Senats-Entwurf für 2024/25 - Der letzte Wohlfühl-Haushalt

Mi 12.07.23 | 06:07 Uhr | Von Jan Menzel
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Symbolbild: Die Abgeordneten sitzen im Plenarsaal vom Berliner Abgeordnetenhaus. (Quelle: dpa/C. Gateau)
Audio: rbb24 Inforadio | 12.07.2023 | Jan Menzel | Bild: dpa/C. Gateau

Der Senat zieht noch einmal die Spendierhosen an. Statt Kürzungen steht in fast allen Bereichen ein dickes Plus vor den Haushaltszahlen. Schwarz-Rot hält damit Wort, geht aber auch voll ins Risiko. Von Jan Menzel

Chancen-Haushalt! Zukunfts-Haushalt! Ermöglichungs-Haushalt? Dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und seiner Stellvertreterin, Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD), fiel gleich ein ganzer Strauß an Überschriften für das frisch vorgelegte Zahlenwerk ein. Und alle diese Überschriften für den Berliner Doppelhaushalt 2024/25 sind durchaus zutreffend. Sie beschreiben aber nur die eine Seite der Medaille. Denn Berlin lebt auch die nächsten beiden Jahre kräftig auf Pump.

Der Senat hat nun aber nach den Vorarbeiten der Vorgängerregierung und mit einer neuerlichen Finanzspritze eine echte Chance, der Digitalisierung der Verwaltung einen Schub zu verpassen. Wenn noch mehr Geld in Schulen und Köpfe investiert wird, sind das Ausgaben, die sich in Zukunft auszahlen werden. Schwarz-Rot würgt zudem nirgends etwas ab. Die Ausgaben steigen fast ungebremst und deshalb ist es für Verwaltungen und Bezirke in den kommenden beiden Jahren weiter möglich, Schwerpunkte zu setzen.

Radwege-Kürzungen vom Tisch

Ein Blick in die Einzel-Etats zeigt: Fast überall wird kräftig draufgesattelt. Bausenator Christian Gaebler (SPD) bekommt einen Zuschlag in seinem Einzeletat von knapp 29 Prozent, vor allem um damit den Wohnungsbau anzukurbeln. Im Wohnraumförderfonds steht 2024 und 2025 mit jeweils 1,5 Milliarden Euro doppelt so viel Geld wie bisher zur Verfügung.

Regelrecht abgeräumt hat Mobilitätssenatorin Manja Schreiner (CDU). Sie kann in ihrem Einzelplan ein Plus von fast 39 Prozent verbuchen. Darin enthalten sind 300 Millionen Euro für das 29-Euro-Ticket, sobald es eingeführt werden kann. Baukostensteigerungen und Investitionen in die Verkehrswende werden ebenfalls berücksichtigt. Beim Radwege-Bau sind die Kürzungs-Ideen vom Tisch. Mit knapp 30 Millionen Euro pro Jahr bleibt der schwarz-rote Senat ganz auf der Linie, die die rot-grün-rote Vorgängerregierung vorgezeichnet hatte.

Guthaben bei den Bezirken

Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) wird im nächsten Jahr 700 Millionen mehr haben als noch in diesem Jahr. Das liegt einerseits daran, dass sie ein neu zugeschnittenes, größeres Ressort leitet. Zum anderen bekennt sich der Senat zu Projekten wie den Integrationslotsen und 24-Stunden-Unterkünften für obdachlose Menschen, die künftig aus Landes- und nicht mehr aus EU-Mitteln finanziert werden. Einer der größten Posten ist für Versorgung und Unterbringung Geflüchteter vorgesehen.

Wenn Schwarz-Rot nun einen "Haushalt für alle" vorlegt, setzt das Regierungsbündnis Versprechen aus dem Koalitionsvertrag um. Darin war von "Chancen für alle", "neuem Zusammenhalt" und "sozialem Ausgleich" die Rede. Befürchtungen, wonach Berlin vor einem einschneidenden Sparkurs stehen könnte, stellen sich nun als verfrüht heraus.

Auch die Bezirke bluten nicht aus, wobei in einigen Bezirksrathäusern der Druck größer ist und in anderen geringer. Das liegt vor allem daran, wie in der Vergangenheit gewirtschaftet wurde. Mehrere Bezirke konnten im letzten Jahr Überschüsse erzielen. Sie haben deshalb auch nicht mit der Schließung sozialer Einrichtungen gedroht. Insgesamt hatten die zwölf Bezirke am Jahresende 2022 rund 336 Millionen Euro Guthaben auf der hohen Kante.

