Kommunalwahlen 2024 - Wo die größte Fraktion im Kreistag keine Politik gestalten kann

Sa 18.05.24 | 08:20 Uhr | Von Michael Lietz
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Eines von mehreren Gebäuden vom Landratsamtes des brandenburgischen Landkreises Oder-Spree. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Audio: Antenne Brandenburg | 14.05.2024 | Michael Lietz | Bild: dpa/Patrick Pleul

Die sogennante Brandmauer hält in Oder-Spree: Zwar ist die AfD dort stärkste Kraft im Kreistag, doch der SPD-Landrat und die anderen Fraktionen machen Kreispolitik an ihr vorbei. Die AfD hofft auf mehr Mitgestaltung nach der Wahl. Von Michael Lietz

Bei den Kommunalwahlen in Brandenburg werden Tausende zum größten Teil ehrenamtliche politische Posten verteilt. Doch wie funktioniert Kommunalpolitik überhaupt, was wird hier entschieden und welche Probleme gibt es? rbb|24 schaut sich in den Landkreisen und kreisfreien Städten um, welche Themen dort relevant sind.

Niemand hat mehr Abgeordnete als sie, doch keiner will mit ihr zusammenarbeiten: Im Landkreis Oder-Spree stellt die AfD die größte Kreistagsfraktion, seitdem Ende 2023 zwei zuvor fraktionslose Abgeordnete beitraten. Die übrigen Parteien halten aber an der sogenannten Brandmauer fest, wie mehrere politische Verantwortlich dem rbb sagten.

Bei der Kommunalwahl am 9. Juni könnte die AfD laut Umfragen zulegen und mehr Gemeindevertreter, Stadtverordnete oder Kreistagsabgeordnete gewinnen. In Oder-Spree hat die Partei nun elf Sitze im Kreistag und damit einen mehr als die SPD von Landrat Frank Steffen. CDU und Linke haben jeweils neun Sitze.

Landkreis Oder-Spree

Kreistag Oder-Spree

Insgesamt sitzen im Kreistag sieben Fraktionen. Den Landrat stellt mit Frank Steffen die SPD. Der 53-Jährige setzte sich im Mai 2023 bei der Stichwahl gegen seinen AfD-Kontrahenten Rainer Galla durch.

Folgende Fraktionen sind im Kreistag des Landkreises Oder-Spree vertreten:

  • AfD
  • SPD
  • CDU
  • DIE LINKE
  • BÜNDNIS 90/Die Grünen
  • BVB/Freie Wähler
  • FDP/B-J-A/BVFO

"Inhaltlich haben sie nicht überzeugt"

"Durch die AfD ist der Landkreis sehr laut geworden", sagte Günther Luhn, CDU-Fraktionschef, dem rbb. "Ich kann solche Äußerungen und Schreiereien nicht ab. Das hat etwas mit Respekt voreinander zu tun." Eine Zusammenarbeit mit der AfD verbiete sich.

Matthias Papendieck, Fraktionschef der SPD, bezeichnet die Arbeit der AfD-Fraktion als laut und inhaltsleer. "Sie haben nicht einen Antrag durchbekommen. Inhaltlich haben sie nicht überzeugt. Sie versuchen hier Bundes- oder Landesthemen zu bespielen. Wir machen Kommunalpolitik", sagte der SPD-Politiker.

AfD: "Wir wollen alle das Beste für den Landkreis"

Die AfD weist die Vorwürfe zurück. Laut zu werden gehöre zur Debatte dazu, sagte AfD-Fraktionschef Lars Aulich. Er erwarte, dass sowohl die im Parlament vertretenen Parteien als auch der Landrat selbst auf die stärkste Fraktion zugehen und mit ihr zusammenarbeiten. "Außerhalb der Sitzungen reden viele mit uns, ganz normal", sagte Aulich. "Unter dem Strich wollen wir alle das Beste für den Landkreis. Das geht nur gemeinsam."

Die Brandmauer gegen die AfD stehe, versichern CDU und SPD in Oder-Spree und sind sich dabei mit den Linken im Prinzip einig. Für deren Fraktions-Vorsitzenden Artur Pech wird der Begriff allerdings zu inflationär benutzt: "Die Brandmauer-Debatte dient dazu, dass alle Beteiligten ihre alte Politik weitermachen können", sagte Pech. "Man versucht, sich hinter der Brandmauer zu verstecken und spitzt die Probleme, die hervorgerufen wurden, nur zu."

