Interview | Klimaforscher nach Starkregen-Tagen - "Trockener Boden braucht fünf Monate, bis er sich erholt"

Mi 28.06.23 | 17:40 Uhr
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Symbolbild:Tiefe Traktorspuren auf dem Feld, in denen sich Wasser ansammelt.(Quelle:imago images/M.Raedlein)
Bild: imago images/M.Raedlein

Ist es jetzt besser? Der Klimaforscher Andreas Marx sagt, welche positiven Effekte die Regenschauer der letzten Tage hatten, aber auch, wo sie nicht helfen. Und er erklärt, inwiefern das alles mit dem Klimawandel zu tun hat.

rbb|24: Herr Marx, mit dem Dürremonitor zeichnen Sie auf, wie trocken es in Deutschland ist. Nach den Regenfällen der letzten Tage müsste es jetzt in Berlin und Brandenburg eigentlich entspannt sein, oder?

Andreas Marx: Zumindest für die oberen Bodenschichten stimmt das tatsächlich. Hier ist es nass und das ist für die Landwirtschaft ein gutes Zeichen.

Aber in den tieferen Bodenschichten ist es nach wie vor ungewöhnlich trocken in der Region Berlin-Brandenburg. Das sieht man an unseren Karten sehr gut, da ist alles dunkelbraun. Und das Braun, das bedeutet: Hier ist es so trocken, wie es eigentlich nur alle 50 Jahre zu erwarten wäre.

Aber wieso kommt das Wasser nicht weiter unten im Boden an? Oben sind die Straßen doch teils überflutet, weil es so viel Regen gibt.

Eben darum. Das klingt immer absurd, wenn man die Wassermassen sieht. Aber wenn wir mit Regenstiefeln in den Fluten stehen, läuft das Wasser oberflächlich weg. Es geht eben nicht in den Boden. Die tieferen Bodenschichten bleiben trocken, weil der Regen schneller vom Himmel fällt als das Wasser sich im Boden nach unten bewegen kann. Darum hat man jetzt in den letzten Tagen eine Flutwelle durch Bäche und Flüsse fließen sehen.

Wer ist das?

Andreas Marx.(Quelle:Sebastian Wiedling-UFZ)
Sebastian Wiedling-UFZ

Andreas Marx leitet das Mitteldeutsche Klimabüro des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Der von ihm geleitete Dürremonitor liefert jeden Tag neue Daten über die Wassersituation im Boden für ganz Deutschland.

Wie genau messen Sie denn überhaupt die Trockenheit im Boden? Haben Sie in ganz Deutschland haufenweise Sonden im Boden verbuddelt?

Nein, das geht in der Form leider nicht. Denn Messgeräte können immer wieder kaputt gehen und müssen dann ausgetauscht werden. Bei einer normalen Wetterstation ist das auch kein Problem. Da tauschen sie die Sonde aus und können direkt weitermessen. Wenn aber ein Messgerät im Boden ist, müssen sie es mit viel Aufwand es ausbuddeln. Und dann kommt noch hinzu, dass Sie dabei die Bodenstruktur verändern. Sprich wenn sie das wieder vergraben, können sie die Messwerte vorher eigentlich nicht mit denen danach vergleichen.

Wie machen Sie es also dann?

Wir haben ein komplexes Computermodell Deutschlands mit Bergen, Flussverläufen, Bodentypen, Landnutzung und so weiter. Das füttern wir mit Wetterdaten von den rund 2.500 Messstationen und berechnen, wie der Regen in den Boden einsickert und wie die Flüsse reagieren. Und damit wir sicher sein können, das wir da nicht irgendetwas unrealistisches berechnen, vergleichen wir die Ergebnisse unseres Modells mit Messungen an 40 Standorten, die über Deutschland verteilt sind.

Wieso ist es überhaupt ein Problem, wenn der Boden in tiefen Schichten so trocken ist? Die Kartoffeln, die auf dem Acker wachsen, haben doch keine Wurzeln, die mehrere Meter in die Tiefe reichen. Und Erdbeeren auch nicht.

Aber die Wurzeln von Bäumen reichen natürlich so tief, und da liegt der Unterschied. Ein starker Regen, ein paar Tage nass, das kann für Landwirte die ganze Lage entspannen. Für den Wald ist das aber anders.

Wie ist denn die Lage in den Wäldern?

Die Wälder haben 2018 schon unter dem extrem trockenen Sommer gelitten. Richtig sichtbar geworden ist das aber erst nach einem weiteren trockenen Sommer 2019. Und seitdem treten in den Wäldern trockenheitsbedingt regelmäßig Schäden auf. Das ist im Grunde das Vertrackte. Einerseits dauert es mindesten fünf trockene Monate, bis ein normallfeuchter Boden bis in 2 Meter Tiefe völlig ausgetrocknet ist. Andererseits, wenn der Boden erstmal trocken ist, dann dauert es auch mindestens fünf Monate, bis sich das erholt.

Also fünf regenreiche Monate im Sommer und Herbst sollten jetzt kommen?

