Marode Bibliotheken - Neubau der Berliner Zentral- und Landesbibliothek wird zur Hängepartie

Do 17.08.23 | 06:08 Uhr | Von Kirsten Buchmann
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Blick in die Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) am Blücherplatz. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Video: rbb24 | 17.08.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: dpa/Jörg Carstensen

Seit 2015 ist verabredet, die beiden Standorte der Berliner Zentral- und Landesbibliothek zusammenzuführen. Dafür soll ein Neubau in Kreuzberg entstehen. Pläne für einen Architekturwettbewerb sind nun aber gestoppt. Von Kirsten Buchmann

Es ist warm in der Amerika-Gedenkbibliothek in Kreuzberg. Dabei sind die weißen Vorhänge an der Glasfassade des 1950er Jahre-Baus zugezogen, die Eingangstüren stehen offen. Doch die Klimaanlage funktioniert nicht. Volker Heller, Generaldirektor der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB), findet klare Worte, was den Zustand der Gebäude angeht. Die Betriebstechnik in den alten ZLB-Bauten sei so verrottet, "dass es eine unglaubliche Zumutung nicht nur für die Sicherung unserer Sammlung ist, sondern auch für die Nutzer im Betrieb und für unser Publikum".

Mit Gummistiefeln in den Keller

Am zweiten Bibliotheks-Standort Breite Straße in Mitte funktionieren Aufzüge nicht. Immer wieder können Besucher-Toiletten nicht genutzt werden. Regen dringt durch die Fenster ins Erdgeschoss. Durch Kellerräume, in denen Bücher und Schallplatten lagern, musste Heller bereits in Gummistiefeln waten. Ihm ist die Enttäuschung darüber anzusehen, dass in diesem Jahr nun doch kein Geld fließen soll, um den geplanten Architekturwettbewerb für einen Neubau am Kreuzberger Blücherplatz zu starten.

Für die ZLB sowie ihre Nutzerinnen und Nutzer sei das eine Katastrophe, sagt Heller. "Wir havarieren uns seit Jahrzehnten durch den Betrieb mit immer wieder neuen Problemen mit maroden Gebäuden und vor allem maroder Betriebstechnologie – immer mit der Hoffnung darauf, dass es endlich einen Neubau gibt."

Wir havarieren uns seit Jahrzehnten durch den Betrieb mit immer wieder neuen Problemen mit maroden Gebäuden und vor allem maroder Betriebstechnologie.

Volker Heller, Generaldirektor der Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Wahlkampf mit Bibliotheksversprechen - Koaltion dann ohne weitere Pläne

Die jetzige Regierungspartei CDU hatte sich zwar in ihrem Wahlprogramm zum Ausbau der ZLB am Standort der Amerika-Gedenkbibliothek bekannt. Die Planung hierfür müsse beschleunigt und die bauliche Umsetzung in dieser Legislaturperiode mindestens begonnen werden. Doch in ihrem Koalitionsvertrag mit der SPD ist davon keine Rede mehr.

Der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Robbin Juhnke, spricht von einer kulturpolitischen Notwendigkeit für den Neubau, verweist zugleich aber auf die Kosten von rund 500 Millionen Euro: "Auf der Fachebene sind wir uns relativ einig, dass wir diese Vorhaben realisieren wollen", sagt Juhnke. "Aber wir müssen sehen, ob wir das finanzieren können."

Gegenseitig Verantwortung zugewiesen

Die Senatskulturverwaltung bezeichnet den Neubau und den Bedarf der ZLB als "unbestritten". Die Relevanz der bisherigen Planungen für die Baumaßnahme seit dem Jahr 2015 werde nicht in Frage gestellt. Alternativstandorte wie das ICC oder der Flughafen Tempelhof kommen aus Sicht der Verwaltung nicht im Betracht.

Dass die Planungen auf Eis liegen, führt die seit der Wiederholungswahl nun CDU-geführte Kulturverwaltung auf den rot-grün-roten Vorgängersenat zurück. Den De-Facto-Stopp sieht sie als eine Folge eines Senatsbeschlusses vom September vergangenen Jahres von Seiten der Vorgängerregierung, durch den "keine Mittel für weitere Planungen zur Verfügung" stünden.

Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der oppositionellen Grünen, Julian Schwarze, widerspricht. Im Gegensatz zu den Aussagen der Kulturverwaltung habe der rot-grün-rote Vorgängersenat in der Finanzplanung beschlossen, dass Geld dafür bereitgestellt werde: "Dieser Schritt muss erfolgen, wie es der letzte Senat verabredet hat und wie es die Stadt auch benötigt, denn dieser Standort und die Erweiterung sind zwingend nötig.“ Die Bauverwaltung – nach wie vor in SPD-Hand – müsse den Architekturwettbewerb starten, es sei ihre Aufgabe.

