Neues Votum der 36 Profi-Vereine - Was sich die Deutsche Fußball-Liga von einem Investor erhofft - und was Kritiker befürchten
Im Mai scheiterte eine Abstimmung der 36 deutschen Fußball-Profiklubs über einen Investor bei der DFL. Am Montag wird erneut abgestimmt. Der Ausgang des Votums bleibt unklar, auch weil Vereine wie der 1. FC Union ihre Meinung geändert haben. Von Jonas Bürgener
Bereits im Frühjahr wurde deutlich, wie zerstritten der deutsche Profi-Fußball derzeit ist. 20 der 36 Vereine stimmten damals für die Pläne der Deutschen Fußball-Liga (DFL), einem Investor den Einstieg in den Verband zu ermöglichen. Elf Klubs positionierten sich gegen das Vorhaben, fünf enthielten sich. Die nötige Zweidrittelmehrheit wurde verpasst und die Teilhabe eines Investors somit vorerst verhindert.
Merklich angefressen saß DFL-Chef Hans-Joachim Watzke, der zeitgleich Geschäftsführer von Borussia Dortmund ist, im Anschluss auf der Pressekonferenz, bei der es um die aus seiner Perspektive gescheiterte Abstimmung ging. Am Montag stellt der Verband die Pläne jetzt mit einigen Änderungen erneut zur Wahl. Der Konflikt zwischen den Klubs, dem Verband und nicht zuletzt den Fans ist nicht kleiner geworden - ganz im Gegenteil.
Wichtige Fragen und Antworten zu dem Konflikt:
Worum geht es beim Investorendeal der DFL genau?
Das Präsidium und der Aufsichtsrat der Deutschen Fußball-Liga (DFL) haben mehrheitlich beschlossen, sich noch einmal mit einer sogenannten "strategischen Vermarktungspartnerschaft" zu befassen. Nachdem den Plänen im Mai nicht zugestimmt wurde, nahm der Verband einige Änderungen am Vorhaben vor. Im Grunde möchte die DFL nun acht Prozent der Anteile einer DFL-Tochtergesellschaft, die neu gegründet werden und für die Vermarktung der Medienrechte zuständig sein soll, verkaufen.
Laut der ARD-Sportschau soll der Investor dafür bis zu einer Milliarde Euro zahlen. Der Geldgeber würde im Gegenzug für 20 Jahre an den Erlösen der Medienrechte beteiligt werden und ein gewisses Mitspracherecht erhalten. Die DFL stellt dabei ausdrücklich klar, dass es sich bei den geplanten Anteilsverkäufen nicht um eine Beteiligung an der DFL, sondern an einer Tochtergesellschaft handele. Eine Beteiligung an den Hoheitsrechten der DFL selbst sei also ausgeschlossen. So könne ein Investor zum Beispiel nicht bei der Spielplanung und den Anstoßzeiten mitbestimmen.
Am Montag sollen die Vereine auf der Mitgliederversammlung der DFL über die Pläne abstimmen. Damit die DFL Verhandlungen mit einem Investor aufnehmen und abschließen darf, wird wieder eine Zweidrittelmehrheit benötigt.
Was erhofft sich die DFL von dem Deal?
Wie die DFL in einer Mitteilung bekanntgab, sieht der Verband die sportliche und wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit des professionellen deutschen Vereinsfußballs in Zukunft in Gefahr. "Es braucht eine Weiterentwicklung des DFL-Geschäftsmodells, um auch langfristig eine positive Zukunft der Bundesliga und 2. Bundesliga zu sichern", heißt es vom Verband. Die DFL sei kein klassischer Fußballverband, sondern ein Unternehmen, das sich durch den Vertrieb von Fußball-Übertragungsrechten auf dem globalen Medienmarkt behaupten müsse.
Nach Einschätzung der DFL hat sich dieser Markt insbesondere durch die Etablierung von Streamingdiensten in den letzten Jahren drastisch verändert. Die DFL möchte die Bundesliga im Wettkampf mit den anderen Fußball-Ligen, aber auch anderen Sport- und Unterhaltungsangeboten, in Zukunft digitaler und internationaler aufstellen. Dafür soll mit Hilfe des Investorengeldes unter anderem eine eigene Streaming- und Videoplattform entwickelt werden. Dadurch soll eine direkte Beziehung mit dem Endkunden aufgebaut werden. Bislang verkauft die DFL die Bildrechte an den Bundesligaspielen auch im Ausland an TV- und Streamingsender.
Wie hat die DFL die Pläne seit der Abstimmung im Mai verändert?
Zum einen sind die Eckdaten nun andere: Statt eines Verkaufs von 12,5 Prozent der Anteile für rund zwei Milliarden Euro geht es nun um etwa acht Prozent der Anteile für bis zu einer Milliarde Euro. Auch die geplante Verwendung des Geldes ist nun eine andere. Im Mai war vorgesehen, einen Großteil mit einem Verteilungsschlüssel direkt an die Klubs auszuzahlen. Dieser sollte ähnlich zu dem Schlüssel sein, der jetzt bereits für die Verteilung der TV-Gelder angewendet wird. Demnach hätte der FC Bayern deutlich mehr bekommen als zum Beispiel die Aufsteiger Darmstadt oder Heidenheim.
