Energetische Sanierung in Berlin - Wohnst du noch oder sanierst du schon?
Berlin will bis spätestens 2045 klimaneutral werden. Die landeseigenen Wohnungsunternehmen müssen also schnell energetisch sanieren. Doch Zeit und Geld sind nicht die einzige Herausforderung. Von Franziska Hoppen
Wenn Ulrich Schiller auf dem Dach der alten Platte in der Rhinstraße steht, dann schlägt sein Herz höher. Nicht, weil es elf Stockwerke in die Tiefe geht. Sondern, weil dort, wo gerade noch Bauschutt liegt, demnächst ein Stückchen Zukunft installiert wird: 250 Photovoltaik-Module, die die 106 Wohnungen der Lichtenberger Platte mit grünem Strom versorgen können.
Rund 30 Prozent des Energiebedarfs decken sie ab, rechnet Schiller vor. "Und wir versuchen, drei bis fünf Cent unter der Grundversorgung zu liegen" - günstiger ist der Strom also auch. Bald sollen noch Module an der Fassade angebracht werden.
Schiller ist Geschäftsführer des landeseigenen Wohnungsunternehmens Howoge. Mit ihm aufs Dach geklettert ist Matthias Schmitz-Peiffer, Geschäftsführer der Howoge Wärme GmbH. "Nur ein, zwei Bierkästen wiegen die Module", schwärmt Schmitz-Peiffer. "Das ist relativ unaufwändig."
2017 begann die Howoge mit Photovoltaik-Mieterstrom - heute hat sie 3.800 Kunden. Vor allem Mieter im Neubau schließen Howoge-Stromverträge ab. Bestandskunden weniger. "Wir schaffen ihnen aber ein Angebot", sagt Schiller. "Das ist besser als zu warten, bis jemand nachfragt." Bis 2033 sollen alle Howoge-Dächer Photovoltaik-Anlagen bekommen. Ein langer Weg. Denn noch sind keine 10 Prozent geschafft.
Mehr als die Hälfte voll modernisiert
Das Land Berlin und damit auch alle kommunalen Unternehmen wollen bis 2045 klimaneutral sein. Die landeseigenen Wohnungsunternehmen stehen unter besonderem Druck: Sie müssen einerseits in ihrem Bestand die Wärmeversorgung modernisieren, Fenster und Türen erneuern, Wände und Böden dämmen. Gleichzeitig sollen sie bezahlbaren Wohnraum neu bauen und auch noch die Miete günstig halten. Ein finanzieller Drahtseilakt.
Insgesamt sind bereits 61 Prozent des landeseigenen Wohnungsbestandes vollständig modernisiert, sagt der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, BBU. Allerdings zeigt ein Blick auf die Energieeffizienzklassen der Gebäude: Die meisten liegen immer noch im unteren Drittel der Tabelle, gehören zur Klasse C, D und E. Hunderte weitere Wohnungen sind als F, G und H klassifiziert - verbrauchen also viel Energie.
Eine Frage der Wirtschaftlichkeit
Auch die Platte in Lichtenberg wird im "Niedrigeffizienzstandard" modernisiert, sagt Ulrich Schiller. Die Howoge lässt dort nach KfW-Standard 55 sanieren - hoch, aber nicht das beste. Es ist eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Mit dem Land Berlin ist vereinbart, dass Modernisierungen bei den Landeseigenen den Mieter nur einen Euro pro Quadratmeter kosten dürfen.
Die Howoge spart sich deshalb zum Beispiel eine dicke Materialverkleidung am Haus, die für einen höheren Effizienzstandard sorgen würden. Im Gegenzug hebt das Unternehmen die Bestandsmiete nur von 5,20 Euro auf 6,20 Euro pro Quadratmeter an, bei Neuvermietungen werden 7,50 Euro fällig. Das ist im Lichtenberger Vergleich immer noch günstig. Und weil die Energie-und Wärmekosten von nun an sinken, sparen die Mieter einen Teil wieder ein.
