Interview | Nabu Brandenburg - Was die starken Temperaturschwankungen mit Flora und Fauna machen

Fr 21.02.25 | 06:00 Uhr
  12
Symbolbild:Eine Vogelfeder liegt mit Raureif überzogen auf einer Wiese im Nationalpark Unteres Odertal.(Quelle:picture alliance/dpa/P.Pleul)
Audio: rbb|24 | 18.02.2025 | Björn Ellner | Bild: picture alliance/dpa/P.Pleul

Die derzeitige Achterbahn in Sachen Temperatur hat auch Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt in der Region. Zum jetzigen Zeitpunkt richtet sie aber noch nicht wirklich viel Schaden an. Das kann sich aber noch ändern, sagt Björn Ellner vom Nabu.

rbb|24: Hallo Herr Ellner. Bis zu minus 15 Grad ist es in Brandenburg nachts derzeit. Ab dem Wochenende dann aber frühlingshafte zweistellige Temperaturen. Ist das ein besonders ungewöhnlicher und krasser Wechsel?

Björn Ellner: Das ist auf jeden Fall ein ungewöhnlich krasser Wechsel. Wir beobachten, dass das in den letzten Jahren häufiger vorkommt. Also dass es kaum noch Übergänge gibt, sondern man aus dem tiefsten Winter auf einmal in frühlingswarmem oder sogar im Extremfall in fast frühsommerlichem Wetter landet. Das ein klimawandelbedingter Effekt.

Zur Person

Björn Ellner, Landesvorsitzender des NABU Brandenburg (Quelle: Christiane Schroeder)
Christiane Schroeder

Nabu-Landesvorsitzender - Björn Ellner

Björn Ellner (39) ist Landesvorsitzender des Nabu Brandenburg. Ellner ist in Berlin aufgewachsen und hat an der an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde Forstwirtschaft sowie Regionalentwicklung und Naturschutz studiert.

Gibt es Stellen in Flora und Fauna, an denen dieser Wechsel jetzt für besondere Probleme sorgt?

Momentan halten sich die Probleme in Grenzen. Denn der Frühling steckt in den Startlöchern, hat aber noch nicht so richtig begonnen. Die Amphibienwanderung hat in Brandenburg allerdings schon im Januar begonnen. Das ist extrem früh. Doch für die Amphibien ist es nicht weiter dramatisch, denn sie sind jetzt noch einmal in ihre Winterstarre zurückgefallen.

Wenn das Ganze etwas später im Jahr passiert und es dann noch einmal kalt wird, wäre das problematischer. Denn dann wären Laubaustrieb oder Blüten schon entsprechend weiter vorangeschritten – und da wären die Schäden sicherlich deutlich größer als jetzt.

Die ersten Frühblüher, die schon da sind, also Schneeglöckchen und Winterlinge, kommen derzeit klar. Es ist im Prinzip rechtzeitig noch einmal richtig knackig kalt geworden.

Wenn es nach der warmen Periode, die wir in den nächsten Tagen erwarten, nochmal richtig kalt wird, kann das ganz anders aussehen.

Ist die Natur schlauer als wir denken und hält, wenn es zu früh zu warm wird, erstmal still?

Das hängt von der jeweiligen Art ab. Es gibt viele Arten, die temperaturgesteuert sind – bei denen läuft das Programm dann einfach ab. Unabhängig davon, ob es im Januar warm wird oder im März. Und es gibt Arten, die lichtabhängig sind. Da ist die Sonnenscheindauer relevant. Bei ihnen hat die Temperatur weniger Einfluss und sie richten sich dann eher nach der eigentlichen Jahreszeit im Kalender.

Man hat es, glaube ich, in den letzten Jahren auch gesehen, dass die Vegetationszeit sich verlängert. Der Laubaustrieb und die Blüte kommen früher. Wir hatten in den letzten Jahren ja auch erhebliche Frostschäden, weil es eben als die Natur schon entsprechend weit vorangeschritten war, doch noch einmal kalt wurde.

In einer Kirschenplantage des Obsthofes Wilms in Frankfurt (Oder) begutachtet am Freitag (22.04.2005) Kerstin Wilms einen Zweig mit erfrorenen Blüten
Eine Frau begutachtet einen Zweig mit erfrorenen Kirschblüten.Bild: dpa-Zentralbild

Bei der Obstblüte gibt es keine zweite Runde – wie ist das beispielsweise bei Vögeln für den Fall, dass die Brut erfriert. Brüten sie dann einfach noch mal?

Auch da kommt es auf die Art an. Es gibt Vogelarten, die regelmäßig zwei oder sogar drei Mal brüten. Meisen beispielsweise. Doch je größer die Art, desto seltener ist die Brut, kann man vereinfacht sagen. Greifvögel oder Kraniche beispielsweise brüten nur einmal im Jahr. Wenn die Brut ausfällt, ist für den Vogel das ganze Jahr verloren. Im Moment ist das noch kein Problem, aber wenn es später im Jahr noch einmal länger richtig kalt wird oder nasskalt – das ist für Vögel auch schlecht – wird, ist die Gefahr groß, dass die Eier auskühlen oder die Eltern-Tiere zu wenig Reserven haben, um auf Nahrungssuche zu gehen.

