1:2-Niederlage gegen Schalke in der Analyse - Ein Hertha-Spiel hat 45 Minuten

Sa 08.03.25 | 17:47 Uhr | Von Marc P. C. Schwitzky
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Hertha-Spieler Marton Dardai lässt sich nach der Niederlage gegen Schalke 04 auf den Rücken fallen (Bild: Imago Images/Contrast)
Video: Sportschau | 08.03.2025 | Stephanie Baczyk | Bild: Imago Images/Contrast

Hertha BSC kassierte gegen Schalke 04 die sechste Niederlage in den letzten sieben Spielen und rutscht immer weiter in den Abstiegskampf. Dass die Berliner auch gegen Schalke nichts holten, lag an einer Mischung aus Unvermögen und Kopfproblem. Von Marc Schwitzky

"Ich bin überzeugt, dass wir eine andere Mannschaft sehen werden", hatte Stefan Leitl, Trainer von Hertha BSC, vor der Partie gegen den FC Schalke 04 angekündigt. Sein Team hatte sich zuletzt mit einer 0:4-Niederlage in Elversberg bis auf die Knochen blamiert und damit noch weiter in den Abstiegskampf der 2. Bundesliga manövriert.

Nach nur zwei Partien unter Leitl war die Stimmung bei den Blau-Weißen direkt wieder dahin. Von einem positiven Momentum ist Hertha so weit entfernt wie die Landesregierung Berlin von einem positiven Haushalt. Sechs Niederlagen und nur vier geschossene Tore in den letzten sieben Partien, nur ein Sieg aus den letzten elf Spielen, Tabellenschlusslicht in der Heimtabelle und nach dem Spieltag womöglich nur noch ein Punkt Abstand auf Relegationsrang 16 – eine Horrorbilanz.

Und wie bei der chronisch klammen Hauptstadt, weiß man bei der "alten Dame" schon gar nicht mehr, wo man in der Problemlösung noch ansetzen kann. Selbst der Trainerwechsel von Cristian Fiél zu Leitl verpuffte wirkungslos, weil die Probleme des Vereins und damit der Mannschaft tiefer liegen. Wenn selbst ein neues, zweitligaerprobtes Gesicht auf dem Trainerstuhl, der endgültige Ausruf des Abstiegskampfes und eine brachiale Kulisse von 70.159 Zuschauern im Olympiastadion nicht ausreichen, um gegen ein bezwingbares Schalke 04 den berühmten Bock umzustoßen - ja, was dann? Die 1:2-Niederlage am Samstagnachmittag lässt Trainer und Mannschaft ratlos zurück.

Leitl reagiert auf Elversberg-Blamage

Um das Momentum umzukehren, setzte Trainer Leitl auch auf personelle Änderungen. Der erfahrene Kapitän Toni Leistner rückte in die Innenverteidigung, Michael Cuisance unterstützte Ibrahim Maza im Kreativzentrum und mit Luca Schuler sollte mehr "Wucht, Tempo und Physis", wie Leitl erklärte, den Mittelsturm beleben. Der Übungsleiter setzte sogar auf einen Systemwechsel, um der Mannschaft nach dem Elversberg-Debakel mehr Halt zu geben. Er stellte auf ein 3-5-2 um, wollte dadurch mehr Stabilität und weniger direkte Manndeckung erreichen.

Vor dem Spiel machte Leitl noch klar: "Es ist nicht unsere Philosophie, sich hinten reinzustellen und zu warten, was der Gegner macht." Die Umstellung auf Dreierkette sollte zwar Stabilität, aber keine Defensivschlacht bringen – doch seine Mannschaft hörte in den ersten 45 Minuten nicht auf ihren Trainer.

45 Minuten der blanken Angst

Leitl und seine Schützlinge sprachen regelrecht eine andere Sprache. Während der 47-Jährige seine Spieler wild mit den Armen wedelnd immer wieder dazu aufforderte, mutiger gegen die Gelsenkirchener zu verteidigen und offensiver zu stehen, verzogen sich die Blau-Weißen ängstlich in der eigenen Hälfte. Der Abstiegskampf war endgültig in den Köpfen der Hertha-Spieler angekommen, jedoch nicht in dem Sinne, dass sie nun alles reinwarfen und dem Gegner das Leben schwermachten. Im Gegenteil: Die Spieler wirkten hochgradig nervös, trauten sich weder mutiges Pressing noch etwas Ruhe am Ball zu.

