Interview | Start in die Fahrradsaison - "Mehr E-Bikes verkauft als muskelbetriebene Fahrräder"

Das Frühjahr beginnt und viele holen ihre Räder hervor. Andere überlegen, sich ein neues Bike anzuschaffen. Der Fahrradhandel lockt immerhin mit Rabatten bis zu 40 Prozent. Pablo Ziller vom Zweiradindustrieverband weiß mehr zu Trends und Verkaufszahlen.
rbb|24: Herr Ziller, zum Start der Fahrradsaison werden Fahrräder im Handel derzeit sehr preisgünstig angeboten. Woran liegt das?
Pablo Ziller: Gerade bei Fahrrädern ohne Motor sehen wir zu Beginn der Saison 2025 einen Preisrückgang. Händler und Hersteller werben zum Teil mit deutlichen Rabatten auf die Listenpreise. Hintergrund sind nach wie vor gut gefüllte Lager, in denen noch Millionen fertige Räder auf die Kunden warten und Kapital binden.
Dies hat vor allem etwas mit der Corona-Zeit zu tun. Konnte während der Pandemie zunächst die sprunghaft gestiegene Nachfrage nicht gedeckt werden, folgte eine Phase der Überproduktion und des abgeflauten Kaufinteresses. So wurden 2024 in Deutschland 3,85 Millionen Räder [ziv-zweirad.de] verkauft. Das waren nur 2,5 Prozent weniger als 2023. Aber der Rekord aus dem ersten Corona-Jahr 2020 mit gut 5 Millionen Stück blieb weit entfernt.
Man liest, dass E-Bikes nicht so stark von dem Rückgang betroffen sind.
Im E-Bike-Bereich wurden 2024 erneut mehr als zwei Millionen Stück verkauft. 2024 ist somit das zweite Jahr in Folge, in dem in Deutschland mehr E-Bikes verkauft wurden als muskelbetriebene Fahrräder. Im Bereich der E-Bikes und Pedelecs sprechen wir zudem von einem Preisrückgang von zehn Prozent. Lagerüberbestände gibt es gerade beispielsweise bei E-Mountainbikes.
Macht Ihnen der Rückgang der Verkaufszahlen Sorgen? Sehen Sie gegebenenfalls auch eine Marktsättigung?
Nein. Bei den Zahlen nähern wir uns wieder an das Vor-Corona-Niveau an. So liegen wir in der Produktion immer noch über den Produktionszahlen von dem Vor-Boom-Jahr. Wir sind bei zwei Millionen Fahrrädern und E-Bikes. 2019 waren wir bei 1,9 Millionen.
Auch was eine mögliche Marktsättigung anbetrifft, sehen wir einen klaren Trend zu mehreren Fahrrädern. Wir bemerken, dass auch alte Räder sehr gern benutzt und restauriert werden. Der Zubehörmarkt läuft. Gleiches hören wir auf der Werkstattseite.
Und auch wenn E-Bikes eine gewisse Lebensdauer haben, muss an diesen Rädern auch immer wieder etwas getan werden - wie zum Beispiel die Erneuerung des Akkus. So werden E-Bikes erst nach durchschnittlich acht bis neun Jahren verschrottet. In der Folge ist der Bestand von E-Bikes in Deutschland im vergangenen Jahr auf 15,7 Millionen Stück angewachsen. Das sind gut drei Millionen Räder mehr als bei der Fortschreibung früherer Prognosen seit dem Jahr 2014 angenommen wurde.

Welche Fahrradtrends sehen Sie für 2025 vor allem?
Bei Fahrrädern ohne Motoren ist das ganz klar der Bereich der Gravel-Räder. Das ist eine Mischung aus Mountainbike und Rennrad. Das ist jetzt so das, was man auch in Berlin sehr viel sieht. Diese Räder sind aktuell angesagt und da kann man zu Saisonbeginn nur schwer Rabatte mit Händlern aushandeln.
Gravels sind nicht so sensibel, was den Fahruntergrund anbetrifft. Es sind schmale Mountainbike-Reifen aufgezogen. Anstatt einer Feder- ist eine Carbon-Gabel montiert. Dadurch wird eine leichte Dämpfung erzeugt. So kommt man problemlos über schöne Brandenburger Schotterwege. Und im Berliner Stadtverkehr ist man mit einem Gravel-Bike auch sehr gut ausgestattet.
Aber auch klassische Rennräder erfreuen sich großer Beliebtheit. Auf dem Tempelhofer Feld oder auf superglatten Strecken, wo es keine Hindernisse gibt, ist man damit gut aufgehoben.
Welche Trends beobachten sie noch?
Bei den E-Bikes geht der Trend zu leichteren Fahrzeugen. Das ist auch nachvollziehbar, denn wenn man mit einem schweren E-Bike (bis zu 30 Kilogramm) unterwegs ist, der Aufzug ausfällt oder sein Rad samt Gepäck eine Treppe hochträgt, dann ist so ein schweres E-Bike für viele Menschen nicht besonders praktisch.
Auf was sollte ich achten, wenn ich mir im Frühjahr jetzt ein Rad zulegen will?
Es lohnt sich immer, in mehrere Fahrradläden zu gehen und verschiedene Räder auszuprobieren. Dann ist die eigene Körperhaltung auf dem Rad nicht unwichtig. Beim Gravel-Rad sitzt man nicht so aufrecht wie auf einem Trekking-Bike, sondern ist eher sportlicher unterwegs. Man kann sich von einem Fahrradhändler seines Vertrauens auch ein Rad für seine Bedürfnisse konfigurieren lassen. So kann man einen Vorbau tauschen, Sattel und Lenker richtig einstellen lassen und so weiter.
Wenn man ein eher größeres Fahrrad nimmt, dann hat man auch einen anderen Wenderadius, als wenn man ein kleineres Fahrrad nimmt. Das ist eine Wissenschaft für sich.
Vielen Dank für das Gespräch!
Mit Pablo Ziller sprach Georg-Stefan Russew, rbb|24.