Tarifverhandlungen mit Lokführern - Bahn rechnet mit Streiks noch vor Weihnachten

Di 31.10.23 | 11:42 Uhr | Von Johannes Frewel
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Symbolbild: Ein Lokführer fährt im Führerstand eines ICE. (Quelle: dpa/M. Schutt)
Audio: rbb24 Inforadio | 30.10.2023 | Johannes Frewel | Bild: dpa/M. Schutt

Erst im August hat sich die Deutsche Bahn nach einer Schlichtung mit der Gewerkschaft EVG geeinigt. Nun steht sie zum zweiten Mal in diesem Jahr vor einem Arbeitskampf - nun mit der Lokführer-Gewerkschaft GDL. Von Johannes Frewel

  • Bahnkunden müssen sich noch vor Weihnachten auf mögliche Streiks einstellen
  • Nach der Gewerkschaft EVG liegt die Bahn jetzt im Tarifstreit mit der GDL
  • Diese fordert monatlich 555 Euro mehr Gehalt für Lokführer plus weniger Arbeitsstunden

Die Deutsche Bahn steuert auf den nächsten Tarifstreit zu. Seit Februar stritt sie zunächst mit der mitgliederstarken Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hart über einen Tarifabschluss. Zweimal legte die EVG den Bahnverkehr bei Warnstreiks stundenlang nahezu flächendeckend lahm.

Nach einer zweiwöchigen Schlichtung wurde der Arbeitskampf erst im August befriedet. In zwei Stufen erhalten rund 180.000 Bahnmitarbeiter monatlich 410 Euro mehr Geld - 200 Euro ab 1. Dezember und ab 1. August 2024 210 Euro mehr. Dazu kommen für einen Teil der Beschäftigten Zuschläge in der Tariftabelle. Aus Sicht des bundeseigenen Bahnkonzerns war das die teuerste Lohnerhöhung ihrer Geschichte.

Jedenfalls bisher, denn am Dienstag läuft der Tarifvertrag mit den Lokführern aus. Das Ziel der Lokführergewerkschaft GDL ist es, für ihre Mitglieder, die vor allem in Jobs auf und rund um den Zug arbeiten, die Arbeitsbedingungen berufsspezifisch zu verbessern. Statt 410 Euro fordert die GDL monatlich 555 Euro mehr Geld. Vor zwei Jahren konnte sie lediglich 3,3 Prozent Lohnzuschlag erreichen. Die deutlich höhere Inflation verschlang das Plus und führte zu Kaufkraftverlust.

GDL hält Vier-Tage-Woche für Zugpersonal für möglich

Besonders teuer könnten für die Bahn jedoch die Forderungen der Lokführer nach Arbeitszeitkürzungen werden. Statt 38 wollen GDL-Mitglieder noch 35 Stunden arbeiten. So könnte für Mitarbeitende im Schichtdienst auch die Möglichkeit auf eine Vier-Tage-Woche eröffnet werden.

"Die Verbesserung im Arbeitszeitsystem ist für uns der einzig richtige Schritt, um dem Fachkräftemangel im Eisenbahnsystem zu begegnen", begründete der GDL-Chef Claus Weselsky die Tarifforderung. Ihm ist seinen Worten zufolge klar, dass es an dieser Stelle am Verhandlungstisch besonders problematisch wird: "Wir werden sicherlich nette und heftige Diskussionen mit der Arbeitgeberseite bekommen."

Der Bahn-Personalvorstand Martin Seiler ließ schon mal zusammenrechnen, wie teuer die GDL-Forderungen für die Bahn werden könnten. "Die Ausgangslage ist extrem schwierig", resümiert er den Forderungskatalog der Gewerkschaft: "Wenn wir die Forderungen der GDL erfüllen würden, würden unsere Personalkosten über 50 Prozent steigen", sagte er. Das sei für den Arbeitgeber Bahn "so nicht umsetzbar und erfüllbar".

Bahn müsste 10.000 Menschen zusätzlich einstellen

Die Vier-Tage-Woche würde nach Arbeitgeberberechnung dazu führen, dass die Bahn rund 10.000 Menschen im Schichtdienst zusätzlich einstellen müsste. Das würde nicht nur erhebliche Kosten verursachen und die Finanzen der Bahn weiter drücken. Auch gibt es diese zusätzlichen Fachleute am Arbeitsmarkt nicht.

Die Bahn scheiterte mit dem Vorschlag, die Tarifrunde von Anfang an von Schlichtern moderieren zu lassen. Die GDL wies das mit dem Hinweis zurück, dafür hätte man die Tarifrunde einfach nur rechtzeitig vor dem Ende der Friedenspflicht beginnen müssen, was nicht erfolgt sei. Das Klima zwischen Arbeitgebern und Lokführern wirkt stark belastet. "Wir sind es leid zuzuschauen, wie 3.500 Führungskräfte in diesem Konzern sich selbst hohe Grundgehälter und hohe Boni in die Taschen schanzen", entrüstete sich Weselsky, "während sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Gürtel enger schnallen unter der Überschrift, wir müssen aber maßhalten".

