Debatte um Gendarmenmarkt - Warum Berlins "schönster Platz" nach dem Umbau fast kein Grün mehr hat

Mi 19.03.25 | 15:58 Uhr | Von Nina Heinrich
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Das quadratische Raster auf dem neugestalteten Gendarmenmarkt in Berlin. (Quelle: rbb24 Abendschau)
rbb24 Abendschau
Video: rbb|24 | 19.03.2025 | Olga Patlan | Bild: rbb24 Abendschau

Zwei Jahre lang war der Berliner Gendarmenmarkt eine Baustelle. Nun kann zwischen Konzerthaus und Dom wieder flaniert werden – aber nur über Stein, denn Grünflächen gibt es nicht. Das wird heftig diskutiert. Von Nina Heinrich

Der Berliner Gendarmenmarkt ist in voller Pracht zurück – doch statt Freude gibt es vor allem Kritik an der neuen Gestaltung. Von den fast 20.000 Quadratmetern des Gendarmenmarkts wurden drei Viertel über zwei Jahre lang frisch gepflastert. Zwischen dem akkurat verlegten Raster aus Stein ist kein Platz für Grün geblieben – nur für die Debatte darüber.

Der Satire-Account "Der Postillon" schrieb: "Grashalm auf frisch saniertem Gendarmenmarkt entdeckt: Berliner Stadtverwaltung rückt mit Flammenwerfern an", der Autor und Satiriker Micky Beisenherz stellte ihm einen Steingarten gegenüber und schrieb von "same energy". Der ehemalige CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Armin Laschet gab sich staatsmännischer und formulierte, das Ergebnis sei "weder aus ästhetischen, denkmalpflegerischen noch aus klimaresilienten Gründen zu begreifen". Auch viele Berliner äußerten sich kritisch über die neue Fläche. Von "Stadtglatze" und "Steinwüste" ist in den Sozialen Medien immer wieder zu lesen.

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Stadtentwicklungssenator weist Kritik zurück

Dabei ist die Kritik an der Gestaltung des erneuerten Gendarmenmarkts aus Sicht von Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler unberechtigt. "Man kann da immer unterschiedlicher Meinung sein", räumte der SPD-Politiker ein. Das Gesamtkonzept ist aus seiner Sicht aber richtig. "Das sollten sich alle erstmal in Ruhe angucken", empfahl er, "ich glaube, dann wird sich die Aufregung auch wieder legen."

Der in der vergangenen Woche wieder eröffnete Platz wurde etwa von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) als "einer der schönsten in Berlin" und gar "einer der schönsten Plätze Europas" bezeichnet. Im Rahmen der Umbaumaßnahmen wurden rund 14.000 Quadratmeter Natursteinpflaster denkmalgerecht erneuert. Außerdem erhielt er ein unterirdisches, rund fünf Kilometer langes Leitungsnetz für Strom, Wasser und Abwasser.

Er persönlich sei auch immer ein Fan davon, wenn es viele Bäume gebe, so Gaebler. Es habe vor dem Umbauprojekt aber lange Gespräche darüber gegeben, welcher historische Zustand wieder hergestellt werden solle. Der Platz in Berlin-Mitte habe sein Aussehen über die Jahrhunderte schließlich stark verändert. Am Ende sei die Entscheidung gefallen, sich an der Gestaltung während der DDR-Zeit zu orientieren - in der es schon vergleichsweise wenig Grün gegeben habe.

Die Gestaltung des im 17. Jahrhundert als Marktplatz angelegten Areals orientiert sich nun also am historischen Zustand der DDR-Moderne - und wurde vom Landesdenkmalamt in einem Bericht 2020 unter Denkmalschutz gestellt. Die Pläne für den Wiederaufbau des Platzes nach dem Zweiten Weltkrieg stammen dem Bericht zufolge ursprünglich aus der Nazi-Zeit. "1936 wurde anlässlich der Olympiade die Beseitigung der Vegetationsflächen vor dem Schauspielhaus sowie des Schillerdenkmals veranlasst, um eine einheitliche gerasterte Fläche anzulegen, die fortan als Aufmarsch- und Parkplatz diente", heißt es in dem Bericht. Auch bei der Neugestaltung des Platzes findet sich nun diese Rasterfläche.

