Klimawandel und Wassermangel - Umbau Berlins zur Schwammstadt würde bis zu 10 Milliarden Euro kosten

Fr 14.07.23 | 06:41 Uhr | Von Jan Menzel
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Archivbild:Eine junge Frau fotografiert am 21.07.2017 in Berlin am Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Adlershof den Retentionsbodenfilter am Abwasserpumpwerk.(Quelle:picture alliance/dpa/B.Pedersen)
Video: rbb24 | 13.07.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: picture alliance/dpa/B.Pedersen

Damit Berlin nicht bald auf dem Trockenen sitzt, soll kostbares Regenwasser besser in der Stadt gehalten werden. Der klimagerechte Umbau der Stadt hat aber gerade erst begonnen. Das liegt auch an den gigantischen Kosten. Von Jan Menzel

  • Bei Neubauten ist seit 2018 die Regenwasser-Bewirtschaftung auf dem Grundstück vorgeschrieben – so wenig Wasser wie möglich soll also in die Kanalisation abgeführt werden
  • Fünf bis zehn Milliarden Euro würde es kosten, Berlin zu einer Metropole umzubauen, die das Wasser hält und wie ein Schwamm speichert
  • Die Oberfläche des Gendarmenmarkt wird wasserduchlässig umgebaut
  • Regen-Rechner berechnet Kosten für Umbau, der Regenwasser besser speichert
  • Vollständige Finanzierung für Schwammstadt offen

Der "Friedhof Georgen-Parochial II" in Berlin-Friedrichshain ist eine typische grüne Oase in der Großstadt. Doch wie viele Oasen kämpft auch diese mit den Folgen des Klimawandels. Die Trockenheit tut den Bäumen nicht gut. Einige mussten gefällt werden. Und wenn es dann doch mal regnet, fällt meist so viel Wasser vom Himmel, dass es auf dem abschüssigen Friedhofsgelände abläuft, ohne versickern zu können.

Der Friedhofsverband Stadtmitte wollte diesen Wetterextremen nicht länger tatenlos zusehen. Das war der Startschuss für ein Projekt, das vorbildlich für die ganze Stadt sein könnte. Mit neuen Pflanzen, speziellen Rinnen und einer Versickerungsfläche wurde das Gelände im vergangenen Jahr klimafest gemacht. Das Herzstück des Projekts ist eine unterirdische Zisterne. Hier wird Regenwasser gespeichert, mit dem in Trockenphasen Blumen und Bäume gewässert werden.

Pilotprojekt dank ungewöhnlicher Kooperation

Dank einer ungewöhnlichen Kooperation ist dieser unterirdische Tank mit einem Fassungsvermögen von fast 200.000 Litern deutlich größer geworden als ursprünglich geplant. Ein neu gebautes Bürohaus in der Nachbarschaft leitet das Regenwasser seines Dachs in die Friedhofs-Zisterne und nicht in die Kanalisation. Was einfach klingt, ist rechtlich allerdings Neuland und finanziell nicht ohne. Der Friedhofsverband hat für sein Klima-Projekt knapp 500.000 Euro aus dem Förderprogramm des Landes zur Klimaanpassung bekommen. Der Eigentümer des Bürohauses hat noch einmal einen ordentlichen Betrag obendrauf getan, damit die unterirdische Riesentonne inklusive anspruchsvoller Steuerungstechnik gebaut werden konnte.

Einen effektiven Anreiz dafür bietet die Gesetzeslage. Bei Neubauten ist seit 2018 die Regenwasser-Bewirtschaftung vor Ort vorgeschrieben. Große Neubauvorhaben wie aktuell auf den Buckower Feldern wurden von Vornherein nach dem Schwammstadt-Prinzip konzipiert. Bei Zukunfts-Projekten wie dem Schumacher-Quartier auf dem ehemaligen Flughafengelände in Tegel mit mehreren tausend Wohnungen gehört das lokale Regenwasser-Management selbstverständlich dazu. Gründächer, Gräben und Mulden, aber auch Becken oder Überflutungsflächen und unterirdische Rigolen (Speicher) – die Palette der Möglichkeiten ist längst in der Praxis erprobt.

Berlin ist stark versiegelt

Allerdings ist Berlin in weiten Teilen eine fertige Stadt. Mehr als ein Drittel der Fläche ist betoniert, asphaltiert oder bebaut. Wasser, das gerade nach langen, heißen Trockenphasen in der Stadt wichtig für die Pflanzen und für die Anreicherung des Grundwassers wäre, fließt in die Kanalisation und damit direkt oder über die Klärwerke in die Gewässer. Für Berlin ist das kostenbare Regenwasser in jedem Fall verloren.

