Fußball-EM - "Wolfsgruß" wird zur Staatsaffäre - Erdogan kommt am Samstag nach Berlin

Do 04.07.24 | 13:22 Uhr
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Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei (Quelle: dpa/Marton Monus)
dpa/Marton Monus
Video: rbb24 Abendschau | 05.07.2024 | K. Breinig | Bild: dpa/Marton Monus

Der "Wolfsgruß" des türkischen Nationalspielers Demiral nach dem EM-Achtelfinale gegen Österreich hat hitzige Debatten ausgelöst. Nun will Präsident Erdogan am Samstag zum Viertelfinale gegen die Niederlande nach Berlin kommen.

  • Türkischer Präsident Erdogan will zum EM-Spiel Niederlande - Türkei kommen
  • Nach dem umstrittenen "Wolfsgruß" scharfe Kritik an dem Spieler Demiral
  • Uefa hat Untersuchung eingeleitet
  • Erdogans Bündnispartner MHP sieht "Provokation"
  • Botschafter beider Länder einbestellt

Nach der scharfen Kritik am Torjubel des türkischen Nationalspielers Merih Demiral will der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Samstag kurzfristig nach Berlin reisen, um sich das Viertelfinalspiel Türkei gegen die Niederlande im Stadion anzuschauen.

Erdogan sagte dafür seine geplante Reise nach Aserbaidschan ab, wie die Deutsche Presse-Agentur aus informierten Kreisen erfuhr. Erdogan wolle der türkischen Mannschaft den Rücken stärken.

Demiral mit rechtsextremistischer Geste

Innerhalb von Sekunden war Demiral vom gefeierten Helden zur streitbaren Figur geworden. Der Innenverteidiger war beim überraschenden 2:1-Erfolg im EM-Achtelfinale gegen Österreich durch seine beiden Tore die zentrale Figur. Nach Abpfiff wurde der 26-Jährige zum Spieler des Spiels gekürt. Demiral jubelte, wirkte euphorisiert - und zeigte in Richtung der mitgereisten türkischen Fans im Stadion mit beiden Händen den "Wolfsgruß".

Es ist das Symbol der "Grauen Wölfe". Als "Graue Wölfe" werden die Anhänger der rechtsextremistischen "Ülkücü-Bewegung" bezeichnet, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. In der Türkei ist die ultranationalistische MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Der Gruß drückt in der Regel die Zugehörigkeit und das Sympathisieren mit der Bewegung und ihrer Ideologie aus.

"Wie ich gefeiert habe, hat etwas mit meiner türkischen Identität zu tun", sagte Demiral: "Wir sind alle Türken, ich bin sehr stolz darauf, Türke zu sein, und das ist der Sinn dieser Geste." Er hoffe, dass es "noch mehr Gelegenheiten gibt, diese Geste zu zeigen". Doch hitzige Debatten und Reaktionen aus der Politik waren da bereits im vollen Lauf.

Was sagt der Verfassungsschutz über die "Grauen Wölfe" in Deutschland?

Die Ableger der "Grauen Wölfe" in Deutschland werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Der stuft die Gruppierung als eine "erhebliche Bedrohung für die freiheitlich demokratische Grundordnung" ein. Der Ideologie der "Ülkücü"-Bewegung wird im Verfassungsschutzbericht 2023 ein "übersteigerter Nationalismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" wie Rassismus und Antisemitismus attestiert. Mit mehr als 12.000 Anhängern ist sie eine der größten rechtsextremen Gruppen in Deutschland.

Ein großer Teil davon sei in Vereinen organisiert, die wiederum unter dem Dach größerer Verbände in Deutschland zusammengeschlossen sind. Als mitgliederstärkster Verband gilt die Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland (ADÜTDF) mit rund 7.000 Mitgliedern in über 200 Ortsvereinen. Auch die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V (ATIB) und die Föderation der Weltordnung in Europa (ANF) sind mit je rund 2.500 und 1.000 Mitgliedern vertreten.

Uefa ermittelt - Innenminsterin Faeser kritisiert

Nach dem umstrittenen Wolfsgruß-Jubel Demirals hat die Europäische Fußball-Union (Uefa) eine Untersuchung eingeleitet. Der Verband begründete dies mit dem "mutmaßlich unangemessenen Verhalten" des 26-Jährigen. Weitere Informationen wird die Uefa "zu gegebener Zeit" veröffentlichen. Sollte Demiral bestraft werden, könnten ihm Folgen für das anstehende Viertelfinale drohen.