Es waren 45 Minuten der blanken Angst, die ein völlig durchschnittliches Schalke 04 zu Scheinriesen heranwachsen ließ. Da Hertha überaus zögerlich spielte und sich nicht an den Plan ihres Trainers hielt, den wackeligen Spielaufbau der "Königsblauen" zu stören, konnten die Gäste mit ungewohnter Leichtigkeit Angriffe aufbauen. Schalke wusste den vielen Platz zwar nicht zu nutzen, das änderte aber nichts an dem erschreckend zahnlosen Auftritt Herthas.

Selbst wenn die Berliner einmal an den Ball kamen, war er aufgrund fehlender Ruhe sofort wieder weg. Zwar scheint es gewollt gewesen zu sein, dass Hertha vertikaler die Tiefe suchte als noch in den Wochen zuvor, doch das nahezu ziellose Nach-vorne-Bolzen der Kugel kann nicht im Sinne Leitls gewesen sein.

So war keinerlei Plan zu erkennen, weil die von den Vorwochen gezeichneten Herthaner mental gar nicht dazu in der Lage waren, ihn auszuführen. Verkrampft und hektisch versuchte jeder Spieler, nur selbst nicht den Fehler zu machen und sich irgendwie aus der Affäre ziehen zu können – das Bild eines Absteigers.

Hertha stellt sich stets selbst ein Bein

Dass auch immer wieder individuelle Fehler dazu führen, dass Hertha erst vier Spiele in der laufenden Saison ohne Gegentor beendet hat, trägt sein Übriges zur Krise bei. Einmal mehr sah Torhüter Tjark Ernst in der 27. Minute nicht gut aus, als er sich bei einem Eckball verschätzte und Schalkes Tomas Kalas einfach einköpfen durfte. Selbst wenn der Gegner es nicht schafft, aus sich heraus ein Tor zu erzielen, lädt ihn Hertha stets naiv dazu ein.

In der zweiten Halbzeit aber zeigte Hertha ein anderes Gesicht – das, auf welches Leitl vor dem Anpfiff gehofft hatte. Er muss die richtigen Worte in der Kabine gefunden haben, denn die Blau-Weißen spielten auf einmal motiviert auf. Sie wirkten zielgerichteter, mutiger und frischer. Nach nur sechs Minuten im zweiten Durchgang erzielte Unterschiedsspieler Fabian Reese das 1:1. Es war das Produkt eines einfachen, aber klaren Angriffsmusters, bei dem Deyovaisio Zeefuik den Tiefenlauf Reeses erkannte, dieser einen Haken setzte und überlegt einschob. Die Kunst des Einfachen – endlich gelang sie Hertha einmal.

Die Kunst der sauberen Abwehr ist aber etwas, das Hertha auch im Anschluss nicht beherrschen sollte. Ausgerechnet Kapitän Leistner, der nach Elversberg den jungen Spielern die nötige Klarheit für den Abstiegskampf absprach, spielte mit nur wenigen Metern Entfernung einen dilettantischen Fehlpass auf Maza, der diesen nur noch mit einem unglücklichen Einsteigen zu klären wusste. Die Szene führte zum Elfmeter, der den erneuten Rückstand bedeuten sollte. Ein Gegentor, das nur fallen konnte, weil Hertha direkt nach dem Ausgleichstreffer die nötige Spannung vermissen ließ und die Mannschaft lockerer spielen wollte als sie es sich aktuell erlauben kann. "Ein absolutes No-Go", so Leitl nach dem Spiel.

Hertha-Spieler Luca Schuler rappelt sich vom Boden auf nach missglücktem Torversuch (Bild: Imago Images/Matthias Koch)
Herthas Luca Schuler nach einer missglückten Torchance | Bild: Imago Images/Matthias Koch

Immer dann, wenn es zu spät ist

Auch nach dem erneuten Nackenschlag behielten die Berliner den Kopf oben und spielten weiter motiviert nach vorne. "Wie wir dann kreiert, Räume erkannt und gespielt haben, war okay – aber wir brauchen Siege und kein okay", wollte sich Leitl nach dem Spiel von jener Phase nicht positiv einlullen lassen. Viel eher lässt Herthas engagierte Leistung in der letzten halben Stunde der Partie die kritische Fragen zu: Warum erst jetzt diese Schärfe in den Aktionen? Warum will die Mannschaft erst, wenn es beinahe zu spät ist und es maximal noch um ein Unentschieden gehen kann?

