Grenzfluss - Polen beschließt Sondergesetz zur Oder – Salzgehalt im Fluss sehr hoch
In Polen sollen laut einem neuen Gesetz die Wassereinleitungen in die Oder überprüft werden. Zudem soll der Oderausbau vorangetrieben werden – trotz Protest aus Deutschland. Zudem warnen Experten vor einem erneuten Fischsterben.
Das polnische Parlament hat mit der Regierungsmehrheit am Donnerstagabend ein Sondergesetz zur Oder beschlossen. Polen reagiert mit dem Gesetz auf das massenhafte Fischsterben in der Oder, zu dem es im vergangenen Sommer gekommen war. Experten in Deutschland und Polen kamen zu dem Schluss, dass höchstwahrscheinlich die toxische Wirkung einer Blüte einer giftigen Goldalge den Tod der Fische verursacht hatte.
Ausbauarbeiten werden fortgesetzt
Nach dem neuen Gesetz sollen neue Rückhaltebecken dazu führen, dass weniger Abwässer in den Fluss gelangen. Einleit-Genehmigungen sollen in den nächsten anderthalb Jahren überprüft werden und eine neue Behörde soll die Abwässer kontrollieren. Die Strafen für Verstöße gegen die Abwasserordnung wurden angehoben.
Im Gesetz steht, was an der Oder künftig gebaut werden darf. Unter anderem sollen unterhalb von Breslau zwei weitere Staustufen gebaut und der Buhnenausbau an der deutsch-polnischen Grenzoder vorangetrieben werden. Der ist gerade in vollem Gange, obwohl er vom Obersten Verwaltungsgericht in Warschau vorläufig untersagt wurde. Experten des IGB forderten Ende Juni in einem Bericht ein Umschwenken auf naturbasierte Lösungen bei Flussbau und Hochwasserschutz. Umweltministerin Steffi Lemke forderte (Grüne) einen Stopp der Oder-Ausbau. "Die Wissenschaft zeigt uns auf, dass dies zur Erholung und Renaturierung der Oder unerlässlisch ist", so Lemke.
So warm, flach und salzig wie im vergangenen Sommer
Deutsche Nicht-Regierungsorganisationen hatten gegen den Oder-Ausbau geklagt. "Wir haben jetzt über unsere polnischen Partner Klage eingereicht bei den Gerichten in Gorzów Wielkopolski und Stettin, weil die Staatsanwaltschaft nicht einschreitet", sagt Sascha Maier vom Aktionsbündnis Lebendige Oder dem rbb. Eine erste Entscheidung erwarte Maier in etwa einer Woche. Mit dem neuen Oder-Sondergesetz sollen die Genehmigungswege für den Oder-Ausbau verkürzt werden.
Derzeit ist der Fluss ist nach Daten der Messtation des Landesamtes für Umwelt in Frankfurt (Oder) so warm, so flach und so salzig wie im vergangenen Sommer. An der Messstelle ist der Wert für die elektrische Leitfähigkeit – und damit für den Salzgehalt – in den vergangenen Tagen auf 2.160 Mikrosievers pro Zentimeter geklettert und liegt damit doppelt so hoch wie der normale Wert.
Wissenschaftler warnt vor neuen Algenstämmen
Die Goldalge, die im vergangenen Jahr die Fische vergiftet hatte, ist wieder nachweisbar aktiv – wenn auch zunächst an einem Zufluss im polnischen Oberlauf. "Wir haben vor wenigen Wochen schon große Mengen der Goldalge im Gleiwitzer Kanal gehabt", sagt Jan Köhler vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei dem rbb. "Wenn sie abgelassen würden in die Oder, dann würden wir sie sicherlich nach wenigen Tagen auf dem deutschen Gebiet der Oder haben", sagt der Wissenschaftler.
Köhler hatte im vergangenen Jahr die Goldalge Prymnesium Parvum als Todesursache für die Fische ermittelt. Doch offenbar seien verschiedene Stämme der Goldalge in der Oder aktiv. "Es kann genauso gut sein, dass sich ein anderer Stamm in der Oder durchsetzt, der vielleicht auch an noch weniger Salz angepasst ist", so Köhler.
Ein Indiz für eine Anpassung der Goldalge an neue Bedingungen könnte der Czernice-Stausee bei Breslau sein, wo schon im April bei deutlich geringerer Salzbelastung etwa 1.000 Kilo Fische gestorben sind. Salz – in diesem Fall das Kochsalz Natriumchlorid - sei die entscheidende Bedingung für die Existenz der tödlichen Alge, sagt Köhler. Deshalb müssten die Einleitungen durch die polnische Bergbauindustrie aufhören, fordert der Wissenschaftler.
Sendung: Antenne Brandenburg, 14.07.2023, 16:10 Uhr