Nein, im Sommer kann selbst das zu wenig sein, weil Pflanzen mit den Wurzeln permanent Wasser aus dem Boden ziehen und weil bei höheren Temperaturen mehr Wasser verdunstet. Wirklich Feuchtigkeit aufbauen kann sich bis in die tieferen Bodenschichten daher eher über das Winterhalbjahr. Wenn es da mal dauerhaft Nieselregen gebe, das würde helfen. Oder einfach gesagt: 100 Liter Niederschlag sind prinzipiell gut pro Monat. Aber die sollten eben nicht nur an zwei Tagen fallen, sondern über den Monat verteilt.

Sind das alles schon Effekte des Klimawandels?

Ich finde das teils müßig darüber zu streiten, welche Dürre vom Klimawandel kommt und welcher Regenguss nicht. Fakt ist, dass es in Mitteleuropa so trocken ist, wie seit 250 Jahren nicht mehr. Und Fakt ist, dass alle gängigen Klimamodelle vorhersagen, dass es mehr Extremereignisse gibt. Und darum müssen wir in Deutschland im Umgang mit Wasser umdenken.

Was heißt das denn genau?

Momentan sind zum Beispiel unsere Städte darauf ausgelegt, dass Regenwasser möglichst schnell Richtung in die Kanalisation fließt und dann aus der Stadt. Nur mitunter ist damit die Kanalisation überfordert. Besser wäre es, das Wasser würde vor Ort versickert oder in Zisternen gespeichert. Damit hätte man zwei positive Effekte: Bei längeren Trockenphasen können wir den Regen in der Stadt effektiver nutzen und würde so der Trockenheit entgegenwirken. Gleichzeitig hätten wir auch einen Schutz vor Überschwemmungen bei starkem Gewitterregen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Haluka Maier-Borst, rbb|24.de

89 Kommentare

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  1. 89.

    Na das erste Zitat ist doch genau das, was ich nur anders formuliert gebracht habe - das war mit Andeutung gemeint. Es ist nicht das Haupthema im Interview, deshalb wird es nur am Rande andeutungsweise angeschnitten, wie die Entwicklung der Regenmengen ist - da es nicht das Hauptthema war, vollkommen in Ordnung. Sie haben heute einen komischen Tag, die Diskussionen waren schon besser.

  2. 88.

    Ist eben nicht die totale Ausnahme mit vielen Altlasten. Die wurden nach der Wende beseitigt. Und es entstand ein vielfältiger Mischwald. Sogar der seltene Schwarzstorch fand ein zu Hause. Außerdem ist erwartbar, dass die Rodung des Waldes zur Störung des Mikroklimas führt und dadurch der Boden weiter austrocknet. Wie führte der Klimaforscher aus: "Trockener Boden braucht fünf Monate, bis er sich erholt". Sie wollen doch nicht den Frevel an der Natur gutheißen?
    Wer das Klima retten will, darf den Wald niemals platt machen! Da sollten mal Grüne drüber nachdenken.

  3. 87.

    Na dann haben wir uns z.B. alle den Fäkaliengestank und das Fischesterben im Landwehrkanal nur eingebildet?
    Das meiste Wasser hat den oberirdischen Dreck und die Abwässer Berlins durch die Kanalisation zurück in die Flüsse gespült.
    Nicht umsonst ist von dringend benötigten Wasserspeichern für Berlin in diesem Artikel auch die Rede.
    Dem Senat vielen die dringend benötigten Rückhaltebecken, aus aktuellem Anlass, auch spontan wieder ein.

  4. 86.

    Für die zahlreichen Kritiker sei auf das Bodenfeuchte-Messstellennetz in Berlin verwiesen, die der Theorie der ablaufenden Regenmassen erheblich widerspricht. Zumindest die letzten Regenereignisse wurden vom Boden sehr gut aufgenommen.

    Exemplarisch die Messstelle Tiergarten:
    https://wasserportal.berlin.de/station.php?anzeige=g&sgrafik=tw&thema=bbf&station=PSA2Tiergarten

  5. 85.

    Der Experte deutet das in keinster Weise an.

    Siehe zb Zitat:
    "100 Liter Niederschlag sind prinzipiell gut pro Monat. Aber die sollten eben nicht nur an zwei Tagen fallen, sondern über den Monat verteilt."
    Oder
    "Einerseits dauert es mindesten fünf trockene Monate, bis ein normallfeuchter Boden bis in 2 Meter Tiefe völlig ausgetrocknet ist. Andererseits, wenn der Boden erstmal trocken ist, dann dauert es auch mindestens fünf Monate, bis sich das erholt."

  6. 84.

    Absolut, und in diese Richtung wird die Gesetzgebung auch angepasst. Bisher wurde das von CDU/CSU durch nichtstun torpediert.

  7. 83.

    Im übrigen hatte ich nach WKA gefragt.

    Aber egal. Wer sich mit der Waldgesetzgebung auskennt, weiß auch, dass PV eigentlich nicht mit Wald in der Flächennutzung konkurriert.

    Das geht nur, wenn der FNP schon lange gültig ist, oder es Altlasten oder ehemalige industrielle oder militärische Nutzung gab.