Kein Naherholungsgebiet, sondern Veranstaltungsort

Einer Bepflanzung, etwa durch Rasen, Bäume und Büsche, wurde dagegen wenig Priorität eingeräumt. Im Rahmen der Baumaßnahme mussten 23 Bäume entfernt werden, wie Michael Herden, Sprecher der Senatsverwaltung für Verkehr und Klimaschutz, sagt. Das habe vor allem an technischen Anforderungen gelegen.

Da der Platz in erster Linie als Veranstaltungsort dienen soll - etwa für das Classic Open Air im Sommer oder den Weihnachtsmarkt im Winter - wären viele Bäume eher hinderlich, sagte auch Senator Gaebler. "Da kann man hinterher immer drüber streiten."

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Für eine bessere Barrierefreiheit wurde der Platz auch abgesenkt, wie Herden berichtet. Unter einigen Bäumen verlief zudem ein U-Bahn-Tunnel, was zusätzliche bauliche Einschränkungen mit sich gebracht hätte.

Gaebler wies derweil darauf hin, dass durchaus zusätzliche Bäume vorgesehen seien. "Sogar solche, die besonders viel Schatten spenden." Neu gepflanzt wurden drei japanische Schnurbäume und drei Magnoliengehölze, die sehr hitzebeständig seien und deren Kronen einen Durchmesser von bis zu 18 Metern erreichen sollen. Weitere Pflanzen waren laut der Senatsverwaltung im Rahmen der Neugestaltung nicht möglich, aufgrund denkmalpflegerischer Vorgaben und der unterirdisch verlaufenden technischen Anlagen und Leitungen.

Laut der Senatsverwaltung ist der neue Gendarmenmarkt aber ökologisch nachhaltig gestaltet. Im Sinne des Konzepts "Schwammstadt" wird durch die Fugen zwischen den Steinplatten Regenwasser gesammelt, gefiltert und gereinigt ans Grundwasser abgegeben. Neben einem unterirdischen, rund fünf Kilometer langem Leitungsnetz für Strom, Trink- und Abwasser wurde der historische Platz mit einem sogenannten Regenwassermanagement ausgestattet. Regenwasser wird dafür in unterirdischen technischen Anlagen vorgereinigt und gespeichert.

Bei Sonnenschein sind zahlreiche Menschen auf dem Gendarmenmarkt unterwegs. Seit 2022 wurden 14.000 Quadratmeter Natursteinpflaster denkmalgerecht erneuert. (Quelle: dpa/Kalaene)
Gut zu erkennen: Viel Stein, kein Grün bedeckt den Berliner Gendarmenmarkt. | Bild: dpa/Kalaene

Auch Gabi Jung, Landesgeschäftsführerin des BUND Berlin, kann die Debatte um den Gendarmenmarkt nicht nachvollziehen. Bei städtebaulichen Planungen sollte zwar immer die Devise gelten, grüne Flächen zu schaffen und zu erhalten, sagte sie. Doch es gebe andere Orte in Berlin, über die man eher sprechen sollte. "Vor allem bei überdimensionierten Verkehrsflächen, zum Beispiel die Leipziger Straße, die Spandauer Straße am Marx-Engels-Forum oder auch bei der Fläche am Humboldt-Forum, wäre mehr Grün und Entsiegelung dringender notwendig", sagt Jung.

Statt mehr Bäumen auf einer Fläche wie dem Gendarmenmarkt, der als Veranstaltungsort geplant sei, fordert sie ein generelles Umdenken bei der Verkehrspolitik bezüglich des städtebaulichen Klimaschutzes.

Wären mehr Grünflächen dennoch möglich?

Eine zusätzliche Grünfläche kann dabei laut Heinrich Strößenreuther für die dringend notwendige Kühlung sorgen. Er engagiert sich mit der politischen Bewegung "Initiative BaumEntscheid" für die Pflanzung von mehr Bäumen im Stadtbild. Der Platz würde sich in den Sommermonaten zur "Hitzehölle" aufheizen, so Strößenreuther. "Wir brauchen Bäume für Kühlung, für bessere Luft. Alles andere ist ungesund, insbesondere für ältere Menschen und kleine Kinder."

Mit dem "Volksentscheid Baum" hat der Umweltaktivist ein Klimaanpassungsgesetz erarbeitet. Im September 2024 reichte die Initiative mit der Grünen-Fraktion in Friedrichshain-Kreuzberg beim Berliner Senat eine schriftliche Anfrage zu den Kosten für die Umsetzung ein. Die wurde als kaum bezifferbar beantwortet.