AfD verlor Landratswahl nur knapp

Im vergangenen Dezember traten die fraktionslose Kreistagsabgeordnete Hildegard-Vera Kaethner und Felix Mühlberg der AfD-Fraktion bei. Sie begründeten ihren Eintritt unter anderem damit, dass abweichenden Meinungen kaum mehr Raum gegeben würde. Kaethner war bereits früher Mitglied der AfD-Fraktion. Mühlberg war einst Mitglied der Linksfraktion. Neben Oder-Spree stellt die AfdD auch im Landkreis Spre-Neiße die größte Fraktion

Bei der Landratswahl im Mai 2023 setzte sich der SPD-Politiker Steffen nur knapp gegen den AfD-Kandidaten durch. Dieser bekam 47,6 Prozent der Stimmen. Ob die AfD nun als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorgeht, ist aber längst noch nicht ausgemacht. Selbst der AfD-Fraktionschef in Oder-Spree fürchtet, dass der verkorkste Europawahlkampf um Spitzenkandidat Maximilian Krah und seine Verbindungen nach Russland und China auf die Kommunalwahl durchschlagen könnte.

Sendung: Antenne Brandenburg, 14.05.2024, 14:20 Uhr

Beitrag von Michael Lietz

27 Kommentare

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  1. 27.

    @Matthias: Danke für Ihren Kommentar! Ich stimme Ihnen zu!

    Vielleicht sollten die Menschen, welche das angebliche Allheilmittel der AfD wählen, sollten DRINGEND das Wahlprogramm dieser Partei LESEN! Alles was dieser Partei als Ziel unterstellt wird (z.B. Politik für den kleinen Mann) wird von dieser Partei in ihrem eigenen Wahlprogramm abgelehnt. Steuererhöhungen für normale Bürger, Steuersenkungen für große Unternehmen, gegen Umweltschutz, leugnen des Klimawandels usw.!
    WER bitte kann dieses Programm mit ruhigem Gewissen und etwas Verantwortung zB. gegenüber den eigenen Kindern wählen??
    … Genaugenommen - NIEMAND !
    Hier wird Hass gegen anders Denkende, gegen anders Aussehende, gegen anders Sprechende und gegen Menschen mit anderer Meinung gewählt! Und eine Hasspartei ist nicht demokratisch in ihrer Einstellung!

  2. 26.

    Wenn Sie Ihren Kommentar noch mal lesen wird Ihnen sicher auffallen, dass der Versuch die Komplexität einer demokratischen Gesellschaft auf 2 Punkte zusammenzufassen am Ziel vorbeischießt.
    Auf der Arbeit und in der Verwandtschaft muss man mit den Leuten zusammen arbeiten die da sind. In der politischen Verwaltung muss man das nicht. Da darf man sich gegen die Menschen abgrenzen, die andere Menschen ausgrenzen oder so etwas in ihren Reihen dulden. Niemand zwingt die AfD Abgeordneten zur Mitgliedschaft in einer Partei, die es nicht schafft sich von Faschisten zu trennen.
    Und wenn in der Sacharbeit nichts bis wenig sinnvolles beigetragen wird, dann steht man eben am Rande und guckt zu.

  3. 25.

    Die „Brandmauer“ ist zum Schutz der Demokratie zwingend erforderlich. Eine Partei wie die AfD darf niemals Zugriff auf politische Schlüsselpositionen bekommen. Es ist eine Illusion, diese Partei durch Einbeziehung wandeln zu können. Etwas Vergleichbares hat es in der Vergangenheit bereits gegeben, mit bekanntem Resultat. Wehret den Anfängen!

  4. 24.

    Die Ausgrenzer erwarten also Integration: „ Er erwarte, dass sowohl die im Parlament vertretenen Parteien als auch der Landrat selbst auf die stärkste Fraktion zugehen und mit ihr zusammenarbeiten.“ Charakterlich irgendwie nicht ganz gereift.

  5. 23.

    Das ist eben das Problem. Es entsteht der Eindruck des Einheitsbreis und nur die AfD ist eigenständig.

  6. 22.

    Wenn sich alle anderen Parteien entgegen ihrer eigenen politischen Überzeugungen zusammenschließen, um die AfD auszuschließen, entsteht der Beigeschmack aus der alten DDR. Blockpartei, Einheitspartei. Weshalb wählen, wenn es eh egal ist und alle dasselbe machen?

