Tickets, Fans und Favoriten - Das erwartet Berlin beim EM-Viertelfinale Niederlande gegen Türkei
Im EM-Viertelfinale in Berlin geht es beim Duell der Türkei mit den Niederlanden um viel. Der Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan hebt das Spiel stärker auf eine politische Ebene. Fragen und Antworten zum Spiel der Niederlande gegen die Türkei.
Wer? Wann? Wo?
Am Samstagabend (21 Uhr) begegnen sich die Niederlande und die Türkei im Viertelfinale - und zwar im Berliner Olympiastadion. Für die Niederlande ist es bereits das zweite EM-Spiel in Berlin, ihr erstes hatten sie am dritten Gruppenphasen-Spieltag mit 2:3 gegen Österreich verloren. Für die Türkei ist es bei dieser EM die Berlin-Premiere.
Es ist das letzte EM-Spiel, das vor dem Finale am 14. Juli im Berliner Olympiastadion ausgetragen wird. Schiedsrichter wird Clément Turpin aus Frankreich sein, mit Marco Fritz (Zweiter Assistent des Videoassistenten) und Felix Zwayer (Vierter Offizieller) stehen ihm auch zwei deutsche Unparteiische zur Seite.
Wie lief das Turnier bislang für beide Teams? Wer ist Favorit?
Niederlande: Achtelfinale und trotzdem miese Stimmung - so sah es im niederländischen Lager vor wenigen Tagen aus. Die "Elftal" hatte die Gruppenphase zwar überstanden, aufgrund der sehr durchwachsenen Auftritte aber nicht überzeugt. Die Kritik im Land war nach der Gruppenphase sehr laut, die Zweifel an Trainer Ronald Koeman groß.
Auch im Team stimmte es nicht, sodass es vor dem Achtelfinale zu mehreren deutlichen Aussprachen kam. "Es waren harte Wochen für uns“, räumte der Leipziger Xavi Simons ein. Aber: "Wir sind als Team zusammengeblieben. Der Kapitän hat gesprochen, wir haben uns ausgesprochen, jetzt haben wir es auch auf dem Feld gezeigt." Denn im Achtelfinale gegen Rumänien traten die Niederländer höchst souverän und geeint auf - die beste Turnierleistung wurde mit einem klaren 3:0-Sieg belohnt.
Türkei: Sportlich deutlich reibungsloser kamen bislang die Türken durch das Turnier. Die Erwartungshaltung an die sehr junge Mannschaft war nicht hoch, sie konnte nur gewinnen - und das tut sie. Die Gruppenphase wurde überzeugend mit sechs Punkten beendet, einzig gegen Portugal (0:3) hatten die Türken das Nachsehen. Im Achtelfinale trafen sie auf Österreich. Durch kluge taktische Schachzüge von Trainer Vincenzo Montella und etwas Glück bei den Toren gelang der 2:1-Überraschungserfolg und damit der erste EM-Viertelfinaleinzug seit 2008.
Aufgrund des bisherigen Turnierverlaufs ist das Kräfteverhältnis nicht so klar wie vielleicht angenommen - dennoch werden die Niederländer aufgrund der höheren individuellen Qualität und des sehr guten Spiels gegen Rumänien als Favorit ins Spiel gehen.
Welche Themen gibt es neben dem Platz?
Nach der scharfen Kritik am Torjubel des türkischen Fußball-Nationalspielers Merih Demiral bei der EM will der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kurzfristig nach Berlin reisen, um sich das Viertelfinalspiel Türkei gegen die Niederlande im Stadion anzuschauen. Erdogan sagte dafür seine geplante Reise nach Aserbaidschan ab. In türkischen Medien hieß es, Grund sei die Debatte um den sogenannten "Wolfsgruß", den Demiral mit seinem Torjubel ausgelöst hatte. Erdogan wolle der türkischen Mannschaft den Rücken stärken. "Hoffentlich ist die ganze Sache am Samstag erledigt", sagte Erdogan, "wenn wir das Spielfeld als Sieger verlassen und in die nächste Runde einziehen".
Zu der Ankunft des türkischen Präsidenten oder eventuellen Einschränkungen im Verkehr wollte sich die Polizei nicht äußern. Es handle sich um einen "privaten Besuch", sagte eine Sprecherin dem rbb. Gegendemonstrationen im Zusammenhang mit dem Besuch Erdogans würden nicht erwartet.
Demiral hatte am Dienstag beim 2:1 im Achtelfinale gegen Österreich nach seinem zweiten Tor in Leipzig den sogenannten "Wolfsgruß" gezeigt, der unter anderem einer rechtsextremistischen Bewegung zugeordnet wird. Auch die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) kritisierte dies scharf. Der 26 Jahre alte Demiral hatte mit beiden Händen das Zeichen und Symbol der "Grauen Wölfe" geformt. Als "Graue Wölfe" werden die Anhänger der rechtsextremistischen "Ülkücü-Bewegung" bezeichnet, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
In der Türkei ist die ultranationalistische MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Der Gruß drückt in der Regel die Zugehörigkeit und das Sympathisieren mit der Bewegung und ihrer Ideologie aus. Demiral hatte gesagt, dass er mit der Geste nur ausdrücken wollte, dass er stolz sei, Türke zu sein und keine versteckte Botschaft dahinterstecke.