Die Hauptforderung aus dem Gesetzesentwurf stellt Strößenreuther auch beim Gendarmenmarkt auf: Entlang der Straße ein Baum alle 15 Meter, sodass man "von Schatten zu Schatten hüpfen" könne. Nur wäre dann für Veranstaltungen wie das Classic Open Air für ein bis zwei Stuhlreihen weniger Platz. Auch in der Mitte des Platzes wäre, wie Strößenreuther sagt, etwas Raum für Rasen, ohne dass das die Nutzung des Gendarmenmarkts als Veranstaltungsort beeinträchtigen würde. Das aktuelle Ergebnis bezeichnet Strößenreuther in Anbetracht des langen Planungsvorlaufs als weder adäquat noch zeitgemäß.

Mit Material von Olga Patlan

Sendung: rbb24 Abendschau, 13.03.2025, 19:30 Uhr

Beitrag von Nina Heinrich

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56 Kommentare

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  1. 56.

    Dann sollten Siexsich beizeiten einen Schattenplatz sichern, der auf dem Wegner-Parkplatz nicht zu finden ist, der die Brache als einer "der schönsten in Berlin" und gar "einer der schönsten Plätze Europas" bezeichnet.
    Nun, als er noch im Barfley im Spandau saß, nahm ihn schon damal keiner Ernst.

  2. 55.

    Auch in der Natur herrscht Ordnung. Ich bin für Schatten- und Freude abgebende Bäume, müssen ja nicht Mammutbäume sein, obwohl diese viel aushalten!

  3. 54.

    Ich mag auch keine Schottergärten. Aber da geht es gegen die Kleinen. Hier verplempert verbeamteter Größenwahn Steuergeld. So ein ordentliches Raster erinnert an ein Formular. Ein raumgreifendes Großgrün neigt zur Unordnung. Außerdem: mal sehen, wie lange das Pflaster hält…

  4. 53.

    Das stimmt leider / kalt und abweisend. Man hätte das Konzept aus der Nazizeit nicht übernehmen sollen. Aber such die Friedrichstraße ist nur gut zum Durchfahren. Als der Autoverkehr dafür gesperrt war, konnte man schön flanieren, auch die Touries!

  5. 52.

    Sie brauchen keine Angst zu haben, der Extremhitzesommer wird kommen. Sie sollten die Realität endlich akzeptieren, ändern können Sie diese nicht!

  6. 51.

    Ich schreibe sonst nie hier etwas. Aber mir ist auch schon immer aufgefallen, dass der ehemalige Ostteil Berlins eine totale Betonwüste ist. Friedrichstraße total unattraktiv. Da geh ich lieber über den Kudamm spazieren. Da sind wenigstens noch Bäume und Grünflächen.
    Ich finde Mitte einfach nur kalt und grau.

  7. 50.

    Tragisch, dass ausgerechnet der Denkmalschutz mehr Grün entgegensteht und das Erscheinungsbild aus der totalitären Vergangenheit im wahrsten Sinne des Wortes zementiert wird.

  8. 49.

    Woraus schlussfolgern Sie, dass ich mich zur Meinungskontrolleurin qualifizieren möchte? Zurück zur Sache: Der Tweet von Herrn Laschet scheint auch auf Grünen-Bashing zu zielen. Es ist nachprüfbar, dass - anders als der Tagesspigel - Ex-Verkehrssenatorin Regine Günther nicht für das kritisierte städtebauliche Desaster verantwortlich ist. Hierzu empfehle ich die an Tatsachen orientierte Beweisführung in der Berliner Zeitung vom 18.03.2025 auf S. 4 (Verfasser: Peter Neumann). Auf diesen Beitrag wurde übrigens von einem Diskussionsteilnehmer weiter unten schon hingewiesen.

  9. 48.

    Gibt es wirklich eine Debatte darüber oder findet die nur auf dieser einen Plattform im Internet statt, auf der sich nur ein ganz bestimmter, kleiner Teil der Einwohner Berlins aufhält?

    Vor einem Urteil sollte man sich ihn wenigstens erstmal in echt ansehen.

    Mich würde eher interessieren, ob dieses Regenwassemanagement im Aufwand-Nutzen-Verhältnis wirklich Sinn ergibt.

  10. 47.

