Europawahl in Polen - "Acht Jahre lang eine europa-skeptische Regierung - wir sind müde davon"

Mi 05.06.24 | 07:28 Uhr
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Gäste kommen am 01.05.2024 zum Fest anlässlich des 20. Jahrestags des EU-Beitritts von Polen. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 04.06.2024 | Magdalena Dercz | Bild: dpa/Patrick Pleul

In vielen EU-Ländern sind rechte Parteien auf dem Vormarsch. In Polen wurden die Konservativen bei der Parlamentswahl abgelöst. Dennoch geht das Ringen mit den liberalen Kräften auch bei der Europawahl weiter - so auch in Slubice.

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen EU-Ländern sind die Bürger am Sonntag zur Wahl des Europaparlaments aufgerufen. Im Nachbarland Polen ist der Gang zur Urne mittlerweile fast Routine. Denn erst im April gab es Regionalwahlen, im Herbst vergangenen Jahres die Parlamentswahl. Dennoch wird auch für die nun anstehende Abstimmung mit Spannung auf die Ergebnisse geschaut.

Prognosen zufolge bahnt sich erneut ein Kopf-an-Kopf-Rennen in dem politisch gespaltenen Land zwischen der pro-europäischen Regierungspartei von Donald Tusk und der europa-skeptischen PiS-Partei von Jaroslaw Kaczynski an.

Deutschland und Polen rücken durch EU-Projekte zusammen

Vor allem junge Polen konnten in der Vergangenheit von Fördermaßnahmen der EU profitieren, wie beispielsweise Freizeit-Attraktionen in Frankfurts Nachbarschaft Slubice zeigen. Mit Tretrollern und Boards saust eine Gruppe Kinder dort über die Rampen eines brandneuen Skateparks. Mit dem Begriff "EU" verbinden die jungen Slubicer nur Positives. Die Abkürzung der Staatengemeinschaft ist für sie sofort verständlich. "Ja, das ist schon eine gute Sache, wenn ich an Europa denke", sagt der zehnjährige Bartek.

Neue Sportanlagen, bessere Infrastruktur - die meisten Menschen in Slubice wissen, dass EU- Fonds die Stadtentwicklung vorangetrieben haben. Marzena Slodownik, die neue Bürgermeisterin der Stadt ermutigt zum Wahlgang. Slodownik selbst wurde erst im April als Kopf eines bürgerlichen Bündnisses ohne Unterstützung großer Parteien ins Amt gewählt und sieht sich selbst als Brückenbauerin.

Nun möchte sie, dass Slubice zusammen mit Frankfurt (Oder) durch viele gemeinsame Projekte zu einer europäischen Vorzeige-Stadt wird. "Gemeinsame Verkehrsverbindungen, wie Busse und Bahn, sind sehr wichtig, damit der Autoverkehr insgesamt weniger wird", sagt Slodownik. "Dann vielleicht ein modernes deutsch-polnisches Kulturzentrum und vor allem wollen wir ein neues Schwimmbad bauen - das natürlich auch die Frankfurter nutzen könnten."

Polnische Stimmen mit verschiedenen Motiven

Die meisten Fördermittel aus der EU sind bisher in die Modernisierung des örtlichen Krankenhauses und das Wasserwerk der Stadt geflossen. Doch auch Bildungs- und Betreuungsstätten, wie der deutsch-polnische Kindergarten, haben finanzielle Zuwendungen bekommen. Und das verpflichtet, zur Europawahl zu gehen, sagt Katarzyna Misiura.

Sie ist die Mutter eines Kindes, das im bilingualen Kindergarten betreut wird. "Außerhalb der EU zu sein, das wäre ein Rückschritt. Die EU zu verlassen, hätte keine Vorzüge für uns. Daher denke ich, ist es wichtig, zur Wahl zu gehen und auch diese Pflicht wahrzunehmen."

