisch sein kann, schlichtweg dadurch, dass wir gerade auch gefährliche Stoffe in der Luft nicht wahrnehmen können. Wir wissen also nicht genau, wie schwer die Luft geschädigt ist.
Sie riechen schon, dass da verschiedene Feuer wüten?
Es kommt darauf an, wo man sich aufhält. Aber ja.
Haben Sie festgestellt, dass das öffentliche Leben beeinträchtigt ist? Etwa bei der Versorgung?
Das ist bislang nicht der Fall. Zumindest mir persönlich ist das nicht aufgefallen. Versorgungsengpässe gibt es nicht. In den betroffenen Gebieten liegt natürlich alles lahm. Da gibt es keine Strom- oder Wasserversorgung. Es gibt in einigen Gebieten Warnungen von den öffentlichen Behörden, also die Vorstufe zur Evakuierung. Dort heißt es, nicht das Trinkwasser zu benutzen, weil das geschädigt sein könnte. Aber das betrifft nicht die gesamte Stadt. In Supermärkten oder Tankstellen merkt man momentan nicht, dass es irgendwelche Engpässe gibt.
In den Medien heißt es, dass solch heftige Brände in Deutschland und Brandenburg nicht möglich wären, weil es hier nicht diese krassen Winde - die sogenannten Santa-Ana-Fallwinde - gibt. Könne Sie diese Winde beschreiben?
Als das Feuer in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ausbrach, hatten wir tatsächlich sehr starken Wind. Der hat dazu geführt, dass beispielsweise bei uns im Garten Teile des Baums einfach heruntergefallen sind. Das Klettergerüst von unserem Sohn ist umgefallen, also regelrecht umgeweht. Wir befinden uns in einem Gebiet, wo man diese Winde nicht so stark mitbekommt. Aber es gibt Stadtteile, die davon noch wesentlich stärker betroffen sind. Gerade in San Fernando Valley wüten fast Hurrikane-artige Winde.
Wie sicher fühlen Sie sich denn, von dem Feuer verschont zu bleiben? Es heißt, dass neue Winde kommen und die Lage wieder verschärfen könnten.
Momentan etwas sicherer. Wir sind nach wie vor nicht in einer Evakuierungs-Zone und haben keine entsprechende Warnung. Tatsächlich sieht es so aus, als ob die Winde das Feuer in die entgegengesetzte Richtung treiben könnten. Aber das sind alles nur Momentaufnahmen. Auch wenn das für mich persönlich gut ist, bedeutet das nicht, dass das Feuer unter Kontrolle ist und sich das Feuer nicht in andere Richtungen ausbreitet und wieder andere Menschen davon betroffen sein werden. Die beste Nachricht wäre, wenn die Winde nachlassen und man das Feuer unter Kontrolle bringen könnte. Es sieht momentan noch nicht so aus, auch wenn alle Einsatzkräfte auf Hochtouren arbeiten und ihr Menschenmöglichstes tun. Nichtsdestotrotz haben wir einen Evakuierungs-Koffer gepackt und sind für den Notfall darauf vorbereitet, relativ schnell ins Auto zu steigen und in sichere Gebiete aufzubrechen.
Was ist in dem Koffer drin?
Alles, was man so braucht, um für eine Woche irgendwie durchzukommen: Windeln, Zahnbürste, Wechselkleidung.
Wo würden Sie hinfahren?
Vermutlich weiter gen Süden. Da würden wir spontan schauen. Das hängt auch davon ab, wie sich die Brände weiter ausdehnen. Wir haben momentan ein Feuer im Osten von uns - das "Pasadena-Feuer", was vor allem für die schlechte Luft sorgt. Und dann das Feuer in den Palisades, was für uns am nächsten dran ist. Wir würden dann je nach Situation schauen, wo wir hin evakuieren würden. Aber ich bin momentan einigermaßen hoffnungsvoll, dass es meine Familie und mich nicht betrifft.
Tausende Menschen wurden in Sicherheit gebracht und wissen zum Teil nicht, ob ihre Häuser noch stehen. Gibt es denn gesellschaftliche Dinge, die man tun kann, um zu unterstützen?
Ja, tatsächlich sieht man in den Nachrichten schon, dass es große Spendenaktionen gibt. Menschen verteilen Lebensmittel oder Kleidung, stellen einfach Dinge zur Verfügung, die vielleicht weiterhelfen können. Man kann auch seine Wohnung als mögliche Unterkunft anbieten. Es gibt viele Möglichkeiten und viele tun das in ihrem ganz persönlichen Bereich. Wir haben zum Beispiel unserer Nachbarin angeboten, für sie ihren Einkauf zu erledigen. Sie ist eine ältere Dame und muss damit bei der Luftverschmutzung nicht nach draußen. Einfach das Zwischenmenschliche, sich gegenseitig zu unterstützen.
Wird sich L.A. von den Feuern erholen? Wird man die Stadtteile wieder aufbauen können oder Umbau betreiben, um solche Katastrophen zukünftig zu verhindern?
Das lässt sich schwer einschätzen. Momentan ist man noch nicht einmal an dem Punkt, wo es eine wirkliche Einschätzung des gesamten Umfangs betreiben kann. Wir sehen die Bilder. Es gibt erste Teams, die das machen. Einige Versicherungen sind dabei, Schadensfälle zu begutachten. Aber dieses enorme Ausmaß ist eine große Herausforderung. Gleichzeitig ist diese Stadt sehr resilient. Es wird aber eine lange Zeit dauern. Ich habe erst einmal die Hoffnung, dass die Gefahrenlage unter Kontrolle gebracht wird und danach möglichst schnell die Stadt in einen Heilungs-Prozess einsteigt.
Sie kommen aus Märkisch-Oderland. Hatten Sie angesichts der Lage in L.A. Sehnsucht in die alte Heimat?
Ja und nein. So, wie man immer mal Heimweh hat und an das Zuhause denkt. Aber tatsächlich war ich in den letzten Tagen eher in einem Krisenmodus und habe von Tag zu Tag geschaut. Sehr viel Austausch mit Freunden, aber auch Partner-Institutionen. Deswegen hatte ich gar nicht so viel Zeit, mich weg zu sehnen, sondern war hier sehr präsent.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung.
Das Interview führte Andreas Jacob für Antenne Brandenburg.
Sendung: Antenne Brandenburg, 15.01.2025, 14:10 Uhr