Wer feiert wo?
Die Fan-Lager der beiden Mannschaften werden dafür sorgen, dass es orange, rot und weiß in Berlin wird. Wie schon bei den bisherigen EM-Spielen in der Stadt werden sich die Fans der beiden Mannschaften an zwei verschiedenen Orten treffen. Die der Niederlande sollen am Nachmittag, wie schon bei ihrem Vorrundenspiel gegen Österreich, auf den Hammarskjöldplatz an der Messe Berlin pilgern und sich dort auf das Viertelfinale einstimmen. Von dort ziehen sie zum Olympiastadion.
Die Fans der türkischen Mannschaft wiederum werden sich gut vier Kilometer weiter östlich und entlang der Kantstraße erneut am Breitscheidplatz versammeln und ziehen von dort zum S-Bahnhof Charlottenburg. Wann die Fanmärsche beider Mannschaften genau losziehen und welche Dimension das annimmt, konnte die Polizei nicht beantworten. Eine Sprecherin rechnete aber um ca. 16 Uhr mit dem Start der Fanmärsche.
An beiden Orten sind von der Uefa so bezeichnete "Fan Meeting Points" eingerichtet, die den Rahmen für das Spektakel vor dem Spektakel bieten werden.
Wer macht die meiste Stimmung?
Die Frage lässt sich wohl erst spät in der Samstagnacht endgültig beantworten. Fest steht, dass beide Lager das Berliner Stadtbild am Wochenende prägen werden. Der orangefarbene Anhang der Niederlande hat bereits in der Vorrunde einen großen Marsch durch das Westend angetreten und zuletzt auch Hamburg, Leipzig und München - im wahrsten Sinne des Wortes - zum Beben gebracht. Angeführt von ihrem orangefarbenen Bus und angetrieben von Schlager spielenden DJs gehören sie von links nach rechts hüpfend zu den Highlights dieser EM. Ähnlich wie vor dem Österreich-Spiel dürften auch am Samstag mehrere Zehntausend Niederländer nach Berlin reisen.
Viele türkische Fans werden dann bereits da sein. Rund 200.000 türkischstämmige Menschen leben in der Hauptstadt, einige von ihnen dürften das Viertelfinale erneut lautstark begleiten. Zusammen mit aus anderen Teilen Deutschlands anreisenden Landsleuten werden sie Fahnen schwenken, hupen und singen. Die Vermutung liegt nahe, dass die türkischen Fans am Samstag in der Überzahl sein und das Spiel zu einem Heimspiel für ihre Lieblinge machen werden. Und sollte dieses Heimspiel mit einem türkischen Halbfinal-Einzug enden, müssen sich allen voran die Anwohner im Umkreis des Ku’damms auf eine laute bis schlaflose Nacht mit Autokorsos und Hupkonzerten einstellen.
Wie läuft der Ticketverkauf?
Umkämpft - so die kurze, aber zutreffende Antwort auf diese Frage. Von Seiten der Uefa gibt es selbstverständlich längst keine Tickets mehr für das Viertelfinale am Samstag zu kaufen. Wer dennoch unbedingt kurzfristig ins Olympiastadion möchte (und nicht Recep Tayyip Erdogan heißt), muss Ticketbörsen und digitale Marktplätze durchforsten - und viel Geld investieren. Auf Plattformen wie "Viagogo" und "Kleinanzeigen" reichen die Ticketpreise weit bis in den vierstelligen Euro-Bereich. Wenngleich die Preise für die Tickets eher zum Weinen sind, kann einen zumindest eines zum Schmunzeln bringen: Um die strengeren, aber nicht immer wirkungsvollen Schwarzmarkt-Kontrollen der Uefa zu umgehen, verkaufen Privatpersonen ihre Tickets mitunter als "2 Türkei-Bücher aus den Niederlanden", "Eine türkisch-niederländische Landkarte" oder "2 Türkei-Stühle für den perfekten Urlaub in den Niederlanden".
Wo wird das Spiel übertragen?
Der Free-TV-Sender RTL zeigt das Viertelfinale zwischen der Türkei und den Niederlanden am Samstag live und in voller Länge. Zusätzlich wird das Spiel auf RTL+ gestreamt, hierfür braucht es jedoch ein kostenpflichtiges Abo. Auch der Streamingdienst MagentaTV überträgt die Begegnung, auch hier wird ein kostenpflichtiges Abo benötigt.
Eine Alternative für diejenigen, die das Spiel nicht bei RTL MagentaTV verfolgen wollen oder dies nur von unterwegs tun können, bietet das rbb24 Inforadio. Ab 21 Uhr rollt der Ball am Samstag nicht nur auf dem Rasen des Olympiastadions, sondern auch live und in voller Länge im Radio.
Sendung: rbb24 Inforadio, 04.07.2024, 19:15 Uhr