Immer wieder zeigen Herthas Spieler einen Gratismut, der erst dann erweckt wird, wenn in den Spielminuten zuvor durch zu wenig Resilienz und Galligkeit der Sieg bereits in weite Ferne gerückt ist. Wenn Fans in der Berliner Ostkurve vor Anpfiff ein Banner mit den Worten "Volle Verantwortung für die Fahne auf der Brust! Abstiegskampf annehmen" ausrollen, meinen sie damit: von der ersten Spielminute an und nicht erst irgendwann. Ein handelsübliches Fußballspiel dauert 90 Minuten, das wusste schon Sepp Herberger. Doch ein Hertha-Spiel dauert aufgrund der mangelnden Konstanz der Spieler meist nur 45 Minuten. Die anderen Minuten sind verschenkt.

Gefühltes Endspiel gegen Braunschweig

Doch selbst in den besten Phasen stellt sich Hertha immer wieder zielsicher selbst ein Bein. Trotz der großen Bemühungen, des deutlich besseren Positionsspiels und der mutigeren Strafraumbesetzung in der zweiten Halbzeit gelang nur ein Treffer. Die Konsequenz aus der fehlenden Konsequenz – Hertha ist schon beinahe unfähig, beste Torchancen zu nutzen. Zeefuik, Marten Winkler und Luca Wollschläger ließen ihre Momente in Slapstick-Manier liegen. Hertha konnte nach Abpfiff mehr Schüsse und den besseren Expected-Goals-Wert aufweisen – vergeblich.

Eine nicht leicht zu erklärende Mischung aus Qualitäts- und Kopffrage. Eine klare Erklärung ist jedoch, dass Hertha weiterhin unter den Folgen des Verkaufs von Mittelstürmer Haris Tabakovic und dem fehlenden Ersatz leidet. Hertha fehlt der Knipser, dem Rest der Mannschaft ist schon beinahe eine Tor-Allergie zu diagnostizieren. Neun Tore aus den letzten elf Ligaspielen sind ein erschreckend schwacher Wert.

Mangelnde Effizienz, immer wieder individuelle Abwehrfehler und ein nicht enden wollender Wankelmut begleiten Hertha seit Saisonbeginn und sind in einer Abwärtsspirale gemündet, die den Klub immer tiefer im Abstiegskampf versinken lassen. Derzeit fehlt die Fantasie dafür, sich vorzustellen, wie die Hauptstädter diesen freien Fall aufhalten wollen – das Duell mit Eintracht Braunschweig am kommenden Spieltag kommt schon beinahe einem Endspiel gleich.

Sendung: rbb24, 08.03.2025, 21:45 Uhr

Beitrag von Marc P. C. Schwitzky

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36 Kommentare

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  1. 36.

    Den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark reißen die ja ab, dass wäre das passende Stadion für die Truppe.
    Oder, um sich schon an die Regionalliga zu gewöhnen, das Sportforum Hohenschönhausen, zusammen mit dem BSC Dynamo Berlin.

  2. 35.

    Hertha kämpfen, am besten schon in Braunschweig

  3. 34.

    Hertha kämpfen . sonst müsst ihr nächste Saison nach Osnabrück

  4. 33.

    Hoffe nicht das ihr nächstes Jahr nach Sandnhausen und Verl müsst,kämpfen schon nächste Woche in Braunschweig

  5. 32.

    Bobic hat Spieler nach Berlin geholt die alle nichts bewirkt haben . Und langfristige Verträge gemacht ! Ich bin nicht der Meinung das dies gut wahr

  6. 28.

    Scheint, dass sich das Jahr 1986 wiederholt.
    Die 3.Liga rückt näher.

  7. 27.

    Ohne das Geld von Windhorst und das Knowhow von Bobic würde man schon schon lange in der Amateurliga rumkrepeln !

  8. 26.

