Chinesische Shopping-App - Schnäppchenjagd bei Temu - aber zu welchem Preis?
Die chinesische Shopping-App Temu lockt mit Billigpreisen zurzeit Tausende Kunden an. Instagram und Tiktok werden geflutet mit Unboxing-Videos von Temu-Paketen. Doch Verbraucherschützer warnen davor, in der App einzukaufen. Von Yasser Speck
Rabatte, Rabatte, Rabatte! Das schlägt einem entgegen, wenn man die Temu-App auf dem Handy oder dem PC öffnet. Fast jedes Produkt ist reduziert. Die Webseite schreit nach Konsum. Eine Smart-Watch, die verblüffende Ähnlichkeiten mit einer Apple-Watch hat, wird für unter zwei Euro angeboten. Man findet dort aber auch Fußduschen oder mobile Waschmaschinen für sieben Euro - und Sneaker für vier Euro.
Temu lockt seine Kundinnen und Kunden mit diesen Kampfpreisen, aber nicht nur damit. Alles wird außerdem ohne Versandkosten nach Hause geliefert. Santino Krawczyk aus Falkensee hat schon öfter bei Temu bestellt. Er hat einen Tiktok-Kanal und nennt sich dort "FettnackenTV". Krawczyk hat schon etliche Temu-Pakete in Empfang genommen und gefilmt, wie er sie auspackt.
Influencer im Visier
Temu ist erst seit diesem Frühjahr in Europa aktiv. Hinter dem Schnäppchen-Shop steckt der chinesische Konzern Pinduoduo. Jetzt drängt der Konzern mit Temu auf den internationalen Online-Markt. Um in kurzer Zeit möglichst viele Kundinnen und Kunden zu gewinnen, arbeitet das Unternehmen unter anderem mit Influencerinnen und Influencer zusammen.
Auf ihren Kanälen promoten die Social-Media-Stars die Produkte, die sie auf der chinesischen Shopping-App bestellt haben. Tiktok und Instagram werden aktuell geradezu überflutet mit Unboxing-Videos von Temu-Paketen. Krawczyk beteuert allerdings, dass er sich für seine Videos nicht habe bezahlen lassen.
Zufrieden ist er mit Teilen seiner Bestellung trotzdem, wie er sagt. Hauptberuflich veredelt Krawczyk Innenräume von Autos. Einen Teil seiner Werkzeuge dafür kauft er auf Temu. Die sind dort erheblich billiger als hier in Deutschland. "Es macht schon einen sehr großen Unterschied”, sagt er und hält zwei Hebelwerkzeuge aus Plastik in der Hand. Mit denen kann er die Tür vom Rahmen heraushebeln, ohne den Lack zu zerkratzen.
In Deutschland würden die im Durchschnitt 30 bis 40 Euro kosten, sagt der Mechaniker. Bei Temu habe er sie für sechs Euro gekauft. "Das ist schon gut", sagt Krawczyk.
Shoppen direkt beim Händler aus China
Dass Onlinehändler Ware aus China anbieten ist nichts Neues. Der Unterschied zwischen Temu und anderen Anbietern wie Amazon ist, dass Temu keine eigenen Produkte und keine Logistikzentren in Europa hat. Temu ist ein Online-Marktplatz, auf dem Händler aus China ihre Produkte anbieten können.
Wenn sich eine Kundin also eine Smart-Watch bestellt, bestellt sie diese direkt bei einem Händler irgendwo aus China. Dieser Händler liefert die Smart-Watch dann in ein sogenanntes Fulfilment-Center von Temu. So werden die gigantischen Packstationen genannt, in denen die Bestellungen zusammengefügt und in Temu-Pakete gepackt werden. Anschließend wird das Paket zum Flughafen gefahren und mit dem Flugzeug nach Europa geflogen.
