Ausstellung in DDR-Getreidespeicher - Ein Betonriese voller Kunst

"Lost Places" gelten manchem selbst als zeitgenössische Kunst. Ein Potsdamer Künstlerkollektiv präsentiert nun in einem verlassenen DDR-Getreidespeicher bereits zum zweiten Mal eine Ausstellung. Von Marie Kaiser
Mitten in einem Industriegebiet in der Nähe des Bahnhofs Rehbrücke in Potsdam ragt ein 30 Meter hoher Turm in den Himmel. Ein Betonriese mit angesprayten Fenstern und Rostflecken, durch dessen Inneres sich noch geheimnisvoll die Rohre und Schächte schlängeln, die einst zum Trocknen und Transportieren von Getreide genutzt wurden.
Der DDR-Getreidespeicher aus dem Jahr 1961 stand nach der Wende über 30 Jahre leer. Im vergangenen Jahr hat ein Potsdamer Kunstkollektiv ihn für die Kunst entdeckt und hier eine erste Ausstellung unter dem Titel "speicherN" eröffnet. Die erste Ausstellung war so erfolgreich und das Interesse am Getreidespeicher als Kunstort so groß, dass die Künstlerinnen und Künstler den Industriebau nun erneut bespielen und viele Gäste eingeladen haben. Diesmal mit einer Ausstellung zum Thema "Kollektivität - Die Kunst Viele zu sein".

Walgesänge, Blaualgen und eine Skulptur aus Schubkarren
20 Kunstkollektive wollen in diesem Ort, in dem einst das Saatgut fürs Kollektiv gespeichert wurde, das Potenzial und die Grenzen des Gemeinsamen befragen. Die Themen sind breit gefächert: Es erklingen Walgesänge als Form kollektiver Kommunikation, Blaualgen aus dem Müggelsee dürfen in kleinen Wassertanks wuchern und sogar eine eins zu eins aus dem Baumarkt übernommene absurde Readymade-Skulptur bekommt hier einen großen Auftritt. Sie besteht schlicht aus drei übereinander gestapelten Schubkarren auf einer Europalette. Sogar eine Wandergruppe tritt in der Ausstellung als mögliches Kunstkollektiv auf, das die Landschaft nicht nur erwandert, sondern auch gestalten will.
Viele der Künstlerinnen und Künstler beziehen sich in Ihren Arbeiten ganz konkret auf den Ort. Durchs Treppenhaus dröhnt ein lautes Wummern. Wer sein Ohr an eines der neonorange bemalten Rohre hält, kann ganz deutlich die Vergangenheit des Getreidespeichers hören. Der Künstler Mischa Leinkauf simuliert in seiner Soundinstallation "Fortschritt" die Geräusche, die den Speicher einst erfüllten, als hier noch Getreide nach oben geblasen und getrocknet wurde und haucht dem lange brach liegenden Industrieriesen so neues Leben ein.
1.000 Roggenkörner im Eisblock
Zehn Tonnen Getreide konnten in dem riesigen Speicher früher gelagert werden. Udo Koloska erhebt das Aufbewahren von Getreide selbst zum Kunstwerk. 1.000 Körner Roggensaat, die hier im brandenburgischen Boden besonders gut gedeiht, friert der Künstler in der Mitte eines riesigen Eisklotzes ein.
"Bei minus 18 Grad versuche ich hier in einem Eisblock Roggen aufzubewahren ähnlich wie im bekannten Saatgut-Tresor auf Spitzbergen", erklärt Koloska. "Das ist eine Eisarbeit, die im Laufe der Zeit schmelzen wird und dieser Prozess kann hier beobachtet werden." Doch nicht alle Roggenkörner sind eingefroren, sie können auch angefasst und mitgenommen werden. Wir können dem Roggen aber auch beim Wachsen zuschauen, denn der Künstler hat einige Samen in einem Miniaturacker auf dem Betonboden ausgesät, in der Hoffnung, dass die Saat aufgeht.

Unter dem Dach hängen rote Ballons wie Gebärmütter
Ganz oben unterm Dach des Getreidespeichers hat Jenny Alten ihre Arbeit "Jane Vakuum" installiert. Unter der Decke hängen sieben rote Gummiballons, die durch rote Schläuche miteinander verbunden sind. Ein Kompressor bläst die Bälle immer größer auf, bis sie fast zu platzen scheinen, dann schrumpeln sie wieder zu leeren faltigen Hüllen zusammen.
Die Künstlerin erinnern diese Ballons an Gebärmütter, die sich im Laufe einer Schwangerschaft enorm vergrößern können, um sich nach der Entbindung wieder zusammenzuziehen. "Es geht in der Arbeit um das Jane Collective, das in Chicago in den 1970er Jahren zehntausende Abtreibungen durchgeführt hat. Mich hat es total beeindruckt, wie Frauen sich damals kollektiv organisiert haben und mit dafür gesorgt haben, dass Abtreibung in den USA am Ende legalisiert wurde."
Die Ausstellung im ehemaligen Getreidespeicher, die selbst ein Werk kollektiver Begeisterung und Anstrengung ist, lohnt sich also gleich doppelt. Um einen aufregenden Kunstort und "Lost Place" zu entdecken, den wohl kaum einer schon von innen gesehen hat. Und um das Thema "Kollektiv" aus ganz unterschiedlichen und oft überraschenden Perspektiven zu erfahren.
Was den Macherinnen und Machern dabei am wichtigsten ist: Hier passt sich die Kunst dem Ort an, nicht umgekehrt. Der Getreidespeicher soll möglichst genau so erhalten werden, wie das Kunstkollektiv ihn vorgefunden hat inklusive der Graffiti an den Wänden, dem Rost, dem Staub und den verstreuten Vogelfedern. In den besten Momenten der Ausstellung wirkt es dann auch wirklich so, als wären Kunstwerke im Laufe der Jahre dort ganz organisch gewachsen.
Die Ausstellung "speicherN Kollektivität - Die Kunst Viele zu sein" wird am Freitag, 1. September von 18 bis 20 Uhr mit Performances eröffnet. Die Ausstellung läuft bis zum 24. September 2023. Geöffnet ist immer mittwochs bis sonntags von 12 bis 18 Uhr. Aus Sicherheitsgründen ist ein Besuch erst ab 14 Jahren möglich. Da immer nur kleine Gruppen im Speicher erlaubt sind, ist es ratsam, sich vorher für eine Führung anzumelden (speichern.art).
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