Wohnungsmarkt in Berlin - Was hinter den vielen Wohnungstausch-Inseraten steckt

Mo 24.07.23 | 06:07 Uhr | Von Frank Drescher
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Symbolbild: Personen helfen beim Umzug in eine Wohnung in Berlin (Quelle: IMAGO/Thomas Imo)
Video: rbb24 Abendschau | 24.07.2023 | Frank Drescher | Bild: IMAGO/Thomas Imo

Preiswerte Wohnungen gibt es fast nur noch als Tauschangebote. Dahinter stecken zwei Anbieter von Tauschbörsen. Eigentlich eine gute Sache, doch ein Wohnungstausch ist mit Hürden verbunden. Von Frank Drescher

So ähnlich wie Olaf geht es vielen: Er lebt inzwischen allein, und seine dreieinhalb Zimmer in Neukölln sind ihm jetzt zu groß. Aber weil er einen alten Mietvertrag hat, zahlt er keine 500 Euro warm. Gern würde er in seinem angestammten Kiez bleiben.

Doch für eine 2-Zimmerwohnung in der Gegend würde er locker das Doppelte loswerden. Dabei suchen junge Familien händeringend nach Wohnungen wie seiner.

Eine Rechnung mit vielen Unbekannten

Die scheinbar naheliegende Lösung wäre: Olaf tauscht seine Wohnung. Theoretisch ist es möglich, dass er die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag von jemand anderem übernimmt und umgekehrt. Allerdings muss er dann nicht nur einen Tauschpartner finden, sondern auch sein und dessen Vermieter müssen dem Tausch zustimmen.

Und das ist der springende Punkt, erklärt Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein: "Es besteht überhaupt keine Pflicht des Vermieters, einen vorgeschlagenen Nachmieter auch anzunehmen. Das ist eine Fehlvorstellung vieler Mieter, die denken, wenn ich jetzt drei Nachmieter vorschlage, muss einer genommen werden. Das ist nicht so."

Zudem ist es für den Vermieter lukrativer, einen neuen Mietvertrag abzuschließen, bei dem er eine höhere Miete ansetzen kann als bei der Umschreibung eines Bestandvertrags. Deswegen würde sich Olafs Vermieter auf einen Wohnungstausch auch nicht einlassen, vermutet er: "Denn die wollen die Wohnung sanieren, weil sie dann hinterher 1.000 Euro kalt dafür nehmen können."

Wohnungstausch als Geschäftsmodell?

Trotzdem sind Portale wie Immobilienscout24 oder Immowelt voller Angebote für Wohnungstausche. Erst bei näherem Hinsehen fällt auf: Hinter nahezu allen Angeboten für günstige Wohnungen handelt es sich nicht etwa um Inserate von Privatpersonen, sondern um Inserate zweier Tauschbörsen-Anbieter, wohnungsswap.de und tauschwohnung.com.

Beide vermarkten dort Tauschgesuche aus ihren eigenen Datenbanken weiter. Wer eine der bei Immoscout oder Immowelt angebotenen Wohnungen anklickt, wird zu den Tauschbörsen weitergeleitet. Dort ist eine Registrierung erforderlich, außerdem muss man die eigene Wohnung zum Tausch anbieten und Anschrift, Etage, Wohnungsgröße und derzeitige Miete angeben.

Das Angebot von Wohnungsswap wirkt widersprüchlich: Auf der Startseite preist der Anbieter seinen Dienst als gratis an, doch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten umfangreiche Regelungen zu Zahlungsbedingungen. "Es ist zur Zeit kostenlos, eine Anzeige bei uns aufzugeben. Allerdings werden wir in Zukunft eine Premium-Version erstellen, für die Sie bezahlen müssen, um Zugriff auf den gesamten Service zu erhalten", erklärt dazu der Kundenservice von Swapwohnung. Auf einen weitergehenden Fragenkatalog erhält rbb|24 keine Antwort.