Verbraucherzentrale warnt vor Temu
Dass die Kunden direkt bei Fabriken und Händlern aus China bestellen, wirft Fragen nach der Qualitätskontrolle der Waren auf. Auf rbb|24-Nachfrage, ob Temu als Unternehmen die Einhaltung von EU-Standards bei den auf der Plattform verkauften Produkten überprüft, heißt es von Seiten eines Unternehmenssprechers: "Als Marktplatzbetreiber erwarten wir von den Händlern auf unserer Plattform, dass sie sich strikt an alle relevanten Gesetze und Vorschriften halten."
Die Verbraucherzentrale mahnt auf ihrer Webseite zur Vorsicht bei Einkäufen über Temu [verbraucherzentrale.de]. So sei zu bedenken, dass die niedrigen Preise mit einer geringeren Produktqualität und -sicherheit einhergehen können. Tatsächlich hatte ein Probeeinkauf des WDR-Magazins "Servicezeit" [ardmediathek.de] vom Sommer dieses Jahres Mängel gezeigt: Einige der 20 bestellten Produkte waren durch den Transport beschädigt. Zudem fehlten vorgeschriebene Bedienungsanleitungen in deutscher Sprache und bei elektronischen Geräten war kein in Deutschland zugelassenes CE-Zeichen vorhanden.
Das heißt nicht zwangsläufig, dass alle Produkte unsicher sind. Doch hinzu kommt: Wenn es zu Schäden bei Nutzung der Produkte kommt, kann Temu nicht zu Verantwortung gezogen werden. In den Nutzungsbedingungen heißt es: "Unter keinen Umständen haften wir für Handlungen oder Unterlassungen von Verkäufern oder für die von Verkäufern verkauften Produkte."
Billige Preise, die der Planet bezahlt
Das Modell von Temu und Co steht bei vielen in der Kritik - das merkt auch Santino Krawczyk in den Kommentarspalten unter den Videos über seine Bestellungen. Viola Wohlgemuht beschäftigt sich bei Greenpeace mit den Umweltauswirkungen von Shops wie Temu und den darüber günstig verkauften Kleidungsstücken. "Die Textilindustrie ist schon längst eines der größten Sorgenkinder der Klimakrise", sagt die Umweltschützerin. Die Kleidung, die auf Temu angeboten werde, bestünde zum größten Teil aus synthetischen Fasern. Die Herstellung dieser Textilien verbrauche sehr viel Energie.
"Und dann werden sie in Plastik verpackt und hergeflogen, denn sie sollen ja schnell bei uns sein", so Wohlgemuth. Der Logistik-Experte Christoph Tripp geht nach eigenen Angaben tatsächlich davon aus, dass Temu ausschließlich per Luftfracht nach Europa liefert. Anders seien die Lieferzeiten direkt aus China gar nicht einzuhalten, sagt er. Temu entgegnet, dass durch weniger Zwischenhändler auch die Transportwege eines Artikels und unnötige Transfers eingespart würden. Außerdem beteilige sich die Firma an einem Nachhaltigkeitsprojekt, das Bäume pflanzt.
Für die Umweltschützerin Wohlgemut ändert sich das Grundproblem der sogenannten Ultra-Fast-Fashion nicht: Hier angekommen, würden die Textilen oft gar nicht oder nur wenig getragen, befürchtet sie. "Es ist mittlerweile eine riesige Klimakatastrophe."
Werkzeug, aber keine elektronischen Geräte
Santino Krawczyk aus Falkensee nutzt für die Veredelung von Auto-Innenräumen immer wieder Temu-Werkzeug. Weiter würde er aber nicht gehen, sagt er. "LEDs oder elektronische Bauteile von Temu würde ich nicht verbauen. Schon gar nicht in Kundenfahrzeugen", sagt der Autoexperte aus Falkensee. Er habe die Sorge, dass die elektronischen Teile von Temu nicht den hier gängigen Sicherheitsstandards entsprächen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 04.12.2023, 19:30 Uhr.