Nach den neuen Plänen soll das Geld zum Großteil, rund 60 Prozent, für gemeinschaftliche Projekte wie zum Beispiel den Aufbau der Streamingplattform verwendet werden. Nur ein kleiner Teil von zehn Prozent soll direkt an die Klubs gehen, die sich regelmäßig auf Promo-Reisen ins Ausland begeben. Rund 30 Prozent sind dafür vorgesehen, die nach Abschluss fälligen Zahlungen an den Investor zumindest in den nächsten Jahren auszugleichen. Auch das Mitspracherecht des Investors soll nach den neuen DFL-Plänen sinken, wobei Experten bezweifeln, inwiefern einem Investor dieses Recht in wichtigen Fragen genommen werden kann.
Was ist die Kritik am Deal?
Nicht nur einige Klubs wie der SC Freiburg, der 1. FC Köln oder der VfL Osnabrück, die zum Teil schon Wochen vor der Abstimmung ankündigten, gegen die Pläne der DFL zu stimmen oder sich zumindest zu enthalten, sehen das Vorhaben der DFL weiterhin kritisch. Insbesondere die organisierten Fanszenen protestieren seit Monaten gegen den Deal. Quasi jeden Spieltag sind in den Stadien Spruchbänder gegen das Vorhaben zu lesen. Deutschlands größtes Fanbündnis "Unsere Kurve" lehnt die Pläne des Verbands kategorisch ab. Zum einen sei der Zeitplan von der Vorstellung des Vorhabens im Oktober bis zur Abstimmung Anfang Dezember viel zu kurz. Die Vereine könnten ihre Gremien so nur unzureichend am Entscheidungsprozess teilhaben lassen. Außerdem stellt Thomas Kessen, Sprecher des Bündnisses, eine grundsätzliche Frage, die sich viele Fans stellen würden.
"Warum braucht es immer mehr Geld? Es ist schon so viel Geld im Fußball, warum braucht es einen Investor, um noch mehr zu bekommen? Mit dem letzten TV-Deal wurde über eine Milliarde generiert. Eigentlich sollte doch genug da sein, um das Vorhaben der DFL - auch wenn wir es ablehnen - von sich aus voranzutreiben", sagt Kessen. Den Wettkampf mit der englischen Premier League sieht "Unsere Kurve" in puncto Vermarktung ohnehin schon verloren. "Warum will man in einem Wettbewerb kämpfen, in dem maximal eine Teilnehmerurkunde winkt?", fragt Kessen. Für diese Einschätzung spricht sicherlich, dass die englische Premier League erst am Montag einen neuen TV-Deal unterschrieb, der den anderer europäischer Ligen erneut in einen großen Schatten stellt [sportschau.de].
Wenn es nach Kessen und "Unsere Kurve" geht, sollten in Deutschland vielmehr andere Faktoren in den Vordergrund gestellt werden. "Der deutsche Fußball ist unglaublich einzigartig in Europa und der Welt. Es gibt mitgliedergeführte Vereine, volle Stadien und eine individuelle Fankultur. Das gibt es in der Form in Spanien und England nicht. Das könnte man in den Mittelpunkt stellen und den Fußball drumherum weiterentwickeln. Das scheint aber nicht gewünscht zu sein", sagt Kessen.
Wie stehen Hertha und Union zum Deal?
Gegenüber rbb|24 wollten sich beide Vereine nicht zu ihrem Abstimmverhalten äußern. Es ist allerdings bekannt, wie sich Hertha und Union beim ersten Votum im Mai positionierten. Union stimmte im Mai für den Deal. Vereinspräsident Dirk Zingler war einer der stärksten Unterstützer des DFL-Vorhabens. Obwohl die Pläne scheiterten, wurde Zinglers Rolle in der Thematik damals heiß diskutiert und von vielen Fans kritisiert.
Diese Meinung hat der Verein am Sonntag offiziell geändert. In einem Brief an alle 36 Bundesligavereine bekennt sich Zingler zwar dazu, grundsätzlich weiter Investitionsbedarf im deutschen Profifußball zu sehen, aber kritisiert das Vorgehen seit der letzten Abstimmung der DFL-Mitglieder und den neuen Deal.
Demnach sei die Missachtung des Abstimmungsergebnisses ein "mindestens ungewöhnlicher Vorgang", der noch zu thematisieren sei. Inhaltlich kritisieren Zingler und der 1. FC Union, dass die Anteile pro Prozent nun nur noch 112 Millionen statt 176 Millionen Euro einbringen sollen, weil der Vertrag unter Druck vor der neuen Rechteausschreibung 2024 verhandelt worden sei.