Auch wenn die Werbekampagne in der Grenzstadt etwas schleppend verläuft, wollen viele Einwohner am Sonntag ihre Stimme abgeben, so der Tenor einer rbb-Straßenumfrage am vergangenen Wochenende. Und jeder hat seine eigenen Gründe, an der Wahl teilzunehmen.

Eine Passantin erklärt: "In Brüssel sitzen jetzt noch die Falschen. Diejenigen, die hier politische Skandale zu verantworten haben, und schnell nach Brüssel umgezogen sind, sollten zurückkommen und sich erstmal ihrer Verantwortung stellen." Auch so mancher Europa-Skeptiker will an die Urne treten. Einer von ihnen ist Pawel Burakowski. "Ich wähle mit der Hoffnung, dass sich gravierend was ändert", sagt der Slubicer. "Dass die Dominanz solcher Staaten wie Deutschland oder Frankreich in der EU beendet wird und dass alle Staaten gleichgestellt werden. So ist es bis jetzt leider nicht."

Brandenburg-nahe Region wählt liberaler

Bei der letzten Europawahl 2019 hatte die konservative PiS polenweit mit 45,4 Prozent der Stimmen den Sieg gegen die Opposition um den ehemaligen EU-Ratspräsident Donald Tusk mit 38,5 Prozent errungen. Bei der Wahl für das polnische Parlament im vergangenen Oktober ist die PiS zwar ebenfalls stärkste Kraft geworden - verfehlte aber die absolute Mehrheit gegen das Bündnis der Oppositionsparteien aus Tusks Bürgerkoalition (KO), dem christdemokratischen Bündnis Dritter Weg und der Linken [tagesschau.de].

Das war mit dem Versprechen angetreten, demokratische Rückschritte der Vorgängerregierung rückgängig zu machen, Rechte von Frauen und Minderheiten zu stärken und die Beziehungen gen Westen zu verbessern. Auch bei der letzten Kommunalwahl hatte das Bündnis dann die Nase knapp vorn. Im Brandenburg-nahen Raum im Westen des Landes war der Zuspruch für die Liberalen dabei besonders deutlich. In der Wojewodschaft Westpommern kam die KO beispielsweise auf 38,9 Prozent, gegenüber der PiS mit 25 Prozent.

Auf die Pro-Europäer zählt nun auch die Slubicer Bürgermeisterin Slodownik am 9. Juni beim Kampf um die 53 polnischen Sitze im Europaparlament. "Acht Jahre lang hatten wir jetzt in Polen eine europa-skeptische Regierung und ich glaube, wir sind einfach müde davon", so Marzena Slodownik. Die Konflikte beiseitelegen, mehr Harmonie zwischen Polen und der EU herstellen – das sei ihr zufolge der große Wunsch in Slubice.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 04.06.2024, 19:30 Uhr

Mit Material von Magdalena Dercz

29 Kommentare

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  1. 29.

    Und noch eins: Die FDP ist auch nicht extrem liberale Partei, da sie stets ein Vertreter der Sozialen Marktwirtschaft war und ist!

  2. 28.

    Mein Bild von Polen ist ein ganz Anderes als hier gelesen, genauso wie das von der PIS und AfD.
    Übrigens,extrem liberale Partei gibt es in Polen auch nicht, da es nur sozial- liberale Partei gibt.

  3. 26.

    Der ausgemachte Unsinn liegt darin, dem anderen etwas zu unterstellen, was dieser nachweisbar nicht geschrieben hat. Es liegt an Ihnen, aus den skizzierten zwei Lagern EIN geschlossenes Polen zu machen.

    ;-

  4. 25.

    Es sind mehr

    https://www.bpb.de/themen/migration-integration/laenderprofile/545337/ukrainische-migrantinnen-und-migranten-in-polen/#:~:text=Aktuellen%2520Sch%C3%A4tzungen%2520der%2520nationalen%2520Statistikbeh%C3%B6rde,von%252037%252C6%2520Millionen%2520Menschen.

