Hochhaus Ruth in Berlin-Neukölln - Zwei Dutzend leerstehende Wohnungen - und niemand möchte einziehen

Sa 16.11.24 | 10:51 Uhr | Von Efthymis Angeloudis
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Archivbild: Hochhaus, Wohnpark St. Marien in der Eschersheimer Strafle in Berlin Neukölln am 06.08.2024. ( Quelle: IMAGO/Schoening
Bild: IMAGO/Schoening

Der Berliner Wohnungsmarkt ist hoffnungslos überlastet: Auf herkömmlichem Weg an eine Wohnung zu kommen, scheint aussichtslos. Und trotzdem stehen viele Wohnungen im Hochhaus Ruth in Neukölln seit mehr als einem Jahr leer. Warum? Von Efthymis Angeloudis

Fast einsam ragt das Hochhaus Ruth über die anderen Gebäude im ruhigen Silbersteinkiez im sonst so belebten Neukölln hinaus. Was man von Weitem nicht gleich erkennen kann: Das Hochhaus sticht nicht nur zwischen den restlichen Bauten des Kiezes hervor, es ist auch teilweise leer.

Ein paar hundert Meter nördlich liegt das Tempelhofer Feld. Gleich dahinter der Emmauswald. Um die Ecke die S- und U-Bahn-Station Hermannstraße. Fußläufig kann man die Bars und Restaurants im Schillerkiez erreichen. Eigentlich ist das Hochhaus im St. Marienpark in Neukölln die beste Wohnadresse für all diejenigen, denen Kreuzberg zu laut und Charlottenburg zu weit weg ist.

Und dennoch stehen laut dem Vermieter, der Katholischen Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft Petruswerk, 24 Wohnungen im luxuriösen Neubau an der Eschersheimerstraße seit über einem Jahr leer. Interessenten? Fehlanzeige.

Wenn da nicht die Miete wäre

"Nur 24 Wohnungen", entgegnet Douglas Fernando, Geschäftsführer des Petruswerks, auf Anfrage des rbb. "Im St. Marien-Wohnpark wurden ca. 600 Neubauwohnungen geschaffen. Das Haus Ruth mit seinen 71 Wohnungen stellt nur einen Teil dieser Wohnanlage dar. Wir haben also derzeit bei knapp 600 errichteten Neubauwohnungen einen Leerstand von nur 24 Wohnungen."

Das dürfte vor allem an der geforderten Miete liegen. Für eine rund 80 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung im fünften Stock sollen Mieter 1.933 Euro Kaltmiete zahlen. Das sind 24 Euro pro Quadratmeter. Rechnet man Betriebskosten und Heizkosten hinzu, ist man schon bei 2.336 Euro warm. Und möchte man die Aussicht aus dem 17. Stockwerk genießen, werden 27 Euro pro Quadratmeter fällig. Eine Vierzimmerwohnung im 18. Stock kostet stolze 3.253 Euro kalt, ganze 27,6 Euro pro Quadratmeter.

Mieten runter, dann klappt es auch mit der Vermietung, sagt Nicklas Schenker, Sprecher für Wohnen und Mieten der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus. "Wenn der Investor sich hier einfach verspekuliert hat, indem er einfach eine zu teure Wohnung gebaut hat, und es gibt dann zu wenig Leute, die hier in Neukölln auch einziehen wollen, dann ist das nicht die die Verantwortung der Stadt", so Schenker gegenüber rbb|24. "Dann muss man eben den Mietpreis runtersetzen - und dann werden sich sicherlich auch eine ganze Reihe an Leuten finden, die da gerne einziehen möchten."

Petruswerk: Senkung der Mieten nicht geplant

"Verspekuliert" will sich das Petruswerk nicht haben. Die erheblichen Steigerungen der Baukosten in den letzten Jahren hätten sich auch auf die Mieten ausgewirkt, erklärt Douglas Fernando dem rbb. "Schon bei einem normalen Neubau war in den letzten Jahren ein Bauen unter 18 Euro pro Quadratmeter Nettokaltmiete nicht mehr möglich." Nun könne man selbst mit einer durchschnittlichen Netto-Kaltmiete von 22 Euro kein plus minus Null erreichen. Und Hochhäuser seien in der Errichtung grundsätzlich deutlich teurer als in die in Berlin üblicherweise anzutreffende Bauweise von vier- bis sechsgeschossigen Wohnhäusern.