Dazu übte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Mittwoch scharfe Kritik. "Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen", schrieb die SPD-Politikerin bei X. Die EM "als Plattform für Rassismus" zu nutzen, sei "völlig inakzeptabel". Die Sicherheitsbehörden hätten "türkische Rechtsextremisten in Deutschland fest im Blick".

Bundesagrarminister Cem Özdemir fordert Konsequenzen

Bundesagrarminister Cem Özdemir fordert Konsequenzen. "Seine Botschaft ist rechtsextrem, steht für Terror, Faschismus", schrieb der Grünen-Politiker auf der Plattform X mit Blick auf den Gruß. Die Europäische Fußball-Union UEFA müsse Konsequenzen ziehen.

Özdemir fügte hinzu: "Ich frage mich, warum das Zeigen des Symbols des Grauen Wolfes nicht auch bei uns längst verboten ist. Diese rechtsextreme Geste steht für widerlichen Antisemitismus und die Vertreibung der letzten Christen aus dem Siedlungsgebiet der Urchristen." Österreich habe den Gruß zurecht unter Strafe gestellt, das müsse auch in Deutschland gelten, bekräftigte der Grünen-Politiker.

Auch die Kurdische Gemeinde in Deutschland fordert ein Verbot der Geste. "Fans übernehmen solche Zeichen, unter türkischen Jugendlichen auch in Deutschland gilt es als cool, rechtsextrem zu sein", erklärte der Bundesvorsitzende Ali Toprak. "Man stelle sich vor, ein österreichischer Spieler hätte nach einem Torschuss einen Hitlergruß gezeigt."

Unterstützung aus Heimatland

Aus seinem Heimatland erhielt Demiral hingegen Rückendeckung. Der Chef der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahceli, nannte die Einleitung des Verfahrens durch die UEFA eine "Provokation". Bahceli bezeichnete die Ermittlungen als "äußerst voreingenommen und falsch".

Das türkische Außenministerium hat mit deutlichen Worten auf die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser geübte Kritik bezüglich des Wolfsgruß-Jubels von Demiral geantwortet. "Die Reaktionen der deutschen Behörden auf Herrn Demiral sind selbst fremdenfeindlich", teilte das Außenministerium am Mittwoch mit. Der deutsche Inlandsgeheimdienst habe in seinem Bericht betont, dass "nicht jeder, der das graue Wolfszeichen macht, als Rechtsextremer bezeichnet werden kann".

Man verurteile "die politisch motivierten Reaktionen auf die Verwendung eines historischen und kulturellen Symbols in einer Weise, die niemanden während der Feier bei einer Sportveranstaltung anspricht", hieß es weiter. Beide Nationen bestellten in der Affäre den jeweiligen Botschafter des anderen Landes ein.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.07.2024, 13:20 Uhr

 

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41 Kommentare

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  1. 41.

    wird zeit das die Mannschaft rausfliegt. alles auf Spanien!

  2. 40.

    Eine Provokation nach Österreich, wo dieses Handzeichen verboten ist. Pfui nach einen Tor und glücklichen Sieg so fies nachzutreten. Peace Zeichen wäre sportlicher gewesen!
    Hier in Deutschland hat der türkische Wolfsgruß bisher keine große Beachtung gefunden.
    Diese Geste mit der Hand bedeutet Leisefuchs, Schweigefuchs, Flüsterfuchs oder auch Lauschefuchs und ist eigentlich unpolitisch. Türkische Rechtsextremisten verwenden dieses Handzeichen als sogenannten Wolfsgruß in der Ülkücü-Bewegung die Grauen Wölfe.
    Um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen, würde ich dieses Handzeichen jetzt auch in Deutschland verbieten.

  3. 39.

    Warum wird wegen dem "Wolfsgruß" so ein Theater gemacht? Er ist nicht verboten!

  4. 37.

    An Kommentar 34 + 35:
    Natürlich wusste Demiral genau, was er da macht ...