Bei Tauschwohnung ist die Nutzung der Tauschbörse in bestimmten Städten kostenpflichtig. In Berlin kostet sie je nach Dauer des Abos zwischen 8 und 20 Euro, in Potsdam zwischen 4,80 und 10 Euro. Im übrigen Brandenburg hingegen ist der Dienst kostenlos. John Weinert, Geschäftsführer von Tauschwohnung.com, erklärt im Gespräch mit rbb|24, dass Tauschwillige auf seiner Plattform, die bundesweit sowie in Teilen der Schweiz aktiv ist, durchschnittlich nach vier Monaten einen Tauschpartner finden würden.

Erfolgsquote kommunaler Wohnungstauschbörsen

Allerdings will Tauschwohnung.com neben den Abogebühren tauschwilliger Wohnungssuchender noch eine weitere Einnahmequelle erschließen: Den Betrieb von Wohnungstauschbörsen im Auftrag von Städten. Für Freiburg im Breisgau und Düsseldorf betreibt die Firma schon solche Tauschbörsen, sie sind für die Tauschwilligen kostenlos. 329 Mal haben in Düsseldorf seit November 2020 Tauschwillige ein Inserat auf der Plattform geschaltet. Dabei ist laut Stadtverwaltung bisher nur ein Tausch zustandegekommen.

In Freiburg gibt es das Angebot seit Juni 2021. Dort unterstützt die Stadt den Wohnungstausch mit 2.000 Euro für die Tauschpartei, die sich verkleinert. Bei 927 Tauschgesuchen sind dort 26 erfolgreiche Tauschvorgänge bekannt geworden. Es könnten aber auch mehr sein, erklärt die Stadtverwaltung; sie erfahre nicht unbedingt davon, wenn ein Tausch zustandekomme.

Auch in Berlin gibt es eine Wohnungstauschbörse, aber nur für Mieterinnen und Mietern der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Von 17.000 Tauschangebote seit 2018 waren 1.000 erfolgreich. Das ist im Vergleich mit Düsseldorf und Freiburg die höchste Erfolgsquote. Warum aber auch in Berlin die Mehrzahl der Tauschgesuche erfolglos bleibt, liegt laut dem Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) an einem Missverhältnis: Auf einen Haushalt, der sich verkleinern will, kämen fünf, die sich vergrößern wollen.

Ohne Rechtsanspruch ein Nischenphänomen

Bei Tauschwohnung.com gebe es auch so ein Missverhältnis, räumt John Weinert ein, wenngleich es kleiner sei. "Wir schauen, wie wir unser digitales Angebot auch analog zugänglich machen können", sagt er. Er vermutet, dass vor allem wenig digital-affine Ältere in zu großen Wohnungen leben, aber an einem Tausch interessiert sein könnten und dazu erst einmal von der Möglichkeit erfahren müssten.

Seit Jahrzehnten steigt in Deutschland die verfügbare Wohnfläche pro Kopf, und es gibt immer mehr Ein-Personen-Haushalte, von denen etliche wie Olaf in zu großen Wohnungen leben. Angesichts einbrechender Neubauzahlen sagt Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein: "Tauschbörsen können eine größere Verteilungsgerechtigkeit herbeiführen."

Dazu müsste es für die interessierten Mietparteien allerdings einen Rechtsanspruch geben. In Österreich gibt es den schon. In § 13 des österreichischen Mietrechtsgesetzes ist detailliert geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Vermieter einem Wohnungstausch zustimmen muss.

Sendung: rbb24 Abendschau, 23.07.23, 19:30 Uhr

Beitrag von Frank Drescher

47 Kommentare

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  1. 47.

    Sollte man ihre Zahl annähernd nachvollziehen können, sind es im Vergleich zum Gesamtmarkt in Berlin immer noch so wenig Menschen, dass die aktuellen Gesetze bei denBerliner stadteigenen Wohnungsbaugesellschaften vollkommen ausreicht. Ein extra Gesetz braucht es nicht. Weniger Staatseingriffe sind immer besser für die Menschen.