  7. 21.

    Linke und Grüne stehen immerhin auf dem Boden des Grundgesetzes. Zitate wie "Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für uns" hört man auch nur aus dem Dunstkreis der rechtsextremen Verdachtsfälle.

  8. 20.

    Was will uns Herr Gauck damit sagen?

    Warum sagt unser derzeitiger Bundespräsident Herr Steinmeier so etwas nicht?

  9. 19.

    "Das merkt natürlich auch der Wähler und wird seine Konsequenzen daraus ziehen!"
    Wer ist das "der Wähler"? Allein in meinem näheren Umfeld gibt es einige Dutzend davon. Ist einer meiner Bekannten dieser "der Wähler"?
    Ich bins nicht, weil ich das Verhalten der Parteien in LOS als korrekt einschätze und werde als Konsequenz definitiv auch in FF keine AfD wählen.

  10. 18.

    Das ist dann wohl eine Brandmauer gegen den Wähler. Wer legitimiert diese Ausgrenzung eigentlich?
    Bin jetzt nicht der AfD Fan, komme eher von links. Aber irgendwie geht das so nicht. Dann könnte man die Blockparteien ja gleich wieder zusammenfassen, so wie vor 89 und nur noch Stimmen für den demokratischen Block zählen.

  11. 17.

    Nun, der zitierte Postende hat zugegeben, dass es sein "Gefühl" ist. Welches nun eben nachweisbar nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Ebenso wie viele Behauptungen der von Ihnen genannten Partei. Ich sehe eine große Wirksamkeit im Gespräch im persönlichen Umfeld, um mit vielen Mythen, Märchen und Lägen aufzuräumen. Daher habe ich diese ernstgemeinte Empfehlung gegeben. Warum Sie meine Worte zu einem Generalnarativ umdeuten, ist nicht nachvollziehbar und überaus undifferenziert.

  12. 16.

    Und wieder das übliche Narrativ. Der AfD Wähler ist nur zu dumm, es muss ihm nur richtig erklärt werden usw… Mit dieser Einstellung sind wir dahin gekommen, wo wir sind. Die AfD sitzt fest in den Parlamenten, die anderen Parteien reiben sic/ an ihr auf, statt zu erklären warum sie die bessere Wahl wären. Und wenn dann z.B. Linke und FDP quasi koalieren um die AfD zu verhindern, wird es wirklich schräg.

  13. 15.

    Sie schreiben richtig: Ihr Gefühl. Alles weitere und ebendieses Gefühl basiert auf Fehlinformationen und dem Leugnen von faktenbasiert darlegbaren Notwendigkeiten. Das wiederum ist ja ganz blaue Linie. Sprechen Sie mal mit anderen Menschen mit anderen Ansichten, alleine kommen Sie aus Ihrem Mindset meiner Erfahrung nach nicht raus.

  14. 13.

    Alles ist besser als die verschiedenen...AfD. Diese Chaotentruppe blamiert nicht nur sich selber, sondern inzwischen ganz Deutschland!

  15. 12.

    "... Komischerweise war es vor allem für die eigene Klientel gedacht ..."
    Mal etwas zynisch nachgefragt:
    Ist dies in den anderen Parteien denn wirklich anders?
    Warum wähle ich diese oder jene Partei? Weil diese hoffentlich meine Interessen vertritt, oder?

  16. 11.

    Bleibt alles bei "eventuell" .... Nein, da ist wenig bis nichts sinnvolles dabei gewesen. Zielführend war es nicht und für alle Betroffenen gedacht schon gar nicht. Komischerweise war es vor allem für die eigene Klientel gedacht und formuliert oder aber völlig unrealistisch.

  17. 10.

    Wer wandert ab ? Danke für kein Beispiel. Oder meinen Sie die Mallorcaleute oder die Asienrentner ?

  18. 9.

    Die Brandmauer verhindert evtl. auch sinnvolle Vorhaben.
    ,Wir sind dafür, dass wir dagegen sind' - diese Einstellung kann nichts hervorbringen.
    Oder werden evtl. AFD-Anträge/Vorschläge umformuliert und 4 Wochen später als ,eigene' vorgebracht?

  19. 8.

    Die Wirtschaft macht eine andere Partei zur Zeit fertig. Das Abwandern von Fachkräften hat die AFD nicht zu verantworten.

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