Neubau dauert Jahre

ZLB-Generaldirektor Heller gibt sich weiter optimistisch, was die Erweiterung an der Amerika-Gedenkbibliothek angeht - wobei ihm bewusst ist, dass für den Neubau in langen Zeiträumen zu rechnen ist: "Es dauert ohnehin noch sechs bis acht Jahre, bis wir die Bibliothek eröffnen können." Die Provisorien in den beiden bestehenden Gebäuden werden sich nicht ewig fortsetzen lassen. Ersatzteile für Jahrzehnte alte Klima- und Aufzugstechnik sind schon jetzt schwer zu beschaffen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 17.08.2023, 06:00 Uhr

Beitrag von Kirsten Buchmann

10 Kommentare

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  1. 10.

    Menschen die lesen, sind gefährlich. Es ist nicht im Sinne von CDU und SPD, dies zu fördern und damit unmündige Wähler zu verlieren. So einfach ist das.

  2. 9.

    Was wird denn in Berlin nicht zur Hängepartie

  3. 8.

    Dieser Artikel stimmt mich sehr unangenehm. Ich glaube, dass, wenn das mit dem Neubau der Großen Bibliothek so schleppemd weitergeht, dass wir uns wirklich doch noch an der Zukunft der jüngeren Generation vergreifen. Welch ein Armutszeugnis stellt sich da die Bundeshauptstadt aus? - In Charlottneburg muss sich die gr. Bibliothek mit umfangr. Notenblatt-Abt./Musikträgern in den einstigen Ratskeller "verkriechen", auf wie lange Zeit? Weil eine Inspektion sozusagen am Ende!!! der Corona-Zeit ergeben hat, dass der wunderschöne gr. Oberlichtraum von eindringendem Wasser etc. bedroht ist. Wo werden Bücher u. Tonträger noch landen? Die Bibliotheken sind längst heiml., still u. leise zu digitalen Kult./Bild.-Zentren geworden u. bieten manchmal kl. familienartige Veranstaltungen der Extraklasse an. Ich glaube, wir brauchen auch eine gerichtl.Feststellung, dass für den Wissenserwerb via Bibliotheken in diesem Lande viel zu wenig getan wird! - Es ist zum Ausrasten!

  4. 7.

    Zumindest symbolisch hätte es schon seinen Sinn, das Gebäude in dieser Lage zu halten und auch auszubauen - im eigentlichen Zentrum der Stadt, unweit des Humboldt-Forums und des Bebelplatzes; anstatt die Zentral- und Landesbibliothek aufgrund späterer Bebauung vor den Toren der einstmaligen Stadt anzusiedeln.

  5. 6.

    Bitte alle Neubauten auf Grünanlagen in der Innenstadt stoppen. Auf welche "unternutzte" Grünanlage sollen denn die Anwohner ausweichen, wenn die Grünanlage "Blücherplatz" zugebaut wird?!
    Im ganzen Bezirk sind alle Grünanlagen bereits "übernutzt". Die Unterversorgung mit Grünanlagen ist hier weiterhin für alle, die weniger mobil sind, bereits jetzt ein Problem. Schwammstadt? Hitzeinsel? ...

  6. 5.

    Dass, neben der Stabi, die wesentlichste Bibliothek am Blücherplatz gebaut werden soll, historisch gesehen also vor dem Halleschen Tor, empfinde ich als unglücklich. Ist der Standort an der Breiten Straße wirklich so belegt, dass im Umfeld nicht ausgebaut werden kann?

  7. 4.

    Warum nutz man nicht das Flughafengebäude Tempelhof dafür. Es liegt zentral, prima mit ÖPNV erreichbar, anstelle händeringend auf Krampf Recourcen für einen Neubau zu verschwenden?

  8. 3.

    Nicht erst seit 2015 ist der dringende Bedarf der ZLB bekannt. Die Berliner wollten aber keine Wowereit-Gedächtnis-Bibliothek für 500 Mio Euro. 2018 entschied sich RRG dann für den Blücherplatz. Viel weiter sind die aber offensichtlich seitdem nicht gekommen außer dass man 2020 davon ausging, dass auch der Neubau am Blücherplatz mindestens 500 Mio Euro kosten würde. Vielleicht findet sich ja auch ein investigativer Journalist, der die widersprüchlichen Aussagen zur Finanzierung einem Faktencheck unterziehen kann.

  9. 2.

    CDU Juhnke. "Aber wir müssen sehen, ob wir das finanzieren können."
    Klingt ehr so, als ob es nicht realisiert wird.

  10. 1.

    Was passiert mit dem Gebäude in der Breite Straße? Danach

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