  5. 24.

    Polen macht das schon. Es ist ein guter Nachbar.

  6. 22.

    Es gibt keinen Anspruch auf "Vielfalt". Es gibt geltende Asylgesetze und wenn die Polen diese anwenden, dann ist denen das ja wohl kaum vorzuwerfen. Nicht Jeder verleugnet die eigene Kultur derart, wie die Deutschen. Im Übrigen haben sowohl Asylberechtigte, Kriegsflüchtlinge und auch Queer-Personen in Polen sämtliche Grundrechte, auch wenn Sie es nicht glauben.

  7. 21.

    Selten so ein Unsinn über ein Nachbarland gelesen,.
    Übrigens, national- konservativ ist nicht rechtsextremistisch, also bitte nicht die Polen beleidigen.

  8. 20.

    Und das begründen Sie wie? Ich sehe die Zahlen der in Polen aufgenommenen Geflüchteten, ich sehe die politische Richtung der letzten Regierung gegen Vielfalt ... was werfen Sie als Argument in die Waagschale?

  9. 19.

    „ Stimmt mein Geschriebenes denn nicht?“

    Genau, es ist unbegründet und unsachlich.

  10. 18.

    Auch in Polen findet sich die ganze Bandbreite an persönlichen und politischen Einstellungen wie überall, mit einer recht ungleichen Verteilung auf einzelne Gebiete, was einen festhaltenden Konservatismus angeht und was eine Offenheit gegenüber Neuartigem angeht. Nur findet das Ganze eben auch innerhalb der Religion statt (bei 94 % Katholiken und 2 % Nichtkonfessionsgebundenen) und nur selten gänzlich außerhalb von ihr.

    Unterschiede sehe ich im zwischenmenschlichen Verhalten: Wo in Deutschland eine persönliche Einladung zum Essen mit vorgeschobenen Termingründen abgelehnt wird - auch in der Wirtschaft - so ist dies allenfalls ein Achselzucken wert. In Polen dagegen ist es ein Sakrileg und kann schon mal einen geschäftlichen Deal platzen lassen.

  11. 17.

    Bevor Die Ihre Unkenntnis über Polen äußern, fahren Sie mal ,,rüber“ und sprechen Sie mit den Leuten.

  12. 16.

    Impulse von außerhalb aufzunehmen würde Größe zeigen oder? Stimmt mein Geschriebenes denn nicht?

  13. 15.

    Immer schön, wenn nichtreligiöse Menschen wie Sie von christlichen Werten reden.

  14. 14.

    Polen ist ein sympathisches Land mit sympathischen Menschen.

  15. 13.

    Entschuldigung, wenn ich mich da einmische. Sie sollten sich nicht beleidigt zeigen, wenn Sie in der Sache keine Argumente haben. Ich fand die Einlassung des Foristen für kein "Geschwurbel", sondern sogar hinreichend verständlich.

  16. 12.

    Ich sehe, dass die Bereitschaft, Geflüchteten zu helfen, in dieser katholischen Gesellschaft kaum vorhanden ist. Ist also der bloße Verweis auf den Widerspruch zwischen christlichen Werte und dem Handeln von Christen anmaßend? Was ist das für ein Tradition und Kultur, die solche Widersprüche ignoriert? Die versucht, anderen die Meinung zu verbieten weil sie nicht passt ("Hören Sie auf damit").

  17. 11.

    Gegebenenfalls langsam lesen und die Worte jenseits aller Vorurteile "einsickern" lassen.

    ;-

    (Es steht alles da,)

  18. 10.

    Hören Sie auf damit. Religion ist in Polen ein zu wichtiges Thema als dass Deutsche sich anmaßen sollten, eine unsachliche Äußerung von sich zu geben. Wenn Sie etwas von Tradition und Kultur verstehen wollen, gehen Sie auf eine polnische Hochzeit.

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