Daran ernsthaft etwas zu ändern, hat sich bislang noch kein politisch Verantwortlicher getraut. Diese Zurückhaltung lässt sich vor allem mit den immensen Kosten erklären. Der Chef der Wasserbetriebe Christoph Donner wagte sich kürzlich mit einer Schätzung vor: Fünf bis zehn Milliarden Euro würde es kosten, Berlin zu einer Metropole zu ertüchtigen, die das Wasser hält und wie ein Schwamm speichert.

Gendarmenmarkt wird "Schwammplatz"

Ein Positiv-Beispiel dafür, dass dieser Umbau an manchen Orten schon begonnen hat, ist die Sanierung einer Top-Adresse. Der Gendarmenmarkt bekommt nicht nur ein neues Pflaster und technische Infrastruktur für Veranstaltungen. Die Wasserbetriebe sorgen auch dafür, dass der Platz wasserdurchlässig wird. Über ein so genanntes Rinnen-Rigolen-System können dort künftig über 5 Millionen Liter Regenwasser versickert werden. Planung und Bau der Entwässerung haben rund 4,2 Millionen Euro gekostet. Das ist etwa ein Fünftel der Gesamtkosten für Sanierung und Ertüchtigung des Gendarmenmarktes.

Geld kommt überwiegend aus öffentlichen Fördertöpfen – so wie auch bei einem deutlich kleiner dimensionierten Projekt im Neuköllner Schillerkiez. Auf einer Länge von gut 300 Metern hat der Bezirk begonnen, das beschädigte Pflaster zu erneuern. Der Gehweg wird so angelegt, dass das Regenwasser in die vergrößerten Baumscheiben fließen und dort versickern kann. Die Gesamtkosten der Maßnahme liegen bei 375.000 Euro. Die Berliner Regenwasser-Agentur schätzt, dass in der ganzen Stadt jedes Jahr Straßen und Plätze mit Fläche so groß wie fünf Fußballfelder auf unterschiedliche Arten von der Kanalisation abgekoppelt werden.

Regenwasser-Agentur berät Eigentümer

Wie weit private und öffentliche Eigentümer dagegen auf ihren Grundstücken mit der Entsiegelung und der dezentralen Regenwasser-Bewirtschaftung vorankommen, lässt sich nur mutmaßen. Die Regenwasser-Agentur führt nach eigenen Angaben bis zu 300 Beratungsgespräche im Jahr durch. Dabei bekommen die Eigentümer sehr konkrete Zahlen an die Hand, was eine Investition in die Schwammstadt kostet.

Einfache Mulden liegen nach diesem groben Schema bei mindestens neun Euro pro Quadratmeter. Bei einer Rigole, die unterirdisch Wasser speichert und versickert, sind Investitions- und Betriebskosten noch einmal deutlich höher. Für die Umwandlung gepflasterter Gehwege in Rasenflächen müssen ungefähr 60 Euro pro Quadratmeter veranschlagt werden. Wird Asphalt aufgebrochen und Boden ausgetauscht, kann die Entsiegelung fast vier Mal so teuer werden. Als neuen Service hat die Regenwasser-Agentur in dieser Woche den "RegenRechner" freigeschaltet. Damit lassen die Kosten für konkrete Projekte zumindest ungefähr kalkulieren.

Wohnungsunternehmen zögerlich bei Entsiegelung

Auch in der Wohnungswirtschaft gibt es ein Bewusstsein dafür, wie problematisch die Versiegelung ist. Laut Umfrage des Verbands Berlin Brandenburgischer Wohnungsunternehmen BBU haben rund 80 Prozent der Unternehmen, die sich an der Befragung beteiligt haben, bereits Maßnahmen umgesetzt. Dazu zählen Dachbegrünung, durchlässige Flächenbeläge oder Fassadenbegrünung. Auf konkrete Nachfragen, was genau davon bei Bestandsgebäuden realisiert wurde, ist die Antwort mehrerer Berliner Wohnungsbaugesellschaften beredtes Schweigen. Das Schwammstadt-Prinzip wird bisher vor allem dann angewendet, wenn neu geplant und gebaut wird.

Vollständige Finanzierung unklar

Als Wasserbetriebe-Vorstand Christoph Donner seine Kostenschätzung von bis zu 10 Milliarden Euro in den Raum gestellt hat, dachte er auch laut darüber nach, ob nicht Steuern oder Gebühren ein notwendiger Schubs sein könnten, um beim Bau der Schwammstadt voranzukommen. Für jeden Einzelnen und jede Einzelne würde das ein oder zwei Euro mehr pro Monat ausmachen, lieferte der Wasserbetriebe-Chef gleich eine Größenordnung mit.

