Ausstellung | Frans Hals in der Gemäldegalerie Berlin - Hals über Kopf

Fr 12.07.24 | 17:49 Uhr | Von Julia Sie-Yong Fischer
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ARchivbild:04.07.2024, Berlin: Mitarbeiter einer Spezialfirma korrigieren in der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin die Ausrichtung des Gemäldes "Pekelharing" (Peeckelhaering) des holländischen Malers Frans Hals.(Quelle:dpa/S.Stache)
Audio: rbb24 Inforadio |11.07.2024 | Barbara Wiegand | Bild: dpa/S.Stache

Die Porträts des niederländischen Meisters Frans Hals sind weltberühmt. Viele von ihnen lächeln, das war nicht üblich auf den Bildern zu Hals' Zeit. Sein Stil wurde später auch mal als "schlampig" empfunden. Doch Hals bereitete der Moderne den Weg. Von Julia Sie-Yong Fischer

Heute kann das eigene Abbild als Selfie in sozialen Medien mit Filtern inszeniert werden - im 17. Jahrhundert gaben Menschen dafür noch gern eine aufwändige Malerei in Auftrag. Natürlich aufgrund mangelnder fotografischer Alternativen, aber dafür konnten sich die Kunden mit einem gewissen Budget den Stil des Porträts auch selbst aussuchen.

Wer sich für Frans Hals entschied, schätzte dessen lebendige und teilweise auch unkonventionelle Malweise, die ihm über die Grenzen seiner Heimatstadt Haarlem hinaus Beachtung verschaffte. Sein Werk ist allerdings im Vergleich zu Zeitgenossen wie Rubens oder Vermeer hierzulande viel weniger bekannt. Ein guter Grund, um in dieser ersten großen Einzelausstellung in Deutschland, in der Berliner Gemäldegalerie, sein Schaffen näher vorzustellen.

Von Antwerpen nach Haarlem

Frans Hals (1582/83–1666) kam aus einer Stoffhändlerfamilie, die 1585 wegen des Achtzigjährigen Kriegs von Antwerpen nach Haarlem ziehen musste. Er ging bei dem Maler Carel van Mander (1548-1606) in die Lehre und besaß später eine eigene Werkstatt. In dieser lernten und arbeiteten zahlreiche Schüler:innen Hals‘ (von ihm "Volck" genannt) an seinen Auftragsarbeiten, die bekannteste von ihnen ist Judith Leyster (1609–1660). Zweimal war Hals verheiratet, davon einmal verwitwet. Er hatte zehn Kinder, für die er sorgen musste, und er war finanziell nicht stabil aufgestellt.

Obwohl Hals also auf jeden Auftrag angewiesen war, stellte er Forderungen an seine Auftraggeber. Er verlangte zum Beispiel, dass die Dargestellten des Milizgruppenporträts "Magere Kompanie" (1637) zu Sitzungen nach Haarlem kommen sollten. Diese weigerten sich – also vollendete der Amsterdamer Maler Pieter Codde das von Hals angefangene Bild. Hals ging leer aus.

Seinen wahren Ruhm erfuhr Hals viel später. Erst 200 Jahre nach seinem Tod, am Ende des 19. Jahrhunderts, begann der große Hype um seine Bilder, Nachfrage und Preise stiegen auf einmal schlagartig.

Ganz nah dran

Die angenehm schummrigen, modernen Ausstellungsräume in der Gemäldegalerie zeigen insgesamt 80 Werke, davon 50 von Frans Hals selbst. Die Ausstellung ist in sieben Kapitel strukturiert, die die Bedeutung seines Schaffens verdeutlichen sollen: seine Innovation und seinen späteren Einfluss auf deutsche Künstler, die Darstellung von verschiedenen Gesellschaftsschichten, die Kooperationen mit anderen Künstlern, sein Werkstattteam und das berühmte Bild "Malle Babbe" (1633-35).

Die darauf abgebildete "verrückte Barbara" wurde zu ihrer Zeit als geistig verwirrt ins Haarlemer Arbeitshaus weggesperrt, weil sie durch laute Obszönitäten in der Öffentlichkeit unsittlich auffiel. Frans Hals zeigt sie mit offenem Mund und in fahriger Bewegung, ihre rechte Hand hält einen offenen Bierkrug fest und auf ihrer Schulter sitzt eine Eule. Diese steht symbolisch für Tor- und Trunkenheit, auch wenn sie hier durchaus sympathisch unbeteiligt wirkt.