Das Petruswerk biete dazu in den Etagen bis zum 15. OG durchschnittliche Kaltmieten von 19 bis 21,50 Euro pro Quadratmeter an. Nur für das 16. bis 18. OG würden Kaltmieten von 26,50 bis 28,00 Euro pro Quadratmeter aufgerufen. "Diese oberen Wohnungen, größtenteils mit Klimaanlagen ausgestattet und besonders guter Weitsicht, müssen aber auch die unteren Wohnungen mitsubventionieren, um die Baukosten einigermaßen decken zu können."

Der Forderung, die Mieten zu senken, wird das Petruswerk somit nicht Folge leisten können. "Die ursprünglich noch im Jahre 2023 bei den Angebots-Objekten aufgerufenen Durchschnittsmiete wurde bereits 2023 erheblich und im Jahre 2024 noch einmal geringfügig gesenkt", entgegnet Fernando den Forderungen. "Eine weitere Senkung der Mieten ist grundsätzlich nicht geplant."

Da hilft auch der Zusatz "katholische Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft" des Petruswerks, das der Berliner Kardinal Erzbischof Julius Döpfner 1958 ins Leben rief, nicht. "Die christlichen Ziele des Unternehmens werden insbesondere bei Projekten mit unseren christlichen Partnern verfolgt. Ansonsten muss das Unternehmen wirtschaftlich agieren, um solche Ziele verfolgen zu können", sagt dazu Fernando.

Bei weiterem Leerstand droht Zwangsgeld

Einen Weg, die Wohnungen schnellstmöglich zu vermieten, wird das Petruswerk trotzdem finden müssen. Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) teilte auf Anfrage einer Bezirksverordneten der Linken mit, dass schon am 30. September "Zuführungsanordnungen mit Zwangsgeldandrohungen" erlassen wurden [nd-aktuell.de].

Grundlage ist das Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum, das in Berlin 2014 in Kraft trat. Damit wird Wohnraum vor Zweckentfremdung durch Leerstand, Abriss und der Umwandlung in Gewerberaum oder Ferienwohnung geschützt.

Wenn das Petruswerk demnach bis Januar 2025 keine Mietverträge für die noch leerstehenden Wohnungen nachweisen kann, könnten 5.000 Euro pro Wohnung an Zwangsgeld fällig werden. Im Extremfall können leerstehende Wohnungen sogar treuhänderisch zwangsvermietet werden. In dem Fall beabsichtige der Bezirk das nicht, sagte ein Sprecher des Bezirks dem nd. Das Bezirksamt gehe davon aus, dass die Eigentümerin ein hohes Eigeninteresse an der Vermietung des fertigen Neubaus habe.

Mehr als 40.000 Wohnungen stehen in Berlin leer

Im Eigeninteresse anderer Eigentümer kann es aber auch sein, ihre Immobilien einfach leer stehen zu lassen. Und davon gibt es nicht wenige. Wie aus der Antwort auf eine Anfrage von Niklas Schenker an das Berliner Abgeordnetenhaus hervorgeht, standen in der Hauptstadt zuletzt mehr als 40.000 Wohnungen leer.

In Neukölln wurden 2023 in 1.231 Fällen insgesamt 425.384 Euro durch Bußgelder wegen Zweckentfremdung eingenommen, wie die "Berliner Zeitung" berichtet.

Es gäbe natürlich den fluktuationsbedingten Leerstand, bei dem eine Wohnung für zwei bis drei Monate leer steht, aber das klare Ziel ist, dass diese auch wieder vermietet wird, sagt Schenker. "Aber wir haben es auch mit einer ganzen Reihe an Wohnungen zu tun, die schon sehr, sehr lange leer stehen. Länger als 12 Monate, und da haben wir es mit einem spekulativen Leerstand zu tun - dagegen braucht es ein stärkeres Durchgreifen der Bezirke."

