Märkisch-Oderland - Oder-Insel soll zum "Ausreisezentrum" für Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive werden
Wo einst die Sowjetarmee ihre Kasernen-Anlagen hatte, soll auf einer Oder-Insel unmittelbar an der Grenze zu Polen ein "Ausreisezentrum" entstehen. Anwohner stemmen sich dagegen. Noch gehört das Inselland nicht Märkisch-Oderland.
Märkisch-Oderland und das Land Brandenburg wollen ein sogenanntes "Ausreisezentrum" auf der Oder-Insel in der Nähe von Küstrin-Kietz errichten. Dort könnten Containerbauten für zunächst 200 Menschen entstehen, deren Asylanträge abgelehnt wurden und nun ausreisepflichtig sind. Entsprechende Pläne hat die Kreisverwaltung am Montagabend auf einer Gemeindevertretersitzung im Kulturhaus vorgestellt.
Verseuchtes Militärgelände seit 30 Jahren ungenutzt
Standort ist das Gelände der Küstriner Halbinsel an der polnischen Grenze. Dieses liegt ungefähr 500 Meter von Küstrin-Kietz entfernt. Bis in die 1990er Jahre wurde die Insel von den Nachfolgern der Sowjetarmee genutzt. Seit dem Abzug der Truppen verfallen die dortigen Gebäude. Dem Landkreis Märkisch-Oderland zufolge seien die Liegenschaften mit Asbest verseucht und der Boden kontaminiert. Es bestehe Betretungsverbot. Andere Areale seien als Naturschutzgebiet gesperrt.
Kreis will Aufnahme-Quote nachkommen und Insel sanieren
Aktuell gehört die Fläche dem Land Brandenburg. Doch um das Aufnahme-Soll von Geflüchteten zu erfüllen, möchte nun die Kreisverwaltung Teile übernehmen, um sie als "Ausreisezentrum" weiter zu verpachten, erklärte Sozialdezernent Friedemann Hanke (CDU) vor der Sitzung rbb24. "Wir haben jetzt 1.700 Flüchtlinge aufgenommen oder untergebracht. Und wir müssten dieselbe Zahl als Soll in diesem Jahr haben. Das ist gar nicht schaffbar. Ich kann die Unterbringung nicht verdoppeln", so Hanke weiter.
Mit einem möglichen "Ausreisezentrum" würde sich der Druck auf Märkisch-Oderland entspannen, unterstrich der Sozialdezernent, denn die dort untergebrachten Menschen würden auf das vom Land vorgegebene Aufnahme-Soll angerechnet.
"Irgendeinen Ort muss es geben und die Oder-Insel bietet sich an, weil es bereits eine Landesliegenschaft ist", so Hanke weiter. "Sie liegt ein bisschen am Rand. Wir haben keine unmittelbaren Anwohner und erhoffen uns da auch eine Entwicklung der Insel." So könnte das Land im Zuge der Aufbereitung zumindest Teile des Geländes entkernen und dekontaminieren, so Hanke weiter.
Zwar sollten zunächst nur Container aufgestellt werden. Doch langfristiges Ziel sei es, auch die dortigen Häuser zu retten. "30 Jahre verrotten die denkmalgeschützten und ja auch schönen Gebäude. Wenn daraus eine Investition in die Gebäude werden würde, wäre das umso besser."
Für Aufbau und Betrieb der Ausreiseeinrichtung wäre dann das Land verantwortlich, heißt es vom Kreis. Die Container für zunächst 200 Geflüchtete sollen frühestens ab 2025 aufgestellt werden, betont Hanke.
Gemeinde würde Insel anders nutzen wollen
Die von den Plänen betroffene Gemeinde selbst erhebt Einwände gegen das Vorhaben. Denn schon seit den 1990er Jahren wolle man die rund 140 Hektar anders nutzen, erklärte der Golzower Amtsdirektor Tino Krebs. "Es wäre schon schöner, wenn man hier ein Gewerbegebiet oder eine Erholungseinrichtung statt einer Abschiebeeinrichtung hätte", sagte Krebs weiter. "Aber wenn kein Investor da ist - die Gemeinde kann sich das nicht leisten." Und daher sei dort nichts passiert. Ohne konkrete Planung für das Gebiet habe die Gemeinde auch kein Vorkaufsrecht und kann auch nicht in das Verfahren einwirken.
Hitzige Debatte und Ablehnung der Zentrumspläne
Dennoch hatte der Amtsdirektor eine Beschlussvorlage in die Gemeindevertretersitzung am Montag eingebracht, um darüber abzustimmen, ob der Kreis die Oder-Insel nutzen dürfe. Zuvor konnten auch die Anwohner dort ihre Fragen zu dem Vorhaben stellen.
Diese schienen sich mehrheitlich gegen das Ausreisezentrum zu stellen. Entsprechend hitzig gestaltete sich die Diskussion zwischen den Vertretern des Kreises und den rund 150 Anwohnern. So äußerten viele ihre Befürchtungen vor Übergriffen und steigender Kriminalität durch die Geflüchteten. "Wenn ich jetzt dort mit meinem Sohn alleine an der Oder bin, dann weiß ich nicht, ob ich mich noch freue, dass ich da so alleine bin", führte eine Anwohnerin gegenüber den Kreisvertretern an.
Andere fordern, stärker in die Entscheidungen zur Oder-Insel einbezogen zu werden. "Die Politik ist gut beraten, mit den Menschen umzugehen und sie einzubeziehen, und eben auch unbequeme Maßnahmen zu begründen sowie gemeinsam zu gestalten", erklärte Jürgen Daniel.
Am Ende stimmten die Gemeindevertreter einstimmig gegen das Ausreisezentrum. Das hatte allerdings nur symbolischen Charakter.
Schmidt: Bürger sollen mit einbezogen werden
Landrat Gernot Schmidt (SPD) zieht im Anschluss dennoch ein positives Fazit. Es sei zwar emotional, aber sachlich diskutiert worden. "Auch wenn die Entscheidungsmöglichkeit für die Gemeindevertretung gegen Null tendiert, muss man doch den Disput und den Streit zu dem Thema suchen", sagte Schmidt. "Einfach zu sagen, dass sie nichts zu entscheiden haben und wir kein Bürgergespräch führen, ist eine vollkommende Fehleinschätzung", so Schmidt. Der Kreis wolle nun die weiteren Verhandlungen mit dem Land abwarten. Dort würden die Rahmenbedingungen geprüft, beispielsweise ob ein Ausreisezentrum finanziell sinnvoll wäre, erklärte der Landrat. "Wenn dann der Pachtvertrag vorliegt, werden wir mit der Gemeindevertretung über die Rahmenbedingungen des Pachtvertrages reden." Zudem hat der Landkreis bereits weitere Informationsveranstaltungen angekündigt.
Sendung: Antenne Brandenburg, 26.03.2024, 16:10 Uhr