Interview | Sportrechtler zur Steuerhinterziehung - "In vielen Sportarten ist das leider gängige Praxis"
Gegen den SC Potsdam stehen derzeit Vorwürfe der Steuerhinterziehung im Raum. Doch der Verein ist längst kein Einzelfall. Im Interview berichtet Sportrechtler Thomas Summerer von einer hohen Dunkelziffer und möglichen strafrechtlichen Konsequenzen.
rbb: Herr Summerer, der Vollyball-Bundesligist SC Potsdam steckt aktuell in Schwierigkeiten und bangt sogar um seine Lizenz, es steht der Vorwurf der Steuerhinterziehung im Raum. Wie oft kommt es vor, dass sich Sportvereine mit solchen Vorwürfen konfrontiert sehen?
Dr. Thomas Summerer: Diese Fälle kommen in der Praxis häufig vor. Aber es wird auch vieles nicht ans Tageslicht kommen, weil in diesem sensiblen Bereich alle Beteiligten dazu neigen, es nicht an die große Glocke zu hängen und darüber zu sprechen.
Sie glauben also an eine hohe Dunkelziffer?
Ja. Das hat auch die Recherche zur ARD-Dokumentation von Hajo Seppelt gezeigt, für die sehr viele Vereine und Sportler interviewt wurden. Man kann also in der Tat sagen, dass die Dunkelziffer hoch ist.
Im konkreten Fall sollen mit Spielerinnen und Betreuern Zusatzverträge über Übungsleiterpauschalen, Reisekostenzahlungen oder Arbeitsverträge für Dritte abgeschlossen und dadurch Teile der Gehälter einkommenssteuer- und sozialversicherungsfrei ausgezahlt worden sein. Ist das eine gängige Praxis?
Aus dem Volleyball war es mir noch nicht bekannt, aber in vielen anderen Sportarten ist genau das leider eine gängige Praxis, insbesondere im Fußball. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass es auch den Volleyball trifft.
Wie viel Geld kann ein Verein durch diese Machenschaften einsparen?
Das lohnt sich schon. Nicht nur für den Verein, sondern auch für den Sportler. Denn dieser wäre ja eigentlich lohnsteuerpflichtig. In der Regel liegt ein Beschäftigungs-, oft auch ein Arbeitsverhältnis vor. Und da ist alles, was nach Geld riecht, zu versteuern. Das betrifft zum Beispiel auch Handgelder, die für einen Transfer gezahlt werden. Aber auch Sachbezüge sind sehr häufig im Spiel. Es passiert immer wieder, dass Spielerinnen und Spielern zum Beispiel ein Auto zur Verfügung gestellt wird. Und das ist letztlich wie Bargeld zu werten und muss versteuert werden.
Auch der Verein erspart sich Geld, denn er müsste ja eigentlich Sozialversicherungsbeiträge einbehalten und abführen. Den Arbeitgeberanteil erspart er sich dann.
Wie verschwommen ist da die Grenze zwischen dem Ausnutzen von Grauzonen zum Steuersparen und tatsächlichen Illegalen Handlungen?
Man spricht zwar immer gerne von Grauzonen, aber in Wirklichkeit sind das meist kriminelle Handlungen. Es gibt klare Vorgaben des Gesetzgebers. Eine Übungsleiterpauschale kann zum Beispiel steuerfrei bleiben. Aber wenn sie an einen Sportler gezahlt wird, der gar kein Übungsleiter ist, dann ist das Sozialbetrug. Und dann sind wir schnell auch im Strafrecht.
Das heißt auch den einzelnen Sportlern und Vereinsverantwortlichen könnten in einem solchen Fall – wie zum Beispiel beim SC Potsdam - strafrechtliche Konsequenzen drohen?
In der Tat. Und das wird oft verkannt. Spielerinnen und Spieler können sich durch Annahme von Schwarzgeld oder Sachbezügen der Steuerhinterziehung strafbar machen. Da drohen Freiheits- oder Geldstrafen. Und auch Vereinsvorstände können sich wegen Schwarzgeldzahlungen, Veruntreuung von Arbeitsentgelt, Steuerhinterziehung oder Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafbar machen. Es haftet nicht nur das Vereinsvermögen, sondern auch die Vorstände persönlich und mit ihrem eigenen Vermögen. Das wissen viele nicht.
Welche sportlichen Sanktionen könnte es im Falle der Steuerhinterziehung oder des Finanzbetrugs geben?
Wenn Schwarzgeldzahlungen nachweisbar sind, erfolgen die ja in der Regel durch einen Verein und der Spieler nimmt sie an. Das ist ein unethisches und unsportliches Verhalten und somit meist bereits ein Verstoß gegen die Statuten der Sportverbände. Je nach Schwere des Vergehens drohen den Vereinen und auch den Spielern dann unterschiedliche Sanktionen. In der Satzung steht meistens, welche das sind. In der Regel ist mit Geldstrafen, Punktabzügen und Sperren, bis hin zur realen Gefahr des Lizenzentzugs zu rechnen.
Wie läuft die Kontrolle der Verträge bzw. der Vereinsfinanzen ab? Und warum ist die Steuerhinterziehung beim SC Potsdam bisher nicht aufgefallen, falls sich die Vorwürfe bewahrheiten sollten?
In den Vorständen aller Vereine gibt es nicht nur den Vorsitzenden, sondern auch den Schatzmeister. Und der ist normalerweise für solche Dinge verantwortlich. Zusätzlich gibt es auch in so gut wie allen Vereinen eine Kassenprüfung durch eine unabhängige Person. Und diese prüft zumindest einmal im Jahr sämtliche Zahlungen und Belege. Ihr obliegt also die große Verantwortung, dass die Gelder des Vereins auch da ankommen, wo sie hingehören. Aber wo keine Belege sind, kann natürlich auch nichts kontrolliert werden.
Das heißt, die Personen in diesen Positionen sind entweder in die illegalen Aktivitäten eingeweiht oder ihnen werden Belege vorenthalten?
Genau.
Und welche Möglichkeiten hat das Finanzamt?
Es gibt auch bei Sportvereinen und -verbänden Betriebsprüfungen. Ob dabei allerdings solche Machenschaften auffallen würden, ist schwierig zu sagen. Oft gibt es einfach keine handfesten Beweise dafür. Wenn es aber doch mal auffliegt, dann meistens, weil es eine anonyme Anschuldigung von jemandem gibt, der eingeweiht ist oder in einem anderen Lager steht. Sollten sich dann mehrere Indizien für eine Verfehlung des Vereins finden, wird dem intensiv nachgegangen, in der Regel durch die Staatsanwaltschaft.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.
Sendung: rbb24, 20.09.2023, 18 Uhr