  2. 46.

    Stimmt, wäre es ein für viele interessantes Thema müssten es doch mehr als diese 5% sein. Ich stimme Ihnen zu.

  3. 44.

    Die Verluste Sozialisieren und die Gewinne Privatisieren und am Ende wundert man sich, warum der Klempner nicht kommt, weil die ehemals durchschnittlich verdienende Mittelschicht aus Handwerkern, Krankenschwestern und mittleren Angestellten wie meist vergessen werden, und besonders junge Familien abwandern. Solange es noch vernünftige Gegenden gibt.

  4. 43.

    Ein Gesetz, nicht von Stümpern gemacht, daß den asymmetrischen Wohnungsmarkt, wieder etwas in das Gleichgewicht bringt ist sowieso notwendig. Die Lobbyarbeit, wie man in den Kommentaren sieht, ist ja schon in vollem Gange. Ein für die Mieter rechtssicherer weg zum Wohnungstausch, zu machbaren Bedingungen. Schafft zwar auf dem Papier keinen einzigen m2 mehr, durch die bessere Verteilung in der Realität schon. Hohe Renditeerwartungen bürgen auch ein hohes Verlustrisiko. Besonders wenn diese schon längere Zeit realisiert wurden, daß lernt jeder schon im 1,Semester Betriebswirtschaft.

  5. 42.

    Wenn man das auf alle Wohnungen umrechnet, sind das schon 100000 Haushalte mit AKTIVEN Interesse, was ich als äußerst hoch einschätze. Im Sinne aller liegt es auch und es werden , nach seltsamen Gegenargumenten. Netto keine Wohnungen vom Markt genommen, da bei glücklichen Tausch diese Mieter aus dem Rennen sind und wohl erstmal nicht wieder einsteigen, um vielleicht doch etwas Bezahlbares zu finden. Ich halte all diese Argumente für gezielte oder auch private Lobbyarbeit, weil sinkende Nachfrage die Renditeerwartungen schmälert.

  6. 41.

    "Wir" müssen als Mieter vor allen Dingen mal wieder leiser und rücksichtsvoller werden!!
    Ich persönlich brauche als Nachbarn keine WG oder Mieter auf Zeit!

    Sind Sie berufstätig?

    Bei der hohen Miete die ich zahle und für die ich hart arbeite, möchte ich auch vernünftige Nachbarn haben.

  7. 40.

    Man braucht hier keinen Rechtsanspruch, weil es in Berlin bereits eine Wohnungstauschbörse für Mieterinnen und Mieter der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, das sind über 300.000 Wohnungen. Da gab es gerade mal 17.000 Tauschangebote, somit scheint es für die Mehrheit der Menschen nicht von Interesse zu sein. Der Staat sollte hier also nicht mit einem Gesetz eingreifen.

  8. 39.

    Das Problem ist, dass die meisten Wohnungen so herab Gewerkschaften wurden, dass dann ein Mieterwechsel zur Kernsanierung genutzt werden muss. Da sich die Kosten dann beim neuen Mieter refinanzieren müssen, führt automatisch zu einer höheren Miete.

  9. 38.

    Es ist nur eine Mietwohnung. Es gibt super viele WGs in Deutschland. Wir müssen anfangen flexibler zu werden, um ein Teil der Lösung statt Ursache des Problems zu sein. Das Teilen der Wohnung schützt auch vor weiterer Vereinsamung dec Menschen.

  10. 37.

    Ja, das ist korrekt. Ergänzen möchte ich noch, dass staatliche Eingriffe die Situation noch verschlimmern wird wie die Erfahrung in anderen Ländern zeigt. Diejenigen, die finanziell überfordert sind, sollten dann Wohngeld bekommen.

  11. 36.

