Flüchtlingsgipfel - Bund gibt Ländern eine Milliarde Euro mehr für Geflüchtete
Bund und Länder haben sich bei einem Spitzentreffen auf eine neue Lastenverteilung bei den Flüchtlingskosten geeinigt. Danach zahlt der Bund für Länder und Kommunen für 2023 wegen der gestiegenen Flüchtlingszahlen eine Milliarde Euro mehr.
Hinweis: Dieser Artikel wird nicht mehr aktualisiert. Über Reaktionen auf die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels berichten wir hier.
- Berlin und Brandenburg meldeten im Jahr 2022 Rekordzahlen
- Trend scheint sich auch im Jahr 2023 fortzusetzen
- In beiden Ländern gibt es zu wenige Unterkunftsplätze
- Brandenburger Landkreise sehen sich an Belastungsgrenze
Die Bundesregierung hat der Forderung der Bundesländer nach mehr finanzieller Unterstützung für die Versorgung von Flüchtlingen zum Teil nachgegeben. Für dieses Jahr gibt der Bund den Ländern eine Milliarde Euro mehr [tagesschau.de], wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach rund sechsstündigen Verhandlungen mit den Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer am Mittwochabend in Berlin mitteilte. Der Bund hatte bislang für dieses Jahr 2,75 Milliarden Euro zugesagt.
Ein an der Zahl der Flüchtlinge ausgerichtetes Finanzmodell setzten die Länder allerdings nicht durch. Darüber soll in Arbeitsgruppen weiter gesprochen und endgültig im November entschieden werden, wie aus dem Beschlusspapier der Bund-Länder-Runde hervorgeht. Die nun zugesagte zusätzliche Milliarde sollen die Länder dafür nutzen, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten.
Wie derzeit die Lage von Geflüchteten in Berlin und Brandenburg ist, dazu ein Überblick:
Berlin: Rekordniveau bereits im Vorjahr erreicht
Schon im vergangenen Jahr sind mit insgesamt knapp 95.000 Geflüchteten und Asylbewerbern in Berlin so viele Menschen registriert und bei der Ankunft versorgt worden wie nie zuvor. "Auch die Unterbringung in den LAF-Unterkünften stieg auf Rekordniveau", teilte das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) in einer Bilanz für 2022 Anfang Februar mit. Etwa die Hälfte der Geflüchteten sei dauerhaft in Berlin untergebracht worden.
Im Jahr 2022 meldeten sich allein 71.097 Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen waren, im Ankunftszentrum Tegel an. Das waren im Durchschnitt jeden Tag knapp 200 Menschen. Rund 33.000 Ukrainerinnen und Ukrainer blieben in Berlin, die anderen wurden in andere Bundesländer weitergeleitet.
Täglich durchschnittlich 100 Asylsuchende in Berlin
Der Trend aus dem Vorjahr scheint sich nach Beobachtungen des ersten Quartals 2023 in Berlin noch zu verstärken: Von Januar bis März 2023 hat Berlin 2.845 Asylsuchende aufgenommen. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum 2022 waren es 2.147.
Zusätzlich kamen im ersten Quartal 2023 offiziell 5.503 Flüchtlinge aus der Ukraine in die Hauptstadt. Im Schnitt nimmt die Bundeshauptstadt jeden Tag 100 Menschen auf. Neben der Ukraine kommen die Menschen vor allem aus Moldau, der Türkei, Afghanistan und Georgien.
Berlin will zusätzliche Unterkünfte bauen
Dass die Unterbringungsmöglichkeiten in Berlin erschöpft sind und dringend neue Unterkünfte entstehen müssen, ist seit langem bekannt. Auch deshalb hat der ehemalige rot-grün-rote Senat in einer seiner letzten Amtshandlungen beschlossen, dass Ankunftszentrum in Tegel zumindest bis Ende September offenzuhalten. Hier können bis zu 4.500 Menschen beherbergt werden. Fachleute rechnen damit, dass das nur noch bis August reicht.
Berlins neue Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) geht davon aus, dass bis Jahresende weitere 10.000 bis 12.000 Menschen in Berlin untergebracht werden müssen. Berlin will daher noch in diesem Jahr drei modulare Unterkünfte eröffnen. 29 hat die Stadt in den vergangenen Jahren schon gebaut. Dort leben derzeit 9.000 anerkannte Flüchtlinge. Weil viele Asylsuchende minderjährig sind, ist die Lage auch für Schulen und Kitas in Berlin angespannt.
Rekordwerte auch in Brandenburg
Auch in Brandenburg sind bereits im vergangenen Jahr außergewöhnlich viele Asylsuchende und Geflüchtete aufgenommen worden. Insgesamt kamen 2022 etwa 50 Prozent mehr Geflüchtete als zur letzten großen Fluchtbewegung 2015, wie das Ministerium für Soziales und Integration dem rbb mitteilte.