Mieter nicht überfordern
Vom Berliner Senat wünscht sich Schiller Fördermittel. Bislang finanziert die Howoge ihre Modernisierungen durch Mieteinnahmen und KfW-Mittel. Das gehe auf. Die jüngsten Zahlen aus dem Jahr 2021 zeigen: Insgesamt haben die sechs landeseigenen Unternehmen rund 150 Millionen Euro in Sanierung und Instandhaltung investiert. Doch auch für sie werden Zinsen und Baukosten jetzt immer teurer. "Es wird Fördermittel brauchen, weil Modernisierungsumlagen auf Mieter auch kostenintensiv sind", sagt Schiller. "Wir müssen aufpassen, dass wir die Mieter damit nicht überfordern."
Die Opposition im Abgeordnetenhaus fürchtet, dass der finanzielle Aufwand noch richtig hoch werden könnte. Stefan Taschner, klimapolitischer Sprecher der Grünen, gibt zu bedenken, dass viele Sanierungen schon etliche Jahre zurückliegen dürften und den Standards des Pariser-Klimaschutzabkommens deshalb nicht entsprechen könnten. Genau an diesem Ziel müsse sich Berlin aber orientieren. "Bei diesen Gebäuden müssen wir nachsteuern, um sie noch effizienter zu machen", sagt Taschner. "Und das wird Geld kosten."
Sondervermögen: noch unklar
Die schwarz-rote Koalition hatte zwar bereits angekündigt, mit einem mindestens 5 Milliarden schweren Sonderfonds in den Klimaschutz zu investieren. Taschner aber sagt: "Einen konkreten Plan habe ich bis jetzt nicht gehört." Er befürchtet, dass das Thema Gebäudesanierung aus dem Haushalt gestrichen werden könnte und dann unklar ist, welche Rolle es im Sonderfonds einnimmt. Bausenator Christian Gaebler (SPD) hingegen beruhigt: "Wir wollen durch den Sonderfonds dort, wo besonders viel CO2 Ausstoß einzusparen ist, mit einem zusätzlichen Programm unterstützen." Die Gespräche, wie viel Geld genau dafür bereitgestellt werden soll, liefen jedoch noch. Genauso wie die Haushaltsberatungen.
Der baupolitische Sprecher der Linksfraktion, Niklas Schenker, bezeichnet den Klimafonds als "totale Blackbox". Ebenso stört ihn, dass es nicht einmal eine detaillierte Übersicht zu geben scheine, in welchem Zustand welche Wohngebäude sind. "Gerade bei den landeseigenen Unternehmen könnte man erwarten, dass es vom Land Berlin eine bessere Übersicht gibt", so Schenker. Genau diese wäre Voraussetzung für einen Sanierungsfahrplan - den es aktuell ebenfalls in keiner verbindlichen Form gibt.
Zur Priorisierung der Sanierungsbedarfe schreibt die Verwaltung für Stadtentwicklung nur: Man werde sich auf Gebäude mit schlechter Energieeffizienz konzentrieren. Welche das sind, solle nun erstmal festgestellt werden.
Dass das alles schnell geht, kann Bausenator Gaebler nicht versprechen. "Man kann nicht alle Wohnungen auf einmal sanieren", sagt er im Interview mit dem rbb, "ich muss ja auch die Mieter irgendwo unterbringen. Allein daran scheitert eine flächendeckende Sofortsanierung. Und dann müssen auch noch Handwerker verfügbar sein."
Die Sache mit der Fernwärme
Wie klimafreundlich die Gebäude sind, entscheidet sich am Ende aber nicht nur an der Gebäudehülle. Laut BBU werden die Bestände der Landeseigenen zu gut 75 Prozent mit Nah- oder Fernwärme versorgt. Schmitt-Peiffer von der Howoge-Wärme sagt, man arbeite eng mit Vattenfall zusammen. Demnach soll die Fernwärme nach und nach dekarbonisiert werden - also der Einsatz fossiler Energieträge wie Gas und Kohle gesenkt. Das soll bis 2045 weitgehend passiert sein, sagt Schmitz-Peiffer. Gut 17 Prozent der Häuser im landeseigenen Bestand haben jedoch noch eine Gaszentralheizung, ein kleiner Teil noch Ölheizungen. Fest steht: Der Weg zur Klimaneutralität für die Landeseigenen wird noch lang.
Sendung: rbb 88,8, 03.07.2023, 5:30 Uhr