Hausärztemangel - Cottbuser Arztpraxen können Zulauf teils nicht mehr bewältigen

Sa 16.11.24 | 08:39 Uhr
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Ein Hausarzt stellt in einer Praxis ein Rezept aus. (Quelle: dpa/Benjamin Nolte)
dpa/Benjamin Nolte
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 16.11.2024 | Philipp Manske | Bild: dpa/Benjamin Nolte

Mehrere Hausärzte gehen in Cottbus zum Jahresende in Rente. Zahlreiche Patienten müssen eine neue Praxis finden. Doch viele Hausärzte sind bereits jetzt ausgelastet - obwohl der Lausitzer Strukturwandel noch mehr Menschen in die Stadt ziehen soll.

26 Jahre lang hat Luca Lehnig seine eigene Arztpraxis geführt. Zum Jahresende geht er in den wohlverdienten Ruhestand. Und hat Glück: Sein Sohn wird die Praxis übernehmen. Doch viele Ärzte, die in Rente gehen, stehen ohne Nachfolger da. Und die Patienten ohne Hausarztpraxis.

Wie viele es genau sind, ist nicht ganz klar. Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin Brandenburg (KVBB) spricht von sieben Ärzten, drei von ihnen hätten bereits einen Nachfolger gefunden. Lehnig selbst spricht von elf Kollegen, die in Rente gehen. Laut ihm hätten nur zwei dieser Praxen einen Nachfolger gefunden.

"Wir haben derzeit eine prekäre Situation", so Lehnig. Der Zulauf in seiner Praxis sei im Moment nicht mehr zu bewältigen. Täglich erreichen ihn bis zu 20 Anfragen von Menschen, die einen neuen Hausarzt brauchen - telefonisch und in Person.

Doch seine Praxis ist schon jetzt zwölf Stunden am Tag ausgelastet. Es gibt einfach keinen Platz für neue Patienten. Er versuche zu helfen, wo er kann. Aber zufriedenstellend sei das nicht. "Die hausärztliche Betreuung umfasst mehr", sagt Lehnig, "Tiefe, Gründlichkeit, Sorgfalt." Lehning sieht die Stadt und auch das Land Brandenburg in der Pflicht, an dieser Situation etwas zu ändern.

"Cottbus ist ausreichend versorgt"

Im Cottbuser Gesundheitsamt sind die suchenden Patienten ein bekanntes Phänomen - auch, weil sich viele Patienten aus dem Spree-Neiße Kreis in der Stadt versorgen lassen. Doch auch im Gesundheitsamt könne man nur begrenzt etwas an der Situation ändern. "Die Stadt kann vor allen Dingen richtig Rabatz bei der Kassenärztlichen Vereinigung machen", sagt Gesundheitsdezernent Thomas Bergner.

Doch die KVBB verweist ihrerseits auf die Zahlen. Auch sie seien abhängig von der Bedarfsplanungsrichtlinie des Bundes. Nach ihr liegt der Versorgungsgrad in Cottbus bei knapp 100 Prozent - und sei somit ausreichend.

"Mir ist natürlich klar, dass die Zahlen das eine sind und die Versorgungssituation, wie sie die Menschen wahrnehmen, eine andere ist", erklärt Sprecher Christian Wehry. Aber selbst in überversorgten Gebieten gebe es da mal Diskrepanzen.

Trotzdem gesteht er ein, dass es ganz grundsätzlich zu wenig Ärzte gibt. Und das nicht nur in Cottbus. 320 Hausarztstellen sind in Brandenburg derzeit unbesetzt. "Aber wenn ich Cottbus mit anderen Regionen vergleiche, dann ist Cottbus ausreichend versorgt. "Wichtig sei vor allem, dass Patienten mit akuten Problemen schnell versorgt werden, so Wehry. "Und da haben ganz viele Ärzte ihre Akutsprechstunden und da wird niemand allein gelassen."

Mediziner anlocken - aber wie?

Auch, wenn die Stadt nach eigenen Angaben von der KVBB abhängig ist - und die wiederum von den Vorgaben des Bundes. Thomas Bergner sagt, beim Gesundheitsamt sei man immer bereit, Ansiedlungswilligen unter die Arme zu greifen. Auch ein neues MVZ soll laut dem Gesundheitsdezernenten nach Cottbus kommen - da habe die Stadt zum Beispiel bei den Bauanträgen unterstützt.

Doch die bisherigen Bemühungen überzeugen Hausarzt Luca Lehnig nicht. "Schauen sie mal nach Guben", sagt er. Dort wurde Umzugswilligen ein kostenloses Probewohnen angeboten. "Das sind einfache Dinge, die hier auch praktiziert werden könnten."

Auch Absolventen dort anzuwerben, wo sie ihre Ausbildung abschließen, wäre für Lehnig eine sinnvolle Möglichkeit. Außerdem hofft er auf die kommende Medizinerausbildung in Cottbus. Sein Sohn, Luca-Yves, setzt auf Vorgaben aus der Politik. Die könnte Studierende etwa dazu verpflichten, nach ihrer Ausbildung in Cottbus auch eine gewisse Zeit in der Umgebung zu praktizieren. "Es ist ein Geben und Nehmen", so der junge Arzt.

Die Medizinerausbildung in Cottbus soll planmäßig Ende 2026 beginnen. Bis die ersten Studierenden fertig ausgebildet sind, und dann möglicherweise als Hausärzte in der Region bleiben, vergeht also noch viel Zeit. Laut Luca Lehnig wird wohl solange eine Lücke in der Versorgung klaffen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 15.11.2024, 15:40 Uhr

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4 Kommentare

  1. 4.

    Solange die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse Ländersache ist, wird sich bei der Integration von Fachkräften nichts verbessern. Da steht der Föderalismus mal wieder den Bedürfnissen im Wege.

  2. 3.

    Ja, es wird immer schlimmer hier, mein Hausarzt hat schon ein Schild an der Tür, dass er keine neuen Patienten aufnehmen kann. Ich hatte 2015 das Problem, als meine Ärztin in Rente ging. Augenärzte gibt es auch kaum und bei denen sind diese Schilder auch an der Tür.
    Kaputtgespart, runtergewirtschaftet wird das Gesundheitssystem. Und das seit vielen Jahren!!!

  3. 2.

    Das same Problem, wie in der Uckermark, keine Hausärzte, keine Hautärzte, keine Augeärzte, keine Psychotherapeuten!
    Dann muß ich wohl selbst Medizin studieren und später meine Praxis eröffnen, mit 52. Oder ich zieh in die Schweiz, Frankreich…..

  4. 1.

    Die sollen einfach schneller die ausländischen Abschlüsse anerkennen, dann steigen auch die Chancen mehr Ärzte in die Region zu bekommen bzw, zu halten. Und über MVZs in gar privatwirtschaftlicher Hand hat man ja auch schon abstruseste Geschichten gehört.

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