Neuer Haushalt ist Schuldenhaushalt

Möglich werden die Rekordausgaben für Land und Bezirke aber nur, weil der Senat sämtliche Sparkonten leerräumt. Dort liegen noch milliardenschwere Rücklagen, die seit der Corona-Krise gebildet wurden. Dafür wurden seinerzeit Kredite aufgenommen, die nun – mit zeitlicher Verzögerung – verwendet werden. Im Doppelhaushalt 2024/25 stecken insgesamt 4,6 Milliarden Euro aus diesen kreditfinanzierten Rücklagen. Der neue Haushalt ist somit auch ein Schuldenhaushalt.

Der Regierende Bürgermeister Wegner und Wirtschaftssenatorin Giffey begründen ihren Ausgaben-Kurs damit, dass sie die überdurchschnittlich gute wirtschaftliche Entwicklung Berlins trotz Corona-Pandemie, Ukraine-Krise und Inflation nicht abwürgen wollen. Der Senat – so viel darf man unterstellen – will so kurz nach Amtsantritt auch die Bürgerinnen und Bürger nicht vergrätzen. Deshalb werden noch einmal die Spendierhosen angezogen und unbequeme Diskussionen (noch) nicht geführt.

Zinsen ziehen wieder an

Wenn zwischenzeitlich kein Wunder geschieht, kann sich Berlin das bisherige Niveau ab 2026 aber nicht mehr leisten. Der Landeshaushalt wird gleich von mehreren Seiten in die Zange genommen. Neue Kredite in nennenswerter Höhe sind aufgrund der Schuldenbremse kaum möglich, während die anhaltende Inflation und hohe Tarifabschlüsse für die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes die Ausgaben weiter nach oben treiben werden.

Nach Jahren des billigen Geldes ziehen die Zinsen wieder an. Berlin trifft das besonders hart, weil nach einer Phase der Konsolidierung der Schuldenberg inzwischen rekordverdächtige 66 Milliarden Euro erreicht hat. Mit dem Doppelhaushalt 2024/25 geht der schwarz-rote Senat daher hart ans Limit und sehr viel spricht dafür, dass dieser Wohlfühl-Haushalt auf absehbare Zeit der letzte seiner Art gewesen sein wird.

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.07.2023, 6:00 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

27 Kommentare

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  1. 27.

    Nicht weiter verwunderlin. Für Filz und Vetternwirtschaft muß ja genug Geld dasein.

  2. 26.

    Nein, das schreibe ich nicht so, das sind nachweisliche Tatsachen, "Herr" Nickklau.

    Max schreibt keine sinnbefreiten Einzeiler mit falscher Interpunktion, sie unter etlichen Nicks schon.

  3. 24.

    Das ändert nichts an den Tatsachen die "Berliner" aufgeführt hat. Sie nennen absichtlich nur die schwarze Null der Risikoabschirmung und nicht was uns der Bankenskandal wirklich gekostet hat.

    Ich halte die Einschätzung von "Berliner" für durchaus realistisch.

    "Wenn sich Berlin alles zurückkaufen würde was es damals verscherbelt hat hätten wir ein Milliardenloch im dreistelligen Bereich. "

    Was ich von ihren äußerst plumpen Ablenkungsversuchen halte lasse ich mal dahingestellt. Sie haben halt kein einziges stichhaltiges Argument.

  4. 23.

    Manche argumentieren allerdings noch heute mit dem Wissen von Anfang der Nuller-Jahre. Das Gericht hatte übrigens ausgeführt, dass Berlin im Vergleich zu Hamburg besonders viel Geld für Wohnen ausgeben.

  5. 22.

    Zur Wahrheit Ihrer Argumentation gehört ebenjene Aussage des BVerfG, dass man finanzielle Mittel durch Veräußerung kommunaler Wohnungsbestände generieren kann. Und ebenfalls gehört dazu, dass zum Zeitpunkt ebendieser Aktionen leider noch kein Alfred Neumann aus dem Jahr 2023 vor Ort war mit dem Wissen, dass Berlin aus den Folgen des Bankenskandals in der reinen Bilanz irgendwo bei +/- 0 rauskommt. Und eben deshalb Entscheidungen getroffen werden mussten, die uns heute teuer zu stehen kommen ... was Sie bei Ihrer Bilanz der 0 einfach komplett ausblenden.

    Ich finde Ihre Argumentation, welche 2006 das Wissen von 2023 voraussetzt, ist einfach falsch

  6. 21.

    Textbausteine ist gut. Sie haben dem Kommentar von "Berliner" argumentativ nichts entgegenzusetzen.

    Stattdessen Textbausteine ihrer neoliberalen und sozialdawinistischen Weltanschauung, Wossi aka Blüte.

    Dumm nur, dass die Aussage von "Berliner" stimmt, im Gegensatz zu ihren immer gleichen Textbausteine.

    Ihr Pantom "Elias" entwickelt sich immer mehr zu einer Manie von ihnen. Das brauchen sie wohl weil sie keinerlei Argumente haben die ihre Lügen stützen würden.