    Wohnungstauschbörsen genauso wie Mitfahrzentrale sollten Allgemeingut sein u da müssten unbedingt in der Hand des Staates liegen und Sie müssen kostenfrei sein und es dürfte daran nicht verdient werden dürfen

  12. 35.

    Das Tauschmodell ist ja keine Lösung für den massenhaft fehlenden Wohnraum. Sachgerecht ist einzig, Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen, also neuen Wohnraum zu schaffen. Andernfalls passiert das, was bei mangelndem Angebot und hoher Nachfrage typischerweise passiert: Die Preise steigen. Am Ende nicht mal mehr das, weil nichts mehr zum Vermieten da ist. Aber erklär das mal einer den Sozialisten und Kommunisten im Berliner Senat. Selbst Honecker hat es schneller begriffen, als diese vorgeblich ökologischen Weltverbesserer.

  13. 34.

    Und wenn man von einer kleinen Wohnung in eine gleichgroße Wohnung umziehen will / muss? Solche Fälle soll es geben.

  14. 33.

    Antwort auf Klärwerk
    Danke für die Infos haben Mittwoch Mieterbeiratssitzung und werde berichten über das ganze und Maßnahmen ergreifen zusammen mit den Mieterrat in unserem Kiez.

  15. 31.

    Ich weiß nur eins: Dort wo ich bereits in Berlin "wohnen durfte", gab es ne Menge Studenten-WG's, Touristen, Mieter auf Zeit, "WBS" und somit viele Menschen ohne Berufstätigkeit. Leider haben selbige gerne die Nacht zum Tag gemacht.
    Jetzt wohne ich teuer in einem Haus mit privaten Eigentümern und es geht halbwegs.
    Aber auch dort bin ich die Einzige, die morgens um 6:45 Uhr das Haus verlässt.
    Alle anderen sind Töchter mit viel Freizeit(reich geerbt oder so), Freelancer, "Künstler", Hipster usw.
    Merkwürdigerweise Leute, die offenbar wenig arbeiten müssen. Ist dann schwierig, wenn man selbst abends vom
    Arbeitstag müde ist und nachts schlafen möchte!

  16. 30.

    Ich kann hierzu raten: Wir haben der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Vermieterin, als sie von uns bewohnte Wohnungen zum Höchstpreis verkaufen wollte, Beine gemacht, indem wir laut geworden und an die Öffentlichkeit gegangen sind. Nicht schön für die Behörde war auch, das Finanzministerium(als vorgesetzte Behörde)in Kenntnis zu setzen(was allerdings ja nur im Fall der BImA geht bzw. bei den 6 Städtischen kann man den Senat einschalten ...).
    Richtig unangenehm war der BImA die immer wiederholte Berichterstattung über unsere Treffen, bei denen sich dann sukzessive PolitikerInnen der meisten Parteien eingeschaltet hatten (waren zwar in Sachen Wählerfang unterwegs, war trotzdem für unsere Sache gut). Auch wenn man insgesamt etwas gutsherrenhaft tat, genützt hat der Druck doch: Verkaufsstopp und Festsetzung eines Preisdeckels für den m2. Langfristig werden Vermieter um eine Verpflichtung, Wohnflächen und Personenanzahl je Wohnung gerechter zusammenzubringen, nicht herumkommen.

  17. 29.

    Woher haben Sie diese Informationen, dass es nur noch wenige Menschen gibt, die morgens früh raus müssen, arbeiten gehen und abends müde nach Hause kommen. Es gibt also keine Betriebe mehr, keine Fabriken, Produktionsstätten, wo Arbeiter und Angestellte tätig sind? Können Sie das irgendwie belegen? Was machen Sie denn so den ganzen Tag?

  18. 28.

    Ich muss echt lachen!
    Wenn's mal wenigstens so wäre!
    Lustig.
    Es gibt ja in Berlin nur noch wenige Menschen, die morgens früh raus müssen, ARBEITEN gehen und abends müde nach Hause kommen.

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