Weg zum 14. Meistertitel - Wie sich der Spielanalyst der BR Volleys auf das Finale vorbereitet
Die BR Volleys und Friedrichshafen entscheiden die Meisterschaft unter sich. So wie in den letzten zehn Finals. Was auf dem Papier eintönig klingt, ist in der Halle Volleyball auf Spitzenniveau. Berlins Analyst Alexandre Leal über die Vorbereitung auf die ewige Serie. Von Lynn Kraemer
Seit Mittwochabend wissen die BR Volleys, dass es im Finale gegen den VfB Friedrichshafen geht. Die Baden-Württemberger setzten sich im fünften Spiel der Halbfinalserie 3:1 (20:25, 26:24, 25:22, 25:22) bei den Helios Grizzlys Giesen durch. Obwohl es viele Fans den Grizzlys als Hauptrundenzweiten gegönnt hätten: Wer dem Gegner die erste Heimniederlage der Saison zufügt, hat es am Ende verdient.
Nachdem die Berliner mit einem Minimalaufwand von fünf Spielen durch die Playoffs marschiert waren, war es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis Friedrichshafen ihnen ins Endspiel folgen würde. Denn kaum ein Finale im deutschen Sport ist so erwartbar und unausweichlich wie das in der Volleyball-Bundesliga der Männer. Seit 1998 stellte entweder Friedrichshafen oder Berlin den Meister. In diesem Jahr treffen die beiden Teams zum elften Mal in Serie aufeinander und machen aus, wer sich zum alleinigen Rekordmeister krönen darf.
Er lässt für Berlin die Zahlen sprechen
Berlins Spielanalyst Alexandre Leal verfolgte den VfB-Sieg via Flashscore. Am Morgen nach dem Spiel schaute er sich den künftigen Gegner im Video an: "Ich bin sehr früh aufgestanden und habe angefangen, das Spiel Punkt für Punkt durchzugehen." Hauptsächlich um seine bisherigen Annahmen zu checken. Denn für den Mann der Zahlen fing die Vorbereitung auf die Finalserie schon viel früher an.
Seit Saisonbeginn sammelt Alexandre Leal Informationen zu den Gegnern der BR Volleys. "Ich habe eine Software und trage dort ein, was wann wo und in welcher Qualität auf dem Feld passiert ist. Daraus ziehen wir Daten und Grafiken", erklärt der Brasilianer, der seit dieser Saison Teil des Berliner Trainerstabs ist. "So wissen wir, was die Stärken und Schwachstellen der anderen Teams sind." Beide möglichen Szenarien, Giesen oder Friedrichshafen, wurden vorbereitet. Der Fokus lag vor allem auf den letzten Spielen beider Teams. Jetzt ist nur noch ein Datensatz relevant.
So könnte Friedrichshafen spielen
Über den Gameplan, der aus seiner Analyse entstanden ist, will Leal nicht zu viel verraten. Eigentlich gar nichts. Schließlich geht es ums Finale. Doch auch ohne Leals Analysetools lassen sich Entwicklungen im Spiel von Friedrichshafen erkennen. Cheftrainer Mark Lebedew setzt voraussichtlich auf eine Startsechs bestehend aus Jackson Young, Tim Peter, Severi Savonsalmi, Jose Masso, Michal Superlak, Aleksa Batak und Libero Nikola Pekovic.
Außenangreifer Jan Fornal machte zwar im zweiten Satz gegen Giesen auf sich aufmerksam, doch im Laufe der Saison hatte Young den Polen als Nummer eins auf der Position abgelöst. Auch Mittelblocker Masso ist kaum aus der Startformation wegzudenken. Der Kubaner war nach Problemen mit seinem Visum erst Ende November dazugestoßen und half die Mannschaft zu stabilisieren, nachdem sie etwas ruckelig in die Spielzeit gestartet war. "Wie viele kubanische Spieler ist er ein fantastischer Spiker", sagt Leal. Masso geling es mit seiner Athletik und Sprungkraft Angriffe von einer Höhe zu spielen, die sein Gegenüber regelmäßig vor Herausforderungen stellt.
Zum Saisonhöhepunkt auf dem "absoluten Höhepunkt"
Die Mannschaft vom Bodensee kommt viel über individuelle Klasse. Im Gegensatz zu den BR Volleys, bei denen sich beispielsweise die Angreifer Timothee Carle und Marek Sotola gegenseitig auffangen können. Haben die Berliner also einmal eine Klammer gesetzt, wird es für die Häfler deutlich schwerer, sich daraus zu befreien.