    Bestimmen Sie, wer wann wozu seine Meinung sagt?
    Und warum immer der Fingerzeig auf Andere, wo wir es besser hätten machen können?
    @Dieselkraft: was so alles die Glaskugel sagt?
    Hatte erwartet, dass Sie auch noch darauf verweisen, wie tief es schon in Ihnen verwurzelt ist.
    Zumal, wenn es zu Ihrem „ Extremhitzesommer“ kommt, heizt sich die Fläche extrem auf und gibt es an wieder ab.
    Ein guter Beitrag zum Klimawandel und Ihren angstverbreitenden „Extremhitzesommer“

  11. 46.

    Woanders werden Schottergärten offiziell verboten - und hier pflastert der Senat einen ganzen Platz mit Steinen dicht, völlig ohne Grünflächen. Schön, wie Behörden immer mit zweierlei Maß messen.

  12. 45.

    Wahrscheinlich wurde auf Bäume verzichtet, weil deren Wurzeln irgendwann die unter dem Platz verbaute Technik zerstört hätte. Wozu diese unbedingt notwendig - und damit auch kostenintensiv ist - erschließt sich mir nicht. Es sollte ein Platz für alle sein, ist es aber aus vielfachen Gründen - die hier in den Kommentaren zu lesen sind- eben nicht. Und klimamässig gedacht ein totaler Fehlgriff. Schade für die umstehende Architektur.

  13. 44.

    Jawoll! Sie sagen es, Bäume müssen fahin, wir erwarten wieder einen Extremhitzesommer!

  14. 43.

    Die Verantwortlichen für diese Steinwüste sollte man in selbige schicken.
    Alternativ sollten ihre Arbeitsplätze Open Air auf diesen Platz verlegt werden.

    Wer das für schön hält ist ein Idiot.

  15. 42.

    Wahrscheinlich hat man die Variante gewählt, die die wenigste Arbeit im Unterhalt macht. So muss kein Rasen gepflegt, keine Bäume beschnitten oder auf Standfestigkeit geprüft werden. Es siedeln sich keine Vögel in Bäumen und Büschen an, die dann alles vollk... das mit den Vögeln kann es aber nicht sein, denn vermutlich wird es dann Stadttauben ohne Ende geben.

  16. 40.

    Volle Zustimmung. Es ist schockierend, dass der Platz den Denkmalschutz für diesen Aufmarschplatz erhält, aber den durchaus grünen Platz aus 1900 als unwürdig zu Schützen ansieht. "Bäume würden die freie Sicht auf die Gebäude stören".....also damit Berlin Besucher das perfekte Foto machen können, bleibt der Platz Baum frei???? Der Gast macht schnell sein Bild und flüchtet dann vom sich aufgeheizten Platz in den Schatten.......Weiteres Argument: Der Platz wäre ein Veranstaltungsplatz. Hääää? Für die handvoll Veranstaltungen- z.B. Classic open air und Weihnachtsmarkt baut man eine Steinwüste??? Übrigens müssen für genau diese Events dann wieder hässliche Betonpöller rangekarrt werden, weil ja der Platz- dank fehlender Grünrabatten und Baumscheiben- eine perfekte Angriffsfläche bietet. Berlin, ich versteh dich nicht mehr.

  17. 39.

    "Für eine bessere Barrierefreiheit wurde der Platz auch abgesenkt"
    Da konnte mal wieder jemand einen Punkt auf der Aufgabenliste abhaken. Besser wäre es, wenn derjenige sich mal einen Menschen mit eingeschränkter Mobilität schnappen würde (z.B. alt mit Rollator oder Gehstock oder auch jung mit temporärer Fuß- oder Beinverletzung). Dieses Pflastersteinchen sind für diese Leute die Hölle! Vermutlich braucht man auch mit einem Rollstuhl deutlich mehr Kraft und Aufmerksamkeit bei dem Untergrund.
    Aber Liste abhaken ist bestimmt wichtiger als echte Hilfe.

  18. 38.

    Ja, Kritik gehört zur Demokratie, auch wenn sie manchmal stört. Dass Armin Laschet sich in dieser Weise äußert, ruft bei mir dennoch Verwunderung hervor, denn sein besonderes Interesse an Berlin blieb mir bislang verborgen. Mir liegt die Frage auf der Zunge, welche Prädikate er für den Kölner Roncalliplatz, am Weltkulturerbe Kölner Dom gelegen, vergeben würde?

  19. 37.

    Der Gendarmenmarkt war früher schön grün. Erst die Nazis haben das ausradiert und das quadratische Muster gelegt, um auf Propagandafotos perfekt und Reih und Glied stehende Horden zeigen zu können. Dass sowas als "Denkmalschutz" gilt, ist eine Schande!