"Entscheidung ohne uns getroffen" - Scharfe Kritik an Senatsplänen für weitere Geflüchteten-Unterkünfte
Der Senat will 16 weitere Container-Unterkünfte für Geflüchtete errichten und stößt damit bei einigen Bezirken auf scharfe Kritik und Irritation. Man fühle sich übergangen. Auch Flüchtlingskoordinator Broemme kritisiert die ungleiche Belastung der Bezirke. Von Sebastian Schöbel
Die Pläne des Berliner Senats, in den kommenden zwei Jahren 16 weitere Container-Unterkünfte für Flüchtlinge zu errichten, stoßen in einigen Bezirken auf scharfe Kritik.
Man sei von der Entscheidung über die Standorte nicht informiert worden, sagten Lichtenbergs Bürgermeister Martin Schaefer (CDU) und Reinickendorfs Bürgermeisterin Emine Demirbücken-Wegner (CDU) dem rbb. Sie widersprachen damit direkt ihrem Parteikollegen Kai Wegner, Berlins Regierendem Bürgermeister, der am Dienstag noch von einer konstruktiven Zusammenarbeit gesprochen hatte.
Lichtenberg von Senatsplänen überrumpelt
Lichtenberg, wo vier der Wohncontainer mit insgesamt rund 1.800 Plätzen entstehen sollen, habe nicht genügend Schul- und Kita-Plätze, Freizeitangebote oder Ärzte, sagte Schaefer dem rbb. "Allein in Hohenschönhausen haben wir schon acht Unterkünfte auf engstem Raum. Wir sind an eine Grenze gekommen, an dieser Stelle geht es einfach nicht." Zudem würden die Standorte teilweise mit Bezirksplänen kollidieren. In Lichtenberg etwa sei an der Klützer Straße eine Schule geplant gewesen, nun soll dort eine Unterkunft mit 510 Plätzen entstehen, mit unbegrenzter Laufzeit. Er forderte, dass andere Flächen für Unterkünfte in Betracht gezogen werden, etwa das Tempelhofer Feld.
Demirbücken-Wegner: "Entscheidung ohne uns getroffen"
Auch in Reinickendorf ist man mit den Plänen des Senats unzufrieden. Auch hier habe man von den letztlich ausgewählten Standorten erst aus den Medien erfahren, sagte Bezirksbürgermeisterin Demirbücken-Wegner dem rbb. "Die Entscheidung wurde ohne uns getroffen", so die CDU-Politikerin. "Wenn mit uns nicht auch in einer Entscheidungsinstanz trotz Zusage gesprochen wird, kann man nicht mehr von einem kollegialen Umgang miteinander sprechen. Das ist mehr als befremdlich und traurig."
So durchkreuze die Am Borsigturm geplante Unterkunft bestehende Pläne des Bezirks für einen Gewerbe- und Handelswerkhof. "Wenn dort ein Container hinkommen sollte, ist das Konzept obsolet. Das irritiert uns sehr, wie sowas geschehen konnte."
Mehrheit der Geflüchteten-Unterkünfte sind im Ostteil Berlins
Die Bezirksbürgermeisterin von Pankow, Cordelia Koch (Grüne), die weitere 1.400 Personen in insgesamt drei weiteren Containersiedlungen aufnehmen soll, bemängelte ebenfalls die Kommunikation der Entscheidung. Dass Berlin weitere Unterkünfte brauche, stehe nicht zur Debatte. "Allerdings muss sich die Unwucht der unterschiedlichen Unterbringung in den Bezirken auch bei der Zumessung der Unterstützung und Finanzierung widerspiegeln." Koch forderte erneut, den Bezirken mit vergleichsweise wenigen Unterkünften finanzielle Anreize zu geben, ihre Kapazitäten auszubauen, "und so insbesondere die Ostbezirke" zu entlasten.
Tatsächlich sind laut Zahlen des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten die meisten Unterkünfte für Geflüchtete im Ostteil der Stadt gebaut worden. Eine große Ausnahme ist Reinickendorf, wo mit dem Ankunftszentrum Tegel die größte Unterkunft für Geflüchtete entstanden ist und nun auch noch einmal ausgebaut werden soll - um 1.000 weitere Plätze.
Flüchtlingskoordinator Broemme: Berliner Bezirke sind ungleich belastet
Noch am Dienstag hatte Berlins Regierender Bürgermeister Wegner betont, die Gespräche mit den Bezirken über die 16 neuen Container-Standorte seien gut verlaufen. "Natürlich war es ein Ringen", so Wegner, "und trotzdem ist es gelungen, gemeinsam ein Gesamtpaket zu schnüren."
Wegner hatte im Umgang mit den Bezirken einen anderen Kurs als die rot-grün-rote Vorgängerregierung versprochen. Damals sei es "deutlich konfrontativer" zugegangen. "Das ist aber nicht mein Ansatz." Gleichzeitig kündigte Wegner an, dass es nicht bei den beschlossenen 16 Unterkünften bleiben werde. "Es wird sicherlich noch der ein oder andere Standort dazukommen."
Der neue Flüchtlingskoordinator Albrecht Broemme hatte am Dienstag in der rbb24-Abendschau angekündigt, weitere Flächen und Objekte für die Einrichtung von Unterkünften zu suchen. Dafür werde man auch private Immobilien prüfen. Broemme räumte ein, dass die Bezirke sehr ungleich belastet sind. Die Verwaltung versuche das ein stückweit zu kompensieren, in dem Hotelplätze angemietet werden. "Aber einen Verteilungsschlüssel, wie er gut wäre, werden wir in Berlin nie hinkriegen", so Broemme.
Sendung: rbb 88.8, 27.03.2024, 17:27 Uhr
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