Tarifverhandlungen mit Lokführern - Bahn rechnet mit Streiks noch vor Weihnachten
Erst im August hat sich die Deutsche Bahn nach einer Schlichtung mit der Gewerkschaft EVG geeinigt. Nun steht sie zum zweiten Mal in diesem Jahr vor einem Arbeitskampf - nun mit der Lokführer-Gewerkschaft GDL. Von Johannes Frewel
- Bahnkunden müssen sich noch vor Weihnachten auf mögliche Streiks einstellen
- Nach der Gewerkschaft EVG liegt die Bahn jetzt im Tarifstreit mit der GDL
- Diese fordert monatlich 555 Euro mehr Gehalt für Lokführer plus weniger Arbeitsstunden
Die Deutsche Bahn steuert auf den nächsten Tarifstreit zu. Seit Februar stritt sie zunächst mit der mitgliederstarken Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hart über einen Tarifabschluss. Zweimal legte die EVG den Bahnverkehr bei Warnstreiks stundenlang nahezu flächendeckend lahm.
Nach einer zweiwöchigen Schlichtung wurde der Arbeitskampf erst im August befriedet. In zwei Stufen erhalten rund 180.000 Bahnmitarbeiter monatlich 410 Euro mehr Geld - 200 Euro ab 1. Dezember und ab 1. August 2024 210 Euro mehr. Dazu kommen für einen Teil der Beschäftigten Zuschläge in der Tariftabelle. Aus Sicht des bundeseigenen Bahnkonzerns war das die teuerste Lohnerhöhung ihrer Geschichte.
Jedenfalls bisher, denn am Dienstag läuft der Tarifvertrag mit den Lokführern aus. Das Ziel der Lokführergewerkschaft GDL ist es, für ihre Mitglieder, die vor allem in Jobs auf und rund um den Zug arbeiten, die Arbeitsbedingungen berufsspezifisch zu verbessern. Statt 410 Euro fordert die GDL monatlich 555 Euro mehr Geld. Vor zwei Jahren konnte sie lediglich 3,3 Prozent Lohnzuschlag erreichen. Die deutlich höhere Inflation verschlang das Plus und führte zu Kaufkraftverlust.
GDL hält Vier-Tage-Woche für Zugpersonal für möglich
Besonders teuer könnten für die Bahn jedoch die Forderungen der Lokführer nach Arbeitszeitkürzungen werden. Statt 38 wollen GDL-Mitglieder noch 35 Stunden arbeiten. So könnte für Mitarbeitende im Schichtdienst auch die Möglichkeit auf eine Vier-Tage-Woche eröffnet werden.
"Die Verbesserung im Arbeitszeitsystem ist für uns der einzig richtige Schritt, um dem Fachkräftemangel im Eisenbahnsystem zu begegnen", begründete der GDL-Chef Claus Weselsky die Tarifforderung. Ihm ist seinen Worten zufolge klar, dass es an dieser Stelle am Verhandlungstisch besonders problematisch wird: "Wir werden sicherlich nette und heftige Diskussionen mit der Arbeitgeberseite bekommen."
Der Bahn-Personalvorstand Martin Seiler ließ schon mal zusammenrechnen, wie teuer die GDL-Forderungen für die Bahn werden könnten. "Die Ausgangslage ist extrem schwierig", resümiert er den Forderungskatalog der Gewerkschaft: "Wenn wir die Forderungen der GDL erfüllen würden, würden unsere Personalkosten über 50 Prozent steigen", sagte er. Das sei für den Arbeitgeber Bahn "so nicht umsetzbar und erfüllbar".
Bahn müsste 10.000 Menschen zusätzlich einstellen
Die Vier-Tage-Woche würde nach Arbeitgeberberechnung dazu führen, dass die Bahn rund 10.000 Menschen im Schichtdienst zusätzlich einstellen müsste. Das würde nicht nur erhebliche Kosten verursachen und die Finanzen der Bahn weiter drücken. Auch gibt es diese zusätzlichen Fachleute am Arbeitsmarkt nicht.
Die Bahn scheiterte mit dem Vorschlag, die Tarifrunde von Anfang an von Schlichtern moderieren zu lassen. Die GDL wies das mit dem Hinweis zurück, dafür hätte man die Tarifrunde einfach nur rechtzeitig vor dem Ende der Friedenspflicht beginnen müssen, was nicht erfolgt sei. Das Klima zwischen Arbeitgebern und Lokführern wirkt stark belastet. "Wir sind es leid zuzuschauen, wie 3.500 Führungskräfte in diesem Konzern sich selbst hohe Grundgehälter und hohe Boni in die Taschen schanzen", entrüstete sich Weselsky, "während sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Gürtel enger schnallen unter der Überschrift, wir müssen aber maßhalten".
Harte Arbeitskämpfe bei der Bahn vor Weihnachten möglich
Alle Signale zeigen bereits vor dem Auftakt der Tarifrunde am 9. November in Richtung harte Arbeitskämpfe. GDL-Chef Weselsky stellte eine zügige Urabstimmung in Aussicht, um die Tarifrunde mit Arbeitskämpfen zu eskalieren. Er erwartet, "dass die Kampfansage Richtung roter Riese eine Welle auslösen wird".
Die Bahn rechnet mit Streiks noch vor Weihnachten. Eine Schlichtungsvereinbarung, um den Konflikt ähnlich wie bei der EVG zu einer Einigung zu bringen, gibt es zwischen Bahn und GDL nicht.
Viele GDL-Mitglieder bekommen derzeit bessere EVG-Löhne
Auch wenn der GDL-Tarifabschluss noch in weiter Ferne scheint, werden zahlreiche Mitglieder der Lokführer-Gewerkschaft bereits vor Weihnachten vom EVG-Tarifvertrag profitieren. Die Bahn zählt in ihren rund 300 Betrieben 220.000 Beschäftigte. Nur in 18 Betrieben hat die GDL mehr Gewerkschaftsmitglieder als die EVG und verhandelt dort die Tarifbedingungen.
Weil die Bahn als Arbeitgeber ihre Beschäftigte nicht nach Gewerkschaftsmitgliedschaft fragen darf, zahlt sie in EVG-Tarifbetrieben ohne Unterschied allen den dort geltenden Tarif. Auf diese Weise werden auch zahlreiche GDL-Mitglieder in EVG-Tarifbetrieben schon dann mehr Geld bekommen, wenn die Lokführergewerkschaft noch um einen Abschluss streitet.
In einer früheren Version des Artikels hatten wir geschrieben, dass Bahnmitarbeiter ab Dezember monatlich jeweils 410 Euro mehr Geld bekommen.
Das ist nicht korrekt. Sondern: Die rund 180.000 Bahnmitarbeiter erhalten 410 Euro mehr Geld - 200 Euro ab 1. Dezember 2023 und ab 1. August 2024 210 Euro mehr.