Zu Beginn des vergangenen Jahres hatte man in Brandenburg noch mit etwa 4.400 Menschen gerechnet. Diese Zahl sei in der Folge drei Mal korrigiert worden und selbst die letzte Prognose von rund 36.000 Geflüchteten wurde am Ende noch übertroffen, so das Ministerium. Letztlich seien fast 39.000 Menschen nach Brandenburg gekommen - mehr als acht Mal so viele wie ursprünglich zu Jahresbeginn gedacht. Vor allem der russische Angriff auf die Ukraine ab Ende Februar 2022 führte auch hier zu den hohen Zahlen.
Brandenburg: Erwartet werden weitere 26.000 Menschen
So wie in Berlin scheint sich auch in Brandenburg diese Entwicklung im laufenden Jahr fortzusetzen, wenn auch etwas abgeschwächt: In der Erstaufnahme-Einrichtung des Landes haben sich von Januar bis Ende März 4.077 Menschen gemeldet. 363 von ihnen kamen aus der Ukraine, wie das Landesinnenministerium dem rbb mitteilte.
Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) rechnet über das gesamte Jahr mit 26.000 zureisenden Asylsuchenden und schon anerkannten Flüchtlingen. So viele Asylbewerber kamen bisher nur 2015 nach Brandenburg. Derzeit leben im Land laut der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) rund 60.300 Flüchtlinge und Geduldete.
Angespannte Lage in den Landkreisen
Die Landkreise und Kommunen sehen sich derweil zunehmend mit der Situation überfordert. So wandten sich im April die Bürgermeister und Amtsdirektoren der zehn Städte, Gemeinden und Ämter im Landkreis Barnim mit einem Hilferuf [bernau-live.de] an die Landes- und Bundesregierung. Man stoße an die Grenze des Machbaren, Hilfsmöglichkeiten seien im Barnim nahezu aufgebraucht, heißt es in dem Brief. Es gebe kaum noch Unterkünfte, und auch finanziell gerieten die Gemeinden an ihre Belastungsgrenzen.
Ähnlich gestaltet sich die Lage im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Hier wurden im vergangenen Jahr 1.400 Menschen aufgenommen, in diesem Jahr werden es voraussichtlich knapp 900 sein. Hinzu kommen Hilfsbedürftige aus Sonderprogrammen wie afghanische Ortskräfte oder Erdbebenopfer aus der Türkei, die Deutschland derzeit aufnimmt. Freie, bezahl- oder nutzbare Wohnungen findet der Landkreis für sie aber kaum noch. "Von Wohnungsbaugesellschaften bekommen wir de facto keine Wohnungen mehr angeboten", betont der zuständige Amtsleiter Andreas Liedtke.
Auch im Landkreis Uckermark sind die Kapazitäten so gut wie aufgebraucht, weshalb beispielsweise in Schwedt bis zu 80 Geflüchtete vorübergehend in die Sporthalle des dortigen Oberstufenzentrums einziehen müssen. Weitere Wohnungen hätten nicht zur Verfügung gestanden, teilte der Landkreis Uckermark mit.
Brandenburg will mehr Geld vom Bund
Das Finanzministerium in Potsdam rechnet derweil nach eigener Aussage damit, dass vor allem Unterbringung und Sozialarbeiter in diesem Jahr landesweit circa 536 Millionen Euro kosten werden. Diese Schätzung liegt leicht über dem, was die Brandenburger Verwaltung im vergangenen Jahr für ankommende Asylsuchende und Flüchtlinge ausgegeben hat.
Damals übernahm der Bund noch knapp ein Drittel der Kosten. Nach aktueller Rechtslage dürfte dieser Anteil in 2023 sinken, weil etwa die Pauschale des Bundes für unbegleitete Minderjährige wegfällt, so die ZABH. Brandenburg fordert daher Nachbesserungen vom Bund.
Manche Asylsuchende sollen länger in Erstaufnahme bleiben
Um mehr Asylsuchende unterbringen zu können, will Brandenburg die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung des Landes vergrößern. Insgesamt 1.500 zusätzliche Plätze sollen in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree), Wünsdorf (Teltow-Fläming) und in einer Kaserne in Frankfurt (Oder) entstehen.
Das Land will außerdem dafür sorgen, dass Menschen, denen wahrscheinlich kein Asyl gewährt werden wird, länger in der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben und nicht auf Kommunen verteilt werden.
Sendung: rbb24 Inforadio, 10.05.2023, 06:00 Uhr