Harte Arbeitskämpfe bei der Bahn vor Weihnachten möglich

Alle Signale zeigen bereits vor dem Auftakt der Tarifrunde am 9. November in Richtung harte Arbeitskämpfe. GDL-Chef Weselsky stellte eine zügige Urabstimmung in Aussicht, um die Tarifrunde mit Arbeitskämpfen zu eskalieren. Er erwartet, "dass die Kampfansage Richtung roter Riese eine Welle auslösen wird".

Die Bahn rechnet mit Streiks noch vor Weihnachten. Eine Schlichtungsvereinbarung, um den Konflikt ähnlich wie bei der EVG zu einer Einigung zu bringen, gibt es zwischen Bahn und GDL nicht.

Viele GDL-Mitglieder bekommen derzeit bessere EVG-Löhne

Auch wenn der GDL-Tarifabschluss noch in weiter Ferne scheint, werden zahlreiche Mitglieder der Lokführer-Gewerkschaft bereits vor Weihnachten vom EVG-Tarifvertrag profitieren. Die Bahn zählt in ihren rund 300 Betrieben 220.000 Beschäftigte. Nur in 18 Betrieben hat die GDL mehr Gewerkschaftsmitglieder als die EVG und verhandelt dort die Tarifbedingungen.

Weil die Bahn als Arbeitgeber ihre Beschäftigte nicht nach Gewerkschaftsmitgliedschaft fragen darf, zahlt sie in EVG-Tarifbetrieben ohne Unterschied allen den dort geltenden Tarif. Auf diese Weise werden auch zahlreiche GDL-Mitglieder in EVG-Tarifbetrieben schon dann mehr Geld bekommen, wenn die Lokführergewerkschaft noch um einen Abschluss streitet.

In einer früheren Version des Artikels hatten wir geschrieben, dass Bahnmitarbeiter ab Dezember monatlich jeweils 410 Euro mehr Geld bekommen.

Das ist nicht korrekt. Sondern: Die rund 180.000 Bahnmitarbeiter erhalten 410 Euro mehr Geld - 200 Euro ab 1. Dezember 2023 und ab 1. August 2024 210 Euro mehr.

Beitrag von Johannes Frewel

82 Kommentare

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  1. 82.

    Ganz so ist es nicht. Nicht die Bahn stülpt etwas über. Die GDL ist in der Beweispflicht und kommt dieser nicht nach. Legt die GDL keine Beweise vor, darf die DB AG schätzen.

    Letztlich greift das TEG zulässig in die Rechte der Mitarbeiter ein, die der Minderheitsgewerkschaft angehören. Das hat auch das BVerfG bestätigt und für zulässig erklärt.

    Streiken ohne einen Anspruch auf den entsprechenden TV? Einige Experten halten dies für nicht zulässig.



  2. 81.

    Ihre Aussage ist nicht ganz richtig. Nicht die Bahn ist in der Beweispflicht, sondern die GDL. Diese weigert sich, zahlen zu nennen und beweise zu erbringen. Die EVG hat dies getan.

    Ob ein GDL Mitglied in einem EVG Betrieb streiken darf ist nicht geklärt. Letztlich wäre das ein Streik ohne grund. Denn für EVG Betriebe gilt der EVG TV. Auch für GDL Mitglieder, die in einem EVG Betrieb arbeiten. Das haben bisher alle Gerichte so entschieden

  3. 80.

    Aber soweit denken die Anhänger des Sachsen nicht. Das TEG muss deutlich ausgebaut werden.

    Ein Betrieb - eine Gewerkschaft ist gerecht. Es ist nun mal Fakt, dass die GDL nach Schätzungen nur in 16 kleinen Betrieben der DB AG Mehrheit hat. Wenn die GDL nichts zu verbergen hat, legt sie die Karten auf den Tisch. Beweispflicht liegt bei der GDL und nicht bei der DB.

  4. 79.

    Nun ja, ganz so simpel ist es nicht. Die DB weigert sich eine Zählung vorzunehmen und hat das TEG einfach den Betriebsteilen übergestülpt, weil man „geschätzt hat das“.Anhängige Verfahren zur Zählung gibt es bei div.Gerichten. Und streiken darf jedes Mitglied einer dazu berechtigten Organisation, wenn diese zum Streik aufruft.
    Ist immer blöd, wenn der persönliche Egoismus und die mögliche Komfortzone betroffen sein könnte. Da ist es egal , wer da streikt o.ä.. Siehe Fluglotsen, Piloten, Bodenpersonal, Ärzte, Krankenschwestern, anderes medizinisches Personal, Lehrer, Kita-Angestellte,etc..

  5. 78.

    Der Grundkonflikt zwischen der EVG (Mitglied im DGB) und der GDL (Mitglied im DBB) ist ja nicht der Mut o. der mangelnde Mut, für alle Beschäftigten etwas herauszuholen; der Unterschied liegt darin,(nur) für eine spezifische Klientel das Maximale herauszuholen, während die anderen Berufsgruppen dabei vergleichsweise egal sind. Analogien gibt es zu Cockpit u. UFO, zum Marburger Bund bei den Ärzten, der sich natürl. nicht ums Praxispersonal sorgt.