Zugriff auf Stromrechnung wäre denkbar

Durchgreifen geht aber nur, wenn auch die Mittel dazu zur Verfügung stehen. Die Bezirke hätten aber zu wenig Personal, um diese Aufgabe, auch angemessen bewältigen zu können, sagt Schenker. Dazu seien die Fälle, in denen überhaupt die Bezirke tätig werden, jene in denen Bürgerinnen und Bürger gute Hinweise an die Bezirke liefern.

Das sei wichtig, es gäbe aber auch noch eine andere Möglichkeit. "Wir haben vorgeschlagen, dass die Bezirke gesetzlich die Möglichkeit bekommen müssen, die Daten der Strom- und Energie-Unternehmen zu bekommen", erklärt der Wohnungspolitische Sprecher der Linken. Dann könnte man relativ einfach nachweisen, welche Wohnung höchstwahrscheinlich leer steht, man könnte es abgleichen, und schon würde es im Bezirk verfolgt.

Luxus-Bauprojekte, die am Ende leer stehen

Ein weitaus größeres Problem sind laut Schenker aber die Wohnungen, die rein als Kapitalanlage gebaut wurden und die an zwei oder drei Wochenenden im Jahr überhaupt nur genutzt werden. "Die tauchen auch leider in keiner Statistik auf und zeigen einfach nochmal eindeutig, dass das, was uns der Senat aus CDU und SPD die ganze Zeit erklären will, also 'Bauen, Bauen, Bauen' sei das einzige, was gegen die Wohnungsnot hilft, kompletter Unsinn ist", so der Linke-Politiker.

Bei vielen Wohnungsbauprojekten würden ohnehin Wohnungen entstehen, die für normale Berliner mit durchschnittlichen Einkommen überhaupt nicht bezahlbahr seien.

Schenker: "Es kann nicht sein, dass hier Investoren meinen, irgendwelche seelenlosen Betonburgen in die Stadt zu pflastern und dann lassen sie die einfach leer stehen." Dafür sei der städtische Grund und Boden ein zu knappes Gut. "Wir haben eigentlich nicht die Möglichkeit, hier noch einen einzigen Quadratmeter an teuren Wohnungen zu bauen, die die Stadt wirklich nicht braucht."

Beitrag von Efthymis Angeloudis

Kommentar

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34 Kommentare

  1. 34.

    Die Miete finde ich eigentlich nicht zu hoch. Die Frage ist doch eher, wer heutzutage noch in Neukölln wohnen will. Der Artikel bezieht sich nicht auf diesen Punkt und verunglimpft ehrliche Vermieter und normale Mietpreise.

  2. 32.

    "bauen, bauen, bauen" und dann "Mehr als 40.000 Wohnungen stehen in Berlin leer" - was sagen uns die Vergesellschafftungsgegner doch immer gern, der freie Markt regelt das und private könnens besser, nun die Realität schaut wohl anders aus.

  3. 30.

    Der Sinn der Strafgelder liegt darin, den Leerstand aufgrund zu hoher Mietpreise unwirtschaftlich zu machen. Irgendwann wird der Eigentümer gezwungen sein, mit den Mieten runter zu gehen, weil er sein Haus nicht mehr voll bekommt. Oder er muss es verkaufen, weil ihm die Leerstandskosten davon laufen. Vielleicht sogar unter Wert. Das hat alles der Eigentümer selber in der Hand. Entweder Mondpreise für die Miete verlangen, samt Leerstand und Strafgeldern. Oder vielleicht einfach mal Mieten nehmen, die sich auch bezahlen lassen. Der Eigentümer hat die Wahl.

  4. 29.

    Marktmieten können diese Billigmieten nicht mehr ausgleichen.

    Sozialwohnungen nur noch Rentnern, arbeitender Bevölkerung und wirklich Kranken.

  5. 28.

    Bei den heutigen Quadratmeter Preisen, Baupreisen und beim heutigen Behörden Dschungel, sind die Mieten nicht zu hoch - da sind eher die gesamten Baukosten viel zu hoch.

  6. 26.

