Nächste Runde im Koalitionspoker - Rot-Rot-Grün krempelt die Berliner Verkehrspolitik um
Mehr Radwege, besserer ÖPNV, keine A100-Verlängerung - beim Thema Verkehr sind sich SPD, Linke und Grüne am Freitag in vielen Punkten einig geworden. Doch dann kam noch der Wohnungsbau dran - und da gehen die Meinungen teilweise weit auseinander.
In Berlin sollen bald deutlich mehr Radwege gebaut werden. Eine rot-rot-grüne Koalition werde alle Forderungen des Fahrrad-Volksentscheids übernehmen, kündigte Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek am Freitag nach den Koalitionsverhandlungen zur Verkehrspolitik an. Dazu gehören Radwege an allen Hauptstraßen, mehr Fahrradstraßen und entschärfte Kreuzungen. Geplant ist auch eine Art grüner Pfeil für Radfahrer, mit dem sie Kreuzungen trotz roter Ampel überqueren dürften.
Bis Frühjahr 2017 solle ein Mobilitätsgesetz auf Grundlage des vom Fahrrad-Volksbegehren vorgelegten Gesetzes verabschiedet werden. Ab 2019 sollen jährlich 51 Millionen Euro dafür ausgegeben werden. Die Aktivisten des Radentscheids zeigten sich voll zufrieden. "Wenn das Gesetz bis März kommt, gibt es keinen Grund weiterzumachen", kündigte Initiator Heinrich Strößenreuther an.
Zurückhaltung bei Parkgebühren
Auch eine autofreie Zone auf dem Boulevard Unter den Linden scheint nicht mehr abwegig. Die Grünen sprachen am Abend von einem Prestigeprojekt für Berlin. Die Pläne waren bis zum Abend allerdings noch nicht abschließend diskutiert und beschlossen.
Beim Thema Parkraumgebühren innerhalb des S-Bahn-Rings traten die künftigen Koalitionäre allerdings etwas auf die Bremse. Hier müsse zunächst rechtlich geprüft werden, zuständig seien ohnehin die Bezirke, hieß es am Freitagabend. Dass das Vorhaben noch in dieser Legislatur umgesetzt werden kann, ist unwahrscheinlich. Das sei ein gemeinsames Ziel, aber ein langer Prozess. Der Vorschlag einer umfassenden Parkraumbewirtschaftung war schon vorab aus der Arbeitsgruppe Mobilität und Verkehr durchgesickert. CDU und FDP hatten dies umgehend als "Abzocke" kritisiert.
Ausbau des Tramverkehrs, dichtere Taktung auf dem Ring
Weiter wurde beschlossen, den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auszubauen – vor allem, was die Straßenbahn angeht. Hier solle deutlich an Tempo zugelegt werden, sagte SPD-Verkehrssenator Andreas Geisel. Straßenbahnlinien sollen ausgebaut und auch in den Westen der Stadt geführt werden. Konkret sei das für vier Linien geplant, weitere sollen folgen.
Bei den anderen Nahverkehrsangeboten solle der Takt verdichtet werden. So soll etwa der Fünf-Minuten-Takt auf dem S-Bahnring ausgeweitet werden. Busse und Straßenbahnen sollen an mehr Ampelkreuzungen Vorrang bekommen. Zudem haben sich die Verhandlungspartner darauf geeinigt, den Preis für das Sozialticket von derzeit 36 Euro auf 25 Euro zu senken.
Erarbeiten wollen SPD, Linke und Grüne im kommenden Jahr eine neue Tarifstruktur bei Bus und Bahn. Bis dahin sollen Fahrten nicht teurer werden. Die aktuelle Erhöhung aber wird nicht zurückgenommen - die Grünen zogen eine entsprechende Forderung zurück. Prüfen will die Koalition auch eine solidarische Finanzierung des Nahverkehrs, bei der alle Berliner zahlen und keine Fahrscheine mehr für Bus und Bahn kaufen müssten. Das werde aber "eher nicht in dieser Legislatur" kommen, sagte der Linken-Abgeordnete Harald Wolf.
A100 endet am Treptower Park
Bei der A100, dem Thema, an dem vor fünf Jahren die Koalitionsgespräche von SPD und Grünen gescheitert waren, wurde nun eine Einigung erzielt: Unter Rot-Rot-Grün werde die Autobahn nur bis zum Treptower Park verlängert, dort werde es einen "qualifizierten Abschluss" geben, erklärte Kapek. Das 3,2 Kilometer lange Baustück ist ohnehin schon im Bau - die Arbeiten laufen noch bis 2020. Eine darüber hinaus gehende Verlängerung bis zur Frankfurter Allee wird es demnach in den nächsten fünf Jahren nicht geben.
Streit über große Neubauviertel
Auch auf dem Programm am Freitag: die Themen Bauen und Wohnen. Hier dürfte es noch bis in die Nacht Diskussionsbedarf geben - denn schließlich wird eines der teuersten Vorhaben der kommenden Jahre verhandelt. Alle drei Parteien wollen mehr bezahlbare Mietwohnungen schaffen und setzen dabei vor allem auf öffentlichen Wohnungsbau. Linke und Grüne drängen jedoch auf eine stärkere Beteiligung der Bürger; die SPD ist verärgert, sieht den Wohnungsneubau ausgebremst. Auch einige der bislang geplanten neuen Großquartiere sind umstritten, insbesondere die Elisabeth-Aue in Pankow.
Mit Informationen von Boris Hermel, Thorsten Gabriel und Jan Menzel