    In dem Fall ist die PV ja direkt fürs Rechenzentrum gedacht, kann man diskutieren drüber, ist aber die totale Ausnahme in einem Gebiet mit vielen Altlasten.

  8. 82.

    Das sind eigentlich zwei Dinge. Habe ich mit den Links zu den Niederschlagsmengen auch schon versucht zu verdeutlichen. Langfristig steigt im Mittel die Jahresniederschlagsmenge in Deutschland und auch in Brandenburg seit 1881 an (siehe DWD-Link). Also ist die gelieferte Gesamtwassermenge nicht das Problem, wird auch vom Experten angedeutet oben. Das Problem ist die Varianz diese Mittels. Wenn sehr viel davon in kurzer Zeit fällt und zu großen Teilen nur abläuft, ist halt nicht viel Feuchtigkeit im Boden zurückgeblieben, trotz im Mittel eigentlich gut ausreichender Niederschlagsmengen.

  9. 81.

    Habe ich. In der ursprünglichen Version stand da so mit den 250 drinnen. Darauf wird auch am Ende higewiesen jetzt, daß das geändert wurde.

  10. 80.

    Das ist Geophysik und der Experte im Artikel erklärt ja auch warum. Es kommt auf die Regelmäßigkeit an und nicht auf die absolute Menge. Wenn die Böden erstmal durch- und ausgetrocknet sind. nehmen sie überhaupt kein Wasser mehr auf, können sie sich wie eine Teflonbeschichtung denken.
    Diesen Prozess wieder umzukehren dauert mindestens so lange, wie das Austrocknungsintervall. Ist auch hier, wie in den überwiegenden geophysikalischen und biologischen Prozessen, mit großen Zeitkonstanten versehen.

  11. 79.

    Sämtliche Discounter-Parkplätze könnten mit PV überdacht werden, dann würde man sich nicht wie im Backofen fühlen, bei gleichzeitiger Beschattung. Und auf die Discounterdächer ebenfalls PV-Anlagen.

  12. 78.

    Haben Sie den Artikel gelesen?

    Die Starkregenereignisse tragen kaum zur Bodenfeuchte in der Menge bei, schlicht weil der Oberboden das Wasser gar nicht zu schnell aufnehmen kann. Simple Bodenphysik. Das meiste Wasser läuft schnell ab.

  13. 77.

    Gewerbe und Industriepark.

    Entscheiden die GEWÄHLTEN Volksvertreter vor Ort.

    PV gehört da über Mitarbeiterpatkplätze und auf Hallen so viel es geht. Letzten Endes muss jede Waldumwandlung entsprechend ausgeglichen werden. Würde PV im Wald schon ziemlich verteuern.

  14. 76.

    Der DWD meldet heute, dass es in Berlin dieses Jahr bis Ende Juni 130-150% der zu erwartenden Niederschlagsmenge gegeben hat. Im Dürremonitor spiegelt sich das irgendwie nicht wieder, obwohl es innerhalb von 6 Monaten nun 30-50% zuviel Niederschlag waren.

  15. 75.

    Dann schauen Sie sich mal den Wald bei Hohensaaten an.
    https://pro-wald-hohensaaten.de/
    Die Meinung der Bürger interessiert nicht im Geringsten. Nur ein Beispiel. Weitere Wälder sollen folgen. Noch fragen?

  16. 74.

    Ihre Behauptungen, was der DWD angeblich sagt/darstellt, sind nachprüfbar falsch.

    Alle Karten beim DWD zeigen maximal 60 cm in die Tiefe gehend an, sozusagen großzügig, was man unter Oberboden versteht. Dabei muss man sogar die Vegetation auswählen, weil der DWD ein noch viel schlechteres/gröberes Modell nutzt. Ist ja auch ein Wetterdienst und kein Bodenfeuchteinstitut.

    Blöd wenn man eine Quelle missbraucht, die die eigene Behauptungen widerlegt oder?

  17. 73.

    Also eher kindisch. Augen zu machen, dann gibt's das Problem nicht mehr?

  18. 72.

    Also eher kindisch. Augen zu machen, dann gibt's das Problem nicht mehr?

  19. 71.

    Was Sie behaupten stimmt schlicht nicht, und Sie missbrauchen den DWD als Quelle. Der DWD gibt die Bodenfeuchte allerdings nur bis maximal 60 cm Tiefe als schlichte Funktion der Niederschläge und deutlich simpleren Karten zur Vegetation aus. Man muss ja sogar die Vegetation auswählen, da wird dann z.B eingerechnet, dass Maiskulturen eine besonders schlechte Wasseraufnahme haben, Wiese zb mit am besten.

    Quelle:
    https://www.dwd.de/DE/leistungen/bofeu_analyse/bfana.html

    Einfach nur falsche Behauptungen verbreiten lernt man wo?

  20. 70.

    Offenbar zu ungebildet.

    Danke, dass Sie die Antwort geben.

    Klima ungleich Wetter. Wer das nicht unterscheiden kann, hat wirklich gar nicht aufgepasst beim Klimawandellleugnerbriefing.

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