Die zuständige Umweltverwaltung fasst diese Optionen allerdings mit spitzen Fingern an. Stattdessen wird auf das geplante Klima-Sondervermögen des Senats verwiesen. "Dieses Sondervermögen bietet möglicherweise eine geeignete Finanzierungsbasis", so die schriftliche Antwort. Darüber hinaus könnten auch Bundesprogramme angezapft werden. Der Ausblick fällt jedoch ernüchternd aus: "Die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt geht davon aus, dass auch im Anschluss an diese Programme wesentliche Investitionen erforderlich sein werden, um das Leitbild der Schwammstadt weiter umzusetzen." Wer diese Investitionen in die klimafeste Metropole stemmen soll, bleibt damit offen.

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Beitrag von Jan Menzel

72 Kommentare

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  1. 72.

    Hat das neue Haus wenigstens ein Grünes Dach, sprich Dachgarten?
    Gegen neue Wohnungen ist ja nichts einzuwenden, aber Eigentumswohnungen, die sich kein Durchschnittsbürger leisten kann? Das führt zu Gentrifizierung und die neuen Wohnungseigentümer brauchen dann natürlich Parkplaätze, was zur weiteren Bodenverdichtung führt.
    Egal was is - immer beißt sich die Katze in ihren eigenen Schwanz!

  2. 71.

    Ich habe Zweifel, ob das herrschende Milieu solche Megaprojekte überhaupt stemmen kann und ob diese stimmig sauber durchgerechnet sein würden, wenn ich an das Gestümpere zum vorerst gescheiterten Heizgesetz denke. . Seine Wärmeprojekte jedenfalls sind reinster Humbug. Wenn ich an die Habeck-WP denke, die - cum grano salis - in Deutschland überhaupt keine nennenswerte CO2 Verbesserung darstellt oder die alternative Empfehlung von "Fernwärmenetzen", die, selbst wenn es sie überhaupt gäbe, ebenfalls keine Verbesserung der CO2 Bilanz bewirken, da Vattenfall seine fossilen Brenner für die Fernwärmeerzeugung schon aus Kostengründen gar nicht abstellen könnte, wo doch in Deutschland die einzige Möglichkeit über Atomenergie, CO2 frei Wärme zu erzeugen, verschrottet wurde.

  3. 70.

    Für eine Milliarde könnte schon mal der Bau der überflüssigen A100 gestoppt werden. Die wäre auch nicht für alle.

  4. 69.

    Das Konzept wird in Kreuzberg nicht konsequent umgesetzt. Wir hatten einen großen Garten für alle MieterInnen. Unser Vermieter baute dort ab 2018 ein Haus mit neuen Eigentumswohnungen. Man nennt es Nachverdichtung. Der Garten ist weg, von Schwammstadt kann also nicht die Rede sein, wenn der Bezirk Baugenehmigungen für Investoren erteilt, anstatt sich für das Klima zu entscheiden.

  5. 68.

    Ja, aber...
    Es ist die (schöne) Aufgabe von Ingenieuren herauszufinden, wie groß die Zisternen sein müssen, dass einerseits es noch Sinn macht und andererseits die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. Nur das hat „Roman“ gemeint.

  6. 67.

    Heute in der B... ,in Brandenburg bis zu 50000 Euro Strafe bei Entnahme von Oberflächenwasser.
    O-Ton Berliner Wasserbetriebe; Unbesorgt können dagegen die Berliner ihre Gärten sprengen. Die BWB Rechnen derzeit nicht mit Einschränkungen bei der Wasserversorgung in diesem Sommer.
    Ja, was denn nun?

  7. 66.

    6 Milliarden Euro für einen Flughafen für einige wenige können wir uns leisten aber 10 Milliarden nicht für den Schutz ALLER?

  8. 65.

    Bevor wir darüber streiten, ob es uns zu viel kostet, etwas gegen die lebensbedrohliche Trockenheit in der Stadt zu tun, sollten wir vielleicht in den Blick nehmen, was es kosten könnte, es nicht zu tun.

  9. 64.

    Wenn's beim ersten Mal nich geklappt, wird's auch beim zweiten Mal nix.
    Ist ja auch nich ausschlaggebend, was wir hier errechnen. :-)

  10. 62.