  7. 20.

    Den Textbaustein benutze der Elias auch immer gerne angereichert mit Halbwahrheiten und stand am Ende wie der Kaiser in seinen neuen Kleider da und wechselte den Nick.

    Auch für Sie der Tipp zur Urteil des BVerfG von 2006 zur Nicht-Haushaltsnotlage des Landes Berlin. Das Land hatte seit der Wende über seine Verhältnisse gelebt. Es setzte die Tradition des wahren sozialistischen Paradies West-Berlin fort. Nur fehlten die westdeutschen Sponsoren. Kein Senat wollte daran etwas ändern. Rot-Rot wählte stattdessen den Klageweg und scheiterte krachend.

  8. 19.

    Ihre Lügen werden durch Wiederholungen nicht wahrer. Wenn sich Berlin alles zurückkaufen würde was es damals verscherbelt hat hätten wir ein Milliardenloch im dreistelligen Bereich.

    Die schwarze Null stand ausschließlich für die Risikoabschirmung, nichts anderes. Alleine der Rückkauf des Stromnetzes hat Berlin 2 Milliarden gekostet.

  9. 18.

    Dich schulden haben sich zwischen 1999 und 2006 aus anderen Gründen nahezu verdoppelt als der Bankenskandal. Der endete in der Tat mit einer schwarzen Null. Informieren Sie sich mal über den Beschluss zur (Nicht)-Haushaltsnotlage des BVerG von 2006.

  10. 17.

    Die Medien wissen aktuell aber nicht mehr als deren Quelle, die PM des Senats.

  11. 16.

    Ich finde es einfach merkwürdig, dass der Senat selber in seiner PM mit Details glänzt die irgendwie in Richtung "Gut fürs Klima" gehen, die aber die enormen Ausgabenzuwächse nicht ansatzweise erklären. Und da wir hier zwei Parteien haben, die für ganz andere politische Ziele im Verkehr stehen, erwarte ich hier nichts gutes. Und es ist Aufgabe der Medien, solchen Merkwürdigkeiten nachzugehen.

  12. 15.

    Für eine solche tiefgehende Analyse ist es noch zu früh. Bisher gibt es nur einen groben Entwurf des Senates, der noch weiter verfeinert werden muss, um dann zum Jahresende im Detail dem Abgeordnetenhaus vorgelegt zu werden. Bis dahin müssen Sie sich noch gedulden. Es wäre ein Affront gegenüber den gewählten Abgeordneten, wenn jetzt schon die Presse detaillierte Informationen hätte.

  13. 14.

    66 Mrd. Schulden? Komisch, vor einigen Jahren hiess es noch, dass Berlin mit einem blauen Auge davonkam und die 50 Mrd. Schulden der LBB-Bankenpleite sind Geschichte.

    Woher kommen jetzt 66 Mrd. Schulden her? Die CDU war 22 Jahre nicht mehr am Ruder.

  14. 13.

    1. Legen Sie bitte eine neue Platte auf, von wegen RG muß wieder alles ausbaden.
    Jetzt müssen sie nur noch sagen die 66 Milliarden Euro Schuden sind seit April 23 entstanden. RRG Gießkannen Wirtschaft hat hier eindeutig seine Spuren hinterlassen und es ist sehr schwer wieder alles auf einer Linie zubekommen,
    Zumal die CDU sich mit den mitverantwortlich abstimmen muss!

  15. 12.

    Ich glaube der Finanzmotor Berlin steht kurz vor einem Kolbenfresser und das Getriebe hat hörbare Altschäden.

  16. 11.

    der cDu/sPD-Senat knickt vor dem grünen Fahrrad-Lobbyisten ein. Da "bleibt der schwarz-rote Senat ganz auf der Linie, die die rot-grün-rote Vorgängerregierung vorgezeichnet hatte".
    Ich dacht, ich wähle eine andere Politik für Berlin. Hatte nicht die Doktorarbeitfälschende noch verkündet, "es gäbe kein weiter so"?

  17. 10.

    Sie haben die „Mogelpackung“ erkannt. Solche Posten wie Mobilität, Verkehr sind Oberbegriffe für alles Mögliche...

  18. 9.

    Das muss jeder mit seinem Gewissen vereinbaren. Ich bin Beamte zum Wohle und damit zum Wohle Berlins verpflichtet. Ich hoffe doch sehr dass die bereits von der CDU angekündigten Stellenblockierungen im öffentlichen Dienst nun wieder aufgehoben werden.

  19. 8.

    Irgendwoher muss ja das Geld kommen um bestehende Radwege wieder ab zu bauen. Scherz beiseite: man hofft dass die extra Mittel dem ÖPNV zu gute kommen. Die cdu wollte doch endlos U-Bahnen. Die sind teuer.

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