    Der Grad zwischen Angst / Verzweiflung einerseits und Überheblichkeit andererseits ist schon seit vielen Jahren bei der Hertha ganz schmal - in der Mannschaft und auf Funktionärsebene. Sportlich gestern wieder zu beobachten vor dem 1:2. Eine Halbzeit Angst, dann gerade wieder im Spiel, S04 wackelt und unseren Jungs fällt nichts Besseres ein, als am eigenen Strafraum mal ein bisschen Jo-Jo zu spielen. Schließlich wollten wir ja mal mit schönem Fußball aufsteigen, nicht irgendwie. Deshalb musste ja auch der Pal (mal wieder) weg. Wenn schon nicht Aufstieg, dann wenigstens noch schön. Das sitzt im ganzen Verein so tief drin. Wir bräuchten die Mentalität, die die Bochumer seit Jahrzehnten zeigen. Ist in Berlin aber eine Illusion. Braunschweig, Ulm und Münster dürfen sich auf einen talentierten Kindergarten freuen, der ihnen das Siegen einfach machen wird.

  9. 25.

    Ich weiß noch, wann ich mich zuletzt über ein Hertha-Heimspiel gefreut habe: Pokal gegen Heidenheim. Wäre zwar kurz vor Schluss auch fast schiefgegangen, war am Ende aber nicht nur vom Ergebnis her überzeugend.

  10. 24.

    Wo soll Hertha den in der 3. Liga spielen? Doch wohl nicht im Olympiastadion!? Also muß schnell das eigene Stadion her.
    Vielleicht ein Holz Provisorium vor dem Reichstag!? :))

  11. 23.

    Als Herthafan der alle Heimspiele im Olympiastadion live gesehen hat 24/25, muss ich echt fragen, was war das denn in der ersten Halbzeit?
    Für mich grenzte das schon an Arbeitsverweigerung, völlig mutlos,keiner übernahm Verantwortung, die innere Einstellung der Spieler für mich ein Rätsel, kein gegenseitiges anfeuern untereiander,stattdessen ein lustloses bewegen auf dem Platz.
    Vor über 70000 Zuschauer so eine Leistung abzuliefern ist eine Unverschämtheit.
    Wir fragten uns echt wer hier die Heimmannschaft war.
    Die erste Torchance kurz vorder Pause.
    Warum wird nicht viel mehr aus der zweiten Reihe geschossen, warum werden nicht Talente wie Lum oder Wollschläger viel öfter eingesetzt die vielleicht noch Lust haben für Hertha alles zu geben.
    Es wird Zeit ,dass die Spieler die Sutuation ernst nehmen und über 90 Minuten ihre Leistung bringen.
    Die zweite Halbzeit war so wie wir es als Zuschauer erwarten.
    Ich weiß gar nicht mehr wann ich das letzte Mal mit Freude aus dem Stadion gegangen bin.

  12. 21.

    1982 ist Hertha in die Bundesliga aufgestiegen. Amateuroberliga war ein paar Jahre später. Eine schöne Zeit, auf deren Wiederholung ich aber gern verzichte.

  13. 19.

    Fußball ist ein einfacher Sport. Der Ball muss ins Tor, dazu muss man nur auf das Tor schießen! Für Hertha gibt es nur eine Taktik. Hinten Fünferkette und vorne hilft der liebe Gott. Der moderne Fußball ist mit diesen Spielern nicht machbar! Also schießt die Kugel aus dem Strafraum und macht das Tor dicht!

  14. 18.

    Das Problem liegt auf einer höheren Ebene. Die Spieler sind sicher motiviert und der Trainer hat in Hannover viel bewirkt. Die Führung ist allerdings von der Geschäftsführung bis zum Präsidenten inkompetent und das hat fatale Konsequenzen. Die Erneuerung muss ganz oben beginnen.

    Der Präsident könnte dem Verein noch einen letzten Gefallen erweisen und die Geschäftsführung nach Abgabe des Lizenzantrags entlassen, bevor er selbst abtritt.

    Danach kann es einen Neuanfang geben.

  15. 17.

    Das Problem bei Hertha BSC sind wohl hauptsächlich die Herren in der oberen Etage. Es wurden viel zu teure Spieler gekauft mit langfristigen Verträge, die leider nichts brachten. Dann die Trainer die nach Berlin kamen! Gelder wurden sinnlos ausgegeben. Es ist schade um Hertha BSC und Berlin .