    Ich habe deshalb auch meinen Kommentar mit "Übrigens" begonnen und war der Meinung, dass der Hinweis auf eine ,andere Bedeutung' auch so verstanden wird.
    Habe ich wohl falsch gedacht ... aber immer wieder schön, wie die Kommentatoren hier sofort ,anspringen'!

  5. 36.

    sabi:
    "Haben wir nicht viele grundsätzliche Probleme, denen man sich schnellstens widmen sollte?
    ,Wir' verlieren uns im Klein-Klein ... ohne Lösungen zu suchen."

    Rechtsextremismus ist ein grundsätzliches Problem und kein "Klein-Klein"!

  6. 35.

    Genau so wird es Demiral auch gemeint haben. War ja auch ziemlich lau im Stadion. das kann bei sensiblen Menschen schon mal Kopfschmerzen und Irritationen auslösen. : (

  7. 34.

    Durchaus bekannt; aber glauben Sie, der türkische Spieler wollte das Publikum im Stadion zum Schweigen bringen bzw. mit lustigen Tierimitationen aufheitern?

  8. 32.

    Übrigens ist das Zeichen in dt. Kitas/Schulen als Schweige- oder Leisefuchs bekannt, wenn Ruhe in die Gruppe/Klasse kommen soll.

  9. 31.

    Sehen wir es positiv, Herr Erdogan kommt sicher nach Deutschland, um sicher zu gehen, das sich seine Landsleute korrekt verhalten. Als Mitglied der NATO und Verbündeter, liegt ihm sehr viel an guten Beziehungen zu Deutschland.

  10. 30.

    Ohne relativieren zu wollen, was soll dieses Theater?
    Dem "Wolfsgruß" wird (wie auch vielen anderen Dingen in letzter Zeit) wird eine ,riesige' Aufmerksamkeit in allen Medien ect. geschenkt.
    Dieser ,Gruß' ist in Deutschland nicht verboten!

    Haben wir nicht viele grundsätzliche Probleme, denen man sich schnellstens widmen sollte?
    ,Wir' verlieren uns im Klein-Klein ... ohne Lösungen zu suchen.

  11. 29.

    Ich kenne dieses Zeichen durch meine Lehrerausbildung als "Schweigefuchs", das zeigt man den Schülern, wenn sie ruhig sein sollen (aber nur mit einer Hand und auch nicht so weit ausgestreckt, eher mit angewinkeltem Ellenbogen), wirkte bisher ganz gut... Wusste nicht, dass es auch der Wolfsgruß ist. Hoffe, die Schüler (und Eltern!) und glauben mir das....

  12. 28.

    Es gibt jetzt also wirklich einen Präsidenten in Berlin für den wieder die S-Bahn gesperrt wird parallel zu einem Fußballspiel. Das ja interessant.

  13. 27.

    Erdogan kommt Samstag nach Berlin und will ins Olympiastadion?

    Gut, dass ich da nicht in der Stadt bin. Da wird die Bundespolizei ja wieder die halbe Stadt abriegeln und den ÖPNV einstellen lassen.

    Mal sehen, ob die Fans es bis ins Stadion schaffen...

  14. 26.

    Sie können sich sicher sein, dass Demiral wusste, was es bedeutet und nur das ist wichtig.

  15. 25.

    Ich bin mir relativ sicher, dass ein Demiral oder wer auch immer es sich in Österreich z.B. sehr genau überlegt hätte, ob er diese Geste macht oder lieber doch nicht. Und hätte er sie dort ein Mal gemacht und hätte angekündigt, es weiterhin tun zu wollen, hätte das definitiv Folgen für Ihn nach sich gezogen. Genau darum geht es. Er wusste, dass diese Geste in Deutschland (noch) nicht verboten ist, sondern "nur" umstritten und ich bin mir relativ sicher, dass er sie genau deswegen gezeigt hat. Für mich war das nichts weiter als reine Provokation.

  16. 24.

    Marion.
    Das ist auch meine feste Meinung. Sowas ist nicht zu entschuldigen.

  17. 23.

    Das finde ich auch, vorallem wußte ich bis gestern noch garnicht was das bedeutet, jetzt weiß es auch der Rest der Nation.

  18. 22.

    .......jeden zweiten Türken veranlassen, diesen Gruß zu zeigen".
    Welche Studie bringt das fertig in kurzer Zeit?

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