Doch in der Halbfinalserie zeigte Friedrichshafen immer wieder Comeback-Qualitäten. Scheinbar komfortable Punktepolster, die sich die Grizzlys zu Satzbeginn aufbauten, wurden vom VfB wieder eingeholt [ndr.de]. "Sie sind stark in ihren Aufschlägen und spielen gut zusammen. Aktuell läuft bei ihnen viel zusammen. Sie haben sich gefunden und sind vielleicht gerade auf ihrem absoluten Höhepunkt", sagt Leal. Pünktlich zum Saisonendspurt hat das Team von Trainer Mark Lebedew seinen Kampfgeist entdeckt. Der setzte in der Vergangenheit nicht immer verlässlich ein.
BR Volleys sind der Favorit
Für Spielanalyst Alexandre Leal galt es in den letzten Tagen die wichtigsten Informationen über Friedrichshafen für das Team zu filtern. "Wir haben sehr viele Daten, die wir den Spielern mitgeben können. Am wichtigsten ist aber, dass die Spieler fokussiert auf den Platz gehen und die besten Spielentscheidungen treffen können. Wir vereinfachen so gut es geht", sagt der 34-Jährige. "Wenn die Videosession vorbei ist, ist es wichtig, dass sich alle einig sind."
Dazu sei er rund um das Training und die Spieltage immer wieder im Austausch mit dem Team. Damit er erfährt, was für sie funktioniert. Die Spieler der BR Volleys beschreibt er als die beste Gruppe, mit der er je zusammengearbeitet habe: "Sie setzen das richtig gut um, versuchen immer ihr Bestes zu geben und vertrauen uns."
Im Finale sind die Volleys der Favorit. In der aktuellen Saison trafen Berlin und Friedrichshafen bereits vier Mal aufeinander – immer mit dem besseren Ausgang für die Mannschaft aus der Hauptstadt. "Wir haben während der Saison zu 100 Prozent hart gearbeitet und geben 200 Prozent auf dem Platz", sagt Leal.
Beim Bounce House Cup und in beiden Hauptrunden-Begegnungen gab es glatte 3:0-Siege für Berlin. Im Pokal-Achtelfinale ging es bis in den Tie-Break. Nur in einem Duell mussten sich die BR Volleys in dieser Saison gegen Friedrichshafen geschlagen geben. Seit ein paar Monaten sind die Häfler der Volleyball-Bundesligist mit den meisten Followern auf Instagram. Seine Social-Media-Managerin Cosima Jochem kann der VfB allerdings nicht als Geheimwaffe einwechseln.
Zu lange Pause?
"Für mich spielen die vorherigen Spiele eigentlich keine Rolle mehr. Es steht 0:0", sagt Leal. Während die BR Volleys seit ihrem letzten Halbfinalspiel 12 Tage regenerieren konnten, sind es für den VfB Friedrichshafen nur vier Tage. Und in denen liegen eine über siebenstündige Rückfahrt aus Hildesheim an den Bodensee sowie rund neun Stunden mit dem Bus nach Berlin. "Sie sind müde und wir sind ausgeruht. Aber sie sind im Spielrhythmus", sagt Leal. Die Situation habe für beide Teams Vor- und Nachteile.
In der Hauptrunde hatte Friedrichshafen durch den Verzicht auf eine Teilnahme an der Champions League und das frühe Pokal-Aus deutlich mehr Zeit, um sich auf die Gegner einzustellen [swr.de]. So ist der Trainingsanteil bei Mark Lebedews Team höher als bei den Volleys, die dafür mehr Spiele auf hohem Niveau bestreiten konnten.
Alexandre Leal wird auch im Finale mit seinem Laptop in der Halle sein und auf der Teambank Platz nehmen. "Ich analysiere das Spiel in Echtzeit und kontrolliere, ob das, was wir über den Gegner vorhergesagt haben, eintrifft und funktioniert", sagt der Brasilianer. "Gleichzeitig schaue ich, wie unser Team performt und wir die Strategie anpassen müssen." Er versuche die besten Informationen so schnell wie möglich an Cheftrainer Joel Banks weiterzugeben. Alles für den 14. Meistertitel.
Sendung: rbb UM6, 15.04.2024, 18 Uhr