    Sorry, OMG, wieviel Jahre ham Sen dennt verpennt?
    Voriges Jahr und 2021 war BE das trockenste Bundesland gefolgt von BB, 2020 war es ST!
    BE und BB sind die Märkische Streusandbüchse - da sind die oberen Erdschichten Sand und das Grundwasser wird in tieferen Schichten vom Lehm gehalten. Wenn das Grundwasser aber nach mehreren, aufeinanderfolgenden Dürrejahren knapp wird, müsstes es jetzt 160 Tage ununterbrochen regnen, um es wieder aufzufüllen!
    Die Grundwasserknappheit fiel nur bisher nicht auf, weil das gereinigte Abwasser aus den Kläranlagen nicht abgeleitet wird.

  11. 61.

    Da versteh ick jetzt aber Ihre Logik nich ganz. Was hat die Speicherdauer dieser einen Zisterne jetzt mit den Umbaukosten zu tun? Der Friedhof wird jetzt nicht vier oder acht Zisternen aufstellen, weil die ja in der Trockenperiode eh leer bleiben würden, wenn die erste leer ist.
    Also ick komm auf 22 € pro Einwohner und Monat. Aber, ehrlich gesagt, den Betrag anteilmäßig noch jedem auf die kalten Betriebskosten raufzuschlagen, hielte ick für ungerecht.
    Weshalb sollte ich Bauprojekte der Kommune bezahlen müssen?

  12. 60.

    Schauen Sie doch mal auf den Dürremonitor:https://www.ufz.de/index.php?de=37937 Grundwasserneubildung dauert viele Jahre. Die Dürre, die wir die letzten Jahre erleben wird sich erst in der mittleren Zukunft im Grundwasserspiegel zeigen. Die klimatische Entwicklung ist recht eindeutig. Wir können uns entweder heute vorbereiten, oder unsere Kinder und Kindeskinder ein Vielfaches Zahlen lassen.

  13. 59.

    Die Finanzierung dürfte doch kein Problem sein, wenn alle Wassergroßnutzer entsprechend ihres Verbrauchs für Trinkwasser und Regenwasser bezahlen würden.
    Wie ich kürzlich erfuhr, dürfen in DE alle Getränkehersteller Grundwasser kostenlos entnehmen und das in unbegrenzter Menge.
    Die BZ hat dazu recherchiert:
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/sommer-duerre-hitze-senat-trinkwasser-berlin-soll-wasser-sparen-doch-wer-faengt-damit-an-li.362300

  14. 58.

    Bitte beachten Sie: Eine Baugenehmigung gilt für alle gleichermaßen. Da gibt es die Unterscheidung privat/Allgemeinheit, in dem Sinne wie mein Vorschlag (!) aussagt, nicht.
    Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich viel voraussetzen muss, angesichts des wenigen Platzes hier.

  15. 57.

    Ich habe die im Artikel kolportierte Summe von 10 Milliarden Euro für die veranschlagten Bauprojekte vervierfacht. Der Grund dafür ist im Bericht selbst zu finden. Die Zisterne am Friedhof sei nach den Regenschauern gefüllt gewesen und konnte den Friedhof eine Woche lang mit Wasser versorgen.
    Dürrephasen dauern im Durchschnitt 8 bis 12 Wochen.
    Also habe ich das benötigte Volumen für Wasser mindestens vervierfacht, wissend, dass es im Extremfall wohl auch nur 4 statt 8 oder 12 Wochen ausreichen würde.
    Aber im Artikel werden tatsächlich 10 Milliarden Euro erwähnt.
    Ich denke, Wasser sollte nicht allzu lange in Zisternen herumliegen. Es fault irgendwann mal. Aber die 1 Woche dürfte definitiv zu wenig sein.

  16. 56.

    Is für's eigene Grundstück, Höfe und Parkplätze ne prima Idee - nur leider für öffentliches Straßenland keine Option, denn mit allem, was kleine Räder hat, kann ma da nicht rüber rollen: Rollstühle, Rollatoren, Kinderwagen etc.

  17. 54.

    Der BER hat den Steuerzahler bislang 7 Mrd. Euro gekostet und kostet uns weiterhin jeden Monat rund 40 Mio. Wer bei Klimaschutz und -anpassung das zögerliche oder Nichthandeln mit den hohen Kosten begründet ist entweder dumm (je länger wir warten, desto teurer wird es) oder ein Heuchler.

  18. 53.

    Die Rieselfelder nördlich von Ahrensfelde sind in Benutzung. Bloß bei der anhaltenden Trockenheit bringen die nicht mehr viel. Ein guter Indikator dafür ist der Wasserstand der Wuhle (dieentspringt dort). In diesem Jahr lag die Wuhle, Höhe B1, schon im April trocken. So schlimm war es noch nie!

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