    Fehlt eine schlagkräftige Vertretung der IT-Systemadministratoren, eine Abspaltung der Stellwerksbeschäftigten, überhaupt bei allen, die irgendwo als hochgradige Spezialisten erstmal nicht so leicht ersetzbar sind und für ihre ganz spezif. Berufsgruppe das Maximalste herausholen wollen.

    Das Großwerden der GDL rührt allerdings daher, dass die GdED als EVG-Vorläufer das ostdt. Bahnpersonal als Neubeschäftigte definierte - gleich zur DB und zur Politik -, während die vorher. DB-Beschäftigten ihren Beamtenstatus behielten.

  6. 77.

    Die GDL unterliegt dem Tarifeinheitsgesetz. W. hat wie ein Löwe gegen dieses Gesetz gekämpft und geklagt. In allen Instanzen bis hin zum EuGH hat die GDL verloren. Die EVG hat die Zahlen offen gelegt. Die GDL weigert sich. Die Pflicht zum Nachweis in welchem Betriebsteil die GDL die meisten Mitglieder hat, obliegt der GDL. Warum erbringt Herr W. diesen Beweis nicht?

    Letztlich hat Herr W. maßgeblich zur Verabschiedung des TEG beigetragen.

    Vielleicht erstmal die gesetzliche Regelung betrachten

  7. 76.

    Der Sachse vergisst, dass er dem Tarifeinheitsgesetz unterliegt. Es darf nur in Betriebsteilen gestreikt werden, in denen die GDL nachweislich Mehrheitsgewerkschaft ist. Diesen Beweis zu erbringen, weigert sich der Sachse gewaltig.

    Bisher schätzt für Bahn, dass die GDL nur in den 16 kleinsten Betriebsteilen der DB AG Mehrheitsgewerkschaft ist. Bis für die GDL das Gegenteil beweist.

    Vielleicht sollte man sich auf Fakten berufen und abwarten. Letztlich entscheiden Gerichte über den Streik

  8. 75.

    Jetzt geht das wieder los, daß sich GdL und DB AG auf dem Rücken der Bahnkunden miteinander zoffen. Dem Bahnvorstand und den Politikern, die den Eigentümer der DB AG vertreten, werden die Streiks nicht weh tun. Die bekommen ihr Geld trotzdem. Aber die Arbeiter, Schüler und Studenten kommen wegen den arbeiter-, schüler- und studentenfeindlichen Streiks nicht zur Arbeit/Ausbildung und nicht wieder nach Hause. Denn meist gibt es keinen Ersatz für die ausgefallenen Züge. Auf vielen Strecken fuhr während früherer Streiks gar kein oder nur ganz wenige Züge. Mag sein, daß man mit höheren Löhnen und kürzeren Arbeitszeiten mehr Personal findet, was dringend benötigt wird. Aber wo soll das Geld herkommen? Die Bahn wird dadurch zu teuer und nicht mehr konkurrenzfähig. Und bis die neuen Kollegen eingestellt und ausgebildet sind, fallen durch die kürzeren Arbeitszeiten viele Züge aus. Wirkungsvoller wären die Streiks, wenn die Eisenbahner in ihrer Freizeit die Straßen ohne Busse blockieren würden.

  9. 73.

    Nun, die unerträgliche Hetze gegen die GDL und dessen Vorsitzenden Weselsky nimmt wieder Fahrt auf. Hier werden sie von @Matze unisono als "Wahnsinnige" diffamiert.
    Wobei: @Matze klingt ein ein Bahn-Angestellter/Pressesprecher, der hier Stimmung gegen die GDL und dessen Vorsitzenden macht.
    Ich persönlich wünsche der GDL viel Erfolg in Ihrem Tarifstreit.

  10. 72.

    Liegt Ihr unangebrachte Pöbelton gegenüber Herrn Weselsky daran, dass der "Ostler" 1990 eine der stärksten Gewerkschaften mit gründete? Da nagt wohl an Ihren westlich geprägten Meinungsbild.

  11. 71.

    Wenn zukünftig wieder mehr auf der Schiene transportiert werden soll, dann kann die Fahrt mit dem Zug nicht teurer als mit dem PKW sein, gelle?!
    Wie passt sowas denn zusammen??

  12. 69.

    Lokführer hohe Verantwortung miese Bezahlung miserable Arbeitszeiten.

  13. 68.

    Das 49 Euro Ticket ist momentan auch so völlig fehl am Platz weil weder die Infrastruktur, noch die Fahrzeuge, noch die Mitarbeiter im ausreichendem Maße dafür vorhanden sind. Wer es nicht glaubt, kann ja einfach mal auf nen Bahnhof gehen und sich anschauen was da so abgeht. Dieser extremen Belastung der Mitarbeiter kann man nur mit zusätzlichen Mitarbeitern entgegentreten und dies geht nur mit besseren Arbeitsbedingungen.

  14. 64.

    Was genau können die Mitarbeiter für die Wahl des Verkehrsmittels bei anderen Menschen?

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