    Das ist eine katholische Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft?! Die wollen wohl die Mieter in die Hölle schicken, bei über 2.000 oder 3.000 Euro, pro Monat! Das hört sich nicht gerade christlich an.

  7. 25.

    Und es sollen wohl trotz der enorm hohen Baukosten weitere Hochhäuser gebaut werden. In der Marchwitzastr wurden erst vor kurzem mehrere 11 Geschosser in den Innenhof geknallt. Soviel ich weiss alles Sozialwohnungen, eines der Hochhäuser bietet explizit Mittelfristwohnmöglichkeiten nur für Obdachlose, also werden die Baukosten wahrscheinlich weitgehend von der Stadt übernommen....

  8. 24.

    Irreführende Schlagzeile. Natürlich stimmt es nicht dass niemand einziehen *möchte*, sondern dass niemand der Normalsterblichen einziehen *kann* bei den Mondpreisen.

  9. 23.

    Nun, irgendwann wird es der Markt regeln, denn die Kosten laufen ja weiter. Ewigen Leerstand kann sich kein Vermieter leisten... abwarten, ob sich noch ein Mensch mit zu viel Geld findet oder den Preis anpassen. Die haben auf jeden Fall bereits eine Jahresnettomiete plus verbrauchsunabhängiger Nebenkosten verloren, vielleicht sind die Katholiken auch reich genug, das auszusitzen. Froh bin ich, daß ich das nicht mit Kirchensteuer subventioniere.

  10. 22.

    Wenn das Zwangsgeld verhängt wird, müssen dementsprechend die anderen Mietzahlungen noch weiter angehoben werden, um eine Rentabilität zu erreichen. Das könnte dann zu noch mehr Leerstand führen und damit zu noch höheren Zwanggeldern mit der Folge, daß deshalb die Mieten noch mehr steigen müssen. Was soll der Sinn dieser Art Regelung sein, die nur weitere Mieterhöhungen und damit noch mehr Leerstand in der Folge erzeugt?

  11. 21.

    Es müsste viel schneller Strafen für Leerstand geben. Ab 6 Monaten. Denn dann ist einfach die Miete zu hoch und die Wohnung wird als Spekulationsobjekt zweckentfremdet. Eigentum verpflichtet eben auch.

  12. 20.

    Selbst als Atheist kann ich da nur noch sagen: Ich bete dafür das Petrus an seiner Pforte die passende Lösung für Leute hat die nicht nur seinen Namen sondern auch seine Ideen missbrauchen!

  13. 19.

    Ein weiterer Grund für mich meinen Termin zum Kirchenaustritt diesen Monat wahrzunehmen und die 30 Euro, die ich dafür trotz Armutsbetroffenheit zahlen muß dem Amt in den Rachen zu werfen. Never again! "Nächstenliebe" - ha,ha,ha,ha - nicht erst seit heute eine Farce!

  14. 18.

    Wenn die Miete das Gesamtgehalt allmählich übersteigt, ist offenbar Schluss. Aber mal ganz ehrlich und unverblümt: Gehts noch? Das ist doch einfach unverschämt.

  15. 17.

    3 - 4 % Leerstand muss wohl als normal oder sogar als erstrebenswert gelten, damit überhaupt eine Auswahl an Wohnungen besteht. In Potsdam liegt der Leerstand teilweise bei 1 %.

    Dennoch gibt es ein Aneiner-Vorbeispekulieren der Immobilienbranche und dazu muss ein Mensch nicht mit einer selektiven Wahrnehmung behaftet sein, um das zu erkennen. Mitunter trifft es auch Genossenschaften, die sich in diesen Sog mit hineinziehen lassen: Es wird dann viel Hype um etwas gemacht, dass ungeahnte Perspektiven bestünden, real aber stellt sich die Lage dann "bodenständiger" dar. So scheint es dem Petruswerk ergangen zu sein.

  16. 16.

    Letztlich ist jede Wohnung/Miete bezahlbar, wie überhaupt Alles auf der Welt.

  17. 15.

    OMG, mir tun diese Petrus- und Marienanbeter:innen sowas von leid. Wurden fies gezwungen Neubauten zu errichten. Und nu rechnet‘s sich nich…

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