Sie sagten, dazu müsste es länger eis- oder nasskalt sein. Von welchem Zeitraum sprechen wir da?

Für Störche beispielsweise ist es ein Problem, wenn das Frühjahr nasskalt ist. Da geht es um Zeiträume von mehreren Wochen. Gerade Jungvögel, die dann ein nasses Gefieder bekommen und sich nicht richtig aufwärmen können, können dann erfrieren.

Momentan halten sich die Probleme in Grenzen. Denn der Frühling steckt in den Startlöchern, hat aber noch nicht so richtig begonnen

Björn Ellner

 

Wie schnell fangen Bäume denn bei frühlingshaftem Wetter an auszutreiben und zu blühen?

Das ist auch von Art zu Art unterschiedlich. Die ersten Baumarten wie Strauchhasel und Erle blühen ja schon. Entsprechend hoch ist auch die Pollenbelastung, wenn die Sonne scheint. Für diese Baumarten ist es allerdings nicht dramatisch, wenn es noch einmal kalt wird. Das würde es erst, wenn der Laubaustrieb begonnen hat. So weit sind wir aber noch nicht. Wann das losgeht, hängt auch von der Baumart ab. Wir haben Bäume, die relativ früh dran sind – und es gibt Bäume wie die Esche beispielsweise, die erst im Mai ihren Laubaustrieb beginnt. Während alle anderen Baumarten schon voll im Laub stehen.

Drei Jungstörche in einem Nest, aufgenommen am 05.07.2017 in der Nähe von Wittenburg (Mecklenburg-Vorpommern). Der viele Regen der letzten Wochen macht den Weißstörchen schwer zu schaffen. (Quelle: dpa-Zentralbild/Jens Büttner)
Drei Jungstörche in einem Nest. Viel Regen macht Weißstörchen schwer zu schaffen.Bild: dpa-Zentralbild/Jens Büttner

Sie haben eingangs gesagt, dass es diese Temperaturschwankungen, wie wir sie jetzt erleben, gibt, liegt auch am Klimawandel. Welche Maßnahmen empfiehlt der Nabu Gartenbesitzern, um Tiere und Pflanzen bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen?

Wenn man empfindliche Pflanzen hat, kann man diese auf jeden Fall abdecken, um sie vor starkem Frost zu schützen. Bei beispielsweise Magnolien, die zeitig blühen, ist es – wenn die Blüte schon losgegangen ist – schwierig. Sie sind sehr frostempfindlich. Da kann man dann nur versuchen, sie mit Tüchern oder Frostschutzsäcken abzudecken.

Für die Tierwelt kann man auch etwas tun. Beispielsweise kann man die Singvögel füttern, damit sie besser durch den Winter kommen und die nahrungsarme Zeit gut überstehen. Am besten ist da eine energiereiche Mischung aus Körnern und Insekten, sodass für verschiedene Arten was dabei ist.

Außerdem kann man gute Rahmenbedingungen schaffen oder bewusst erhalten. Beispielsweise für Igel, indem man wilde Ecken im Garten lässt, wo das Laub auch über den Winter liegen darf. Das sollte man auch nicht zu zeitig aufräumen, damit es – wenn es noch einmal kalt wird – den Tieren den entsprechenden Unterschlupf bietet.

Gibt es Ihrerseits auf der Bundesebene politische Forderungen, um die negativen Folgen des Klimawandels für die heimische Natur abzumildern?

Grundsätzlich ja. Wir haben ja auf Bundesebene ein Klimaschutzgesetz und wir haben uns auch zum Pariser Abkommen verständigt, das das 1,5-Grad-Ziel formuliert. In der Praxis muss man aber leider feststellen – wenn man den Wissenschaftlern zuhört – dass wir dabei sind, das Ziel zu verfehlen. Momentan fehlt es an wirksamen Instrumenten, um spürbar vorwärtszukommen. Insbesondere im Gebäude- und Verkehrssektor machen wir kaum Fortschritte. Das bereitet uns große Sorgen.

Haben Sie eine Vermutung, woran das liegt? Sind andere Themen im Moment politisch wichtiger?

Das spielt mit Sicherheit eine Rolle. Aber es spielt auch eine Rolle, dass es mit Kosten verbunden ist. Es ist nicht einfach, die Transformation der Gesellschaft zu einem klimaneutralen Leben hinzubekommen. Wir beobachten, dass der Druck, spürbare Fortschritte zu machen, nachlässt. Und wahrscheinlich wird das auch nach der Bundestagswahl noch stärker so sein.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.02.2025, 19:30 Uhr

Nächster Artikel

12 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 12.

    Richtig. Dennoch finde ich es gut, wie den Klimawandelleugnern hier die Zähne gezogen werden. Nicht, dass die argumentativ noch zu retten wären, aber ihre Schreiberei nicht unkorrigiert stehen zu lassen, scheint mir eine wichtige Sache. Danke an diejenigen, die sich dieser Sache hier angenommen haben.