Aus der Ablehnung im Mai seien falsche Schlussforderungen gezogen worden, kritisiert Zingler. "Anstatt einen breiten und transparenten Diskurs über die Notwendigkeit von Investitionen und deren richtige Verwendung und Aufteilung zwischen der DFL und den Vereinen auf breiter Basis zu führen, wurde das schwierige Thema der Investitionen in die Vereine nun ausgeklammert."
Diese seien aber notwendig, damit nach der 50+1-Regelung mitgliedergeführte Vereine auch in Zukunft gegen Multi-Club-Ownerships und renditeorientierte Investorenmodelle bestehen können, so Zingler. Union spreche sich dafür aus, Zeit und Mühe zu investieren, um einen gemeinsamen Weg aller Vereine zu finden. Deshalb fordert Union: "Aus den genannten Gründen appellieren wir an das DFL-Präsidium, den für Montag geplanten Antrag nicht zu stellen."
Hertha BSC stimmte im Mai laut Präsident Kay Bernstein gegen die Pläne. In einem Interview mit der "FAZ" [Bezahlinhalt] sagte der 43-Jährige, man habe "elementare Dinge kritisch gesehen". Insbesondere befürchtete Herthas Präsident, dass durch die ursprünglichen Pläne vor allem die großen Klubs profitiert hätten. "Bei einem Erlös von 1,8 Milliarden Euro war der Verteilungsschlüssel einfach nicht wettbewerbsfähig, fair und gleich", so Bernstein damals in der "FAZ".
Diese Kritik, die damals nicht nur von Hertha BSC und Bernstein geäußert wurde, hat sich die DFL zumindest insofern zu Herzen genommen, als dass das Geld nicht mehr direkt und gestaffelt an die Klubs ausgezahlt werden soll. Ob das allerdings reicht, um Klubs wie Hertha BSC davon zu überzeugen, dass mit dem neuen Deal alle 36 Klubs gleichermaßen profitieren und das Gefälle zwischen großen und kleinen Vereinen durch das Vorhaben nicht weiter wächst, wird die Abstimmung am Montag zeigen. Nach rbb-Informationen haben einige Vereine trotz der Änderungen genau daran weiterhin Zweifel.
Gibt es Alternativen zum Deal?
Dass es Investitionen braucht, darin sind sich die Klubs mehrheitlich einig. Die Befürchtung, dass sich die englische Premier League und auch die anderen Top-Ligen in Europa weiter von der Bundesliga absetzen könnten, haben auch viele Fußball-Experten und wohl auch eine nicht zu unterschätzende Zahl von Fans.
Laut Wirtschaftsexperte Christian Müller hätte die DFL aber durchaus noch andere Möglichkeiten, Geld einzuholen und dabei keine Anteile zu verkaufen. Müller war von 2001 bis 2010 Geschäftsführer für Finanzen und Lizenzierung bei der DFL. Außerdem arbeitete er bereits in verschiedenen Funktionen für den 1. FC Köln und Dynamo Dresden. Mittlerweile ist er Hochschullehrer für Sportmanagement an der Sporthochschule in Köln. "Wenn man von einem Investitionsbedarf von 600 Millionen Euro ausgeht, und sich einen längeren Zeitraum vorstellt, in dem dieses Geld bereitzustellen ist, dann glaube ich schon, dass es eine Möglichkeit der Binnenfinanzierung gibt", sagt Müller. Die Maßnahmen könnten seiner Einschätzung nach also aus den eigenen Mitteln der Klubs bezahlt werden.
Ähnliche Überlegungen haben bereits Vereine wie der 1. FC Köln oder der SC Freiburg vorgetragen [sportschau.de]. "Das könnte auch ein bisschen durch eine Fremdkapitallinie unterstützt werden", sagt Müller. Er sehe dadurch vor allem zwei Vorteile, die auch vielen Fußball-Fans in Deutschland wichtig sind. "Man würde die drohende Abgabe von Mitsprache vermeiden, denn einen Fremdkapitalgeber könnte man quasi vollständig davon ausschließen, bei Investoren ist das deutlich schwieriger." Außerdem sei die Transparenz deutlich größer. "Man könnte klar benennen, aus welchem Topf das Geld kommt. Wenn es also aus den Erlösen der TV-Gelder käme, könnte zum Beispiel der FC Bayern mehr abgeben als ein Verein aus dem unteren Drittel der zweiten Liga. Das wäre durchaus vertretbar, weil der FC Bayern von späteren Erlösen auch überproportional profitieren würde", so Müller. Hinzu käme, dass ein Investor, der aus dem Private-Equity-Bereich kommen soll, bei den Erlösen wohl eine sehr hohe Rendite erhalten würde. Das würde man bei einer Binnenfinanzierung ebenfalls vermeiden.
Sendung: rbb24 Inforadio, 11.12.23, 14:15 Uhr