Berlin-Kreuzberg - Wenn Fastfood-Müll zum Problem wird
Fastfood geht einher mit Verpackungsmüll, der dann oft in der Gegend herumliegt. Das zeigt sich vor allem in den touristischen Gegenden Berlins. Im Bergmannkiez in Kreuzberg können sie gerade ein Lied davon singen. Von Andrea Everwien
Rund um die Kreuzberger Bergmannstraße stolpert man seit einiger Zeit vermehrt über Kaffeebecher, Burger-Schalen, Papierservietten jeder Art. Immer wieder fallen auch rot-weiße Verpackungen mit dem gleichen Schriftzug ins Auge: "Munchies" – ein neuer Fastfood-Anbieter im Kiez.
Der Laden bietet klassisches US-amerikanisches Fastfood, gemischt mit ein bisschen Texas-Feeling: Birria, Tacos und Burger, alles "halal", also dem islamischen Reinheitsgebot entsprechend. Dazu gibt es Pommes, hier "fries" genannt. Das "Munchies" ist Thema bei Influencern auf Youtube und auch durch TikTok mittlerweile international bekannt.
Die Nachfrage ist entsprechend. Bis zu 1.000 Menschen wollen täglich "Munchies"-Essen haben, sagen die Geschäftsinhaber dem rbb. Es sei ein Riesenproblem, den Andrang zu bewältigen - der Verkaufsraum sei nur 26 Quadratmeter groß.
Lange Schlangen und viel Müll
Die Schlangen vor dem Laden sind also lang, Autos parken in zweiter Reihe, die Gäste setzen sich mit dem Essen auf die Stufen umliegender Hauseingänge, die nahegelegenen Spielplätze und die Parklets der verkehrsberuhigten Bergmannstraße. Nicht alle nutzen für ihren Müll dann die dafür vorgesehenen Mülleimer, wie Passanten und Anwohner berichten.
Viele in der Nachbarschaft ärgern sich deshalb. "Jeder hat seine Tüte. Darin ist noch alle mögliche Verpackung, Flaschen und ich habe auch beobachtet, wie einfach die Flaschen dann so ins Gebüsch geworfen werden", sagt eine Frau, die am Chamissoplatz wohnt. Andere sprechen von Verlotterung, auch auf dem Portal nebenan.de ist der Müll seit längerem Gesprächsthema und sorgt für erregte Debatten.
"Munchies" fühlt sich bedroht
Der Ärger hat auch das "Munchies" erreicht. Inzwischen werde das Geschäft mit seinen Mitarbeitern bedroht von Menschen, die ihnen Müllbeutel in den Laden werfen und rund ums Geschäft Fäkalien verschmieren würden, erzählt der Geschäftsführer im Gespräch.
Dabei sei man sich des Problems bewusst: Man habe bereits Verpackungen reduziert, außerdem stünden vor der Tür drei Mülltonnen mit dem Hinweis an die Gäste, die Verpackungen dort zu entsorgen und helfen, die Umgebung sauber zu halten, erklärt das Management. "Wir sammeln jeden Tag Müll auf", sagt ein Mitarbeiter. "Und nachdem wir hier geschlossen haben, gehen nochmal zwei Mitarbeiter im ganzen Bergmannkiez herum. Die sammeln dann auch noch mal Sachen auf."
Das zuständige Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg bestätigt, "Munchies" erfülle seine Pflichten zur Reinhaltung im öffentlichen Raum. "Dem Betreiber kann (…) das Fehlverhalten der Kund*innen/Passant*innen zumindest in der weiteren Umgebung des Ladens nicht zugerechnet werden", heißt es in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage des rbb.
Verpackungsverordnung erfasst das Problem nicht
Mehrweg scheint in diesem Fall auch keine Option zu sein. Zwar gilt seit dem 1. Januar 2023 die neue europäische Verpackungsverordnung, nach der Anbieter, die Speisen in Einwegbehältnissen oder Getränke in Einwegbechern anbieten, zusätzlich auch Mehrwegoptionen vorhalten müssen. Diese Regelung gilt aber nur für Restaurants, deren Gastraum 80qm hat, trifft auf das Munchies also nicht zu.
Es gebe nicht ausreichend Platz in dem kleinen Laden, um Mehrweggefäße hygienisch einwandfrei zu säubern, erklärt der Geschäftsführer. Deshalb sei auch ein freiwilliges Angebot nicht zu leisten.
Zuletzt entscheiden ohnehin die Kund:innen, ob sie lieber Einweg oder Mehrweg wollen – so sieht es die Verpackungsverordnung vor. Im touristisch geprägten Bergmannkiez mit viel Laufkundschaft wäre Mehrweg also möglicherweise ohnehin keine Lösung.
"Littering" – ein stadtweites Problem?
Was sich im Kreuzberger Bergmannkiez abbildet, scheint auch in anderen Teilen der Stadt ein Thema zu sein. Das "Littern" von Verpackungen habe in den vergangenen Jahren spürbar zugenommen, erklärt die BSR auf Anfrage. Vor allem seit der Corona-Pandemie habe sich die Situation verschärft, weil seitdem wesentlich mehr Essen to-go angeboten werde.
Wie viel Verpackungsmüll die Teams der BSR genau von der Straße räumen, ist nicht bekannt: Kaffeebecher, Menüschalen und Pizzakartons würden zusammen mit Laubresten als normaler Straßenkehricht verbucht und nicht gesondert erfasst, so die Auskunft der BSR.
BSR: Es gibt genug Mülleimer
Mehr Müllbehälter würden die Situation nicht verbessern, erklärt die BSR. Konkret sind etwa in Sichtweite des "Munchies" drei der stadtweit 27.000 öffentlichen Mülleimer installiert. Weitere finden sich an den nächsten Straßenecken im Kiez. In den Parklets auf der Bergmannstraße hängen offene BSR-Müllbeutel, auf dem Spielplatz stehen gußeiserne Mülltonnen.
Einige Menschen würden die vielen öffentlichen Abfallbehälter ignorieren und ließen ihren Müll an Ort und Stelle liegen, schreibt die BSR: "Dieses Verhalten ist häufig der eigenen Bequemlichkeit geschuldet – und auch ein Zeichen mangelnden Respekts für den öffentlichen Raum sowie für unsere Reinigungskräfte."
Bezirk reagiert mit mehr Kontrollen
Der Bezirk kennt die Beschwerden der Anwohner:innen im Bergmannkiez. Die Außendienstmitarbeiter des Ordnungsamtes seien angewiesen, im Rahmen ihrer Kapazitäten vermehrt Parkverstöße zu ahnden und das sogenannte "Littering" – das unachtsame Wegwerfen von Müll – vermehrt zu ahnden, erklärt der Bezirk schriftlich. Das entsprechende Verwarnungsgeld betrage 55 Euro.
Einem steigenden Müllaufkommen könne allerdings nicht mit immer mehr Mülleimern begegnet werden, so der Bezirk. Vielmehr brauche es Strategien, um Müll zu vermeiden und zu reduzieren.