  2. 11.

    Muß man 1+1=2 auch erläutern? Mal abgesehen davon kann mal Klimawandelleugner nicht überzeugen und es würde auch den Umfang des Artikel sprengen.

  3. 10.

    Es wird behauptet, dass die beobachtete Zunahme "krasser" Temperaturschwankungen mit dem Klimawandel zusammenhängt. Dies ist mir neu und ich hätte gerne erfahren, wie dies zusammenhängt.

  4. 9.

    Haben Sie schon einmal etwas von vollautomatisch arbeitenden Wetterstationen in diesem Lande schon einmal etwas gehört? - Man kann sich kaum vorstellen, dass mal fragen zu müssen!
    Da sie in den 1990er Jahren startend, vollautomatisiert und nahezu flächendeckend erhoben uu. ins digitale System eingespeist werden/vorliegen, konnen Sie das erstellte Extradiagramm allein für die Jahre 190/91 bis 2000 per Knopfdruck zusammengefasst sehen, wenn Sie hoffentlich nicht sehbehindert sind - oder sonst wie eingeschränkt: Leider ein Diagramm, das zu schnell in ein Rot übergeht, wenn Sie verstehen, was ich meine, rot wäre die Farbe der Wärme, grün-blau-dunkellila die Kälte. Ich bedauere meine mangelnden Fähigkeiten mich in sehr einfacherSprache ausdrücken zu können. Andere sind das Spitze: "in einfacher Sprache" abrufen und dann werden Sie aufgeklärt!

  5. 8.

    Was gibts da noch zu ,,erläutern''? Es ist doch Alles hinlänglich bekannt, was die fortschreitende Erderhitzung auslöst! Der Artikel ist faktisch und sachlich.

  6. 7.

    "Die Niederlande haben bereits die erste Deichlinie evakuieren lassen."
    Seit wann? Vor zwei Wochen jedenfalls noch nicht.

    @rbb
    "Das ein klimawandelbedingter Effekt"
    Nochmal: Bitte nicht nur hinschreiben/behaupten, sondern auch erläutern.

  7. 6.

    Äpfel mit Birnen. Diese Schwankungen sind in den USA normal, aufgrund geographischer Besonderheiten.

    Aber nicht in Europa und in diesem Ausmaß.

  8. 5.

    Die Wetterumschwünge werden als Extrem bezeichnet. Daran ändert ihre Schreiberei nichts. Entscheidend unter dem Strich wird sein, inwiefern Staaten ihren Bürgern nach Extremwetterereignissen unter die Arme greifen. Zumal zum Hochwasser der Hitzeschutz kommt. Die Niederlande haben bereits die erste Deichlinie evakuieren lassen. Das wird alles sehr spannend.

  9. 4.

    Ich erkenne nichtmal große Schwankungen. Es war jetzt über Wochen durchaus (sehr) kalt und wird nun Ende Februar entsprechend wärmer und zwar konstant die nächste Woche. Der Anstieg erfolgt also einmalig auf normales Niveau für die Zeit. Wer richtige Schwankungen erleben will, kann gern mal in die USA, dort treffen warme Luftmassen vom Golf und kalte aus Kanada teils binnen Stunden aufeinander. Selbst erlebt: in Virginia erst 20 Grad plus im Januar und binnen Stunden Abfall auf -10 mit Blizzard.

  10. 3.

    Wo sehen Sie bitte hier Panikmache? Wenn Sie das Interview richtig gelesen (u. verstanden?) haben, ist bis jetzt eigentlich noch gar nicht viel passiert, rot hervorgehoben: Momentan halten sich die Probleme in Grenzen. Denn der Frühling steckt in den Startlöchern, hat aber noch nicht so richtig begonnen. - Das war die in Rot gehaltene Aussage.
    Haben Sie die nicht gelesen? - Es wurde lediglich auf einzelne Arten - und die Obstblüte eingegangen. Und für die Pflanzen, die sich weniger umstellen können, wie eben die Magnolien, schützende Überdeckungen etwa, angebracht werden müssen. Wo ist da Panik?
    Ärgerlich wird erst, wenn die Obstblüte im Gange ist, und die Blüten im Spät-/Nachtfrost Schaden nehmen oder die Bestäuber komplett ausfallen. Dann können Sie sich gerne über diese verfixten Grünen aufregen! Weil dann die Äpfel /Obst sehr teuer werden können. Wie gesagt, viel ist noch nicht passiert! MfG!

  11. 2.

    Macht doch nicht aus jedem Wetter so ein Tam Tam.

  12. 1.

    Temperaturschwankungen von über 10°C innerhalb weniger Tage ist völlig normal. Was soll diese Panikmache?
    Nächte sind i.d.R. nun mal kälter als die lichten Stunden.
    Hier vergleicht man -15°C kalte Nächte mit 10°C tagsüber. Finde den Fehler.