Frans Hals, Malle Babbe, um 1640, Berlin, (Quelle:© Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt)Frans Hals, Malle Babbe, um 1640.

Die Darstellung dieser vermutlich geächteten Außenseiterin ist für ihre Entstehungszeit außergewöhnlich. Niederländische Auftragsmaler:innen malten im 17. Jahrhundert überwiegend Menschen aus den gehobenen Ständen in ernster, statischer Manier und ehrfurchtsvoller Distanz.

Ganz nah wiederum scheint Hals der "Malle Babbe" gegenüberzusitzen, womöglich bei einem gemeinsamen Trinkgelage. Auch die Machart spiegelt die intuitive, unmittelbare Herangehensweise wider: Fahrige, kurze Pinselstriche lassen die Umrisse auseinanderfallen, nicht nur der Geist, sondern auch die Realität scheinen zu verschwimmen.

Während Hals zeitlebens durchaus für seinen Malstil geschätzt wurde, bezeichneten im 18. Jahrhundert die Kunsthändler Nieuwenhuis und Jean Baptiste Pierre Lebrun diesen Malstil als "schlampig" und dass ihm "die erforderliche Sorgfalt fehle". Kurze Zeit später war es jedoch genau dieser Duktus, der schon die Ausdruckskraft der impressionistischen und expressionistischen Malerei der klassischen Moderne vorwegnahm.

Hals' Werk inspirierte viele andere Künstler

Die authentisch wirkende Stimmung in Hals‘ Bildern faszinierte und regte andere Künstler bis ins 20. Jahrhundert zum Nachahmen und Fälschen an. Die Besucher:innen können das Original in der Ausstellung direkt mit einer Kopie Gustave Courbets (1869) und einer Fälschung von Han van Meegeren (1932-39) abgleichen. Auch deutsche Maler wie Lovis Corinth (1858-1925) und Max Liebermann (1947-1935) zählten zu seinen Bewunderern und Nacheiferern, wie im letzten Teil der Ausstellung zu erfahren ist.

Frans Hals, Der lachende Kavalier, 1624, London, The Wallace Collection.(Quelle:© Wallace Collection, London, UK)Frans Hals, Der lachende Kavalier, 1624

Konträr dazu ist wohl "Der Lachende Kavalier"(1624), das Porträt eines 26-jährigen wohlhabenden Junggesellen. Ein schräg aufgesetzter dunkler Hut rahmt und kontrastiert sein ebenmäßiges Gesicht mit hochgezwirbeltem Schnurrbart. Der junge Mann blickt einen direkt aus einer Dreiviertelperspektive an, halb spöttisch, halb überlegen. Sein Gewand erscheint kostbar und modisch mit Spitzenkragen, auf dem Brokatstoff sind diverse symbolisch aufgeladene Ornamente eingestickt: Blätter, Pfeile und feurige Füllhörner könnten ihn entweder als umtriebigen Single oder als angehenden, liebeserfüllten Ehemann kennzeichnen.

Bei genauerer Begutachtung ist der Titel "Der Lachende Kavalier" allerdings irreführend, denn das Lachen ist nicht an seinen Mundwinkeln abzulesen. Es hat den Anschein, als hätte Hals das Lächeln nur durch den Augenaufschlag bei seinem Kavalier bewusst eingesetzt, um ihn so kokett distanziert mit den Betrachtenden flirten zu lassen. Eine Strategie, die beispielsweise die Fotopose "Smize" des 1990er-Supermodels Tyra Banks vorwegnimmt. Und auch sonst sind Hals‘ unkonventionelle Porträts und Genrebilder selten um ein gewinnendes Lächeln verlegen.

Charakterstudien mit Kontext

Wie bei vielen berühmten und talentierten Maler:innen lässt sich auch bei Frans Hals eine gelungene Symbiose aus Strategie und Intuition finden: Wie kann ein Mensch so dargestellt werden, dass bei der Betrachtung des Bildes eine emotionale Bindung entsteht?

Die Ausstellungsbesucher:innen können sich zwar auch ohne Vorwissen ein eigenes Bild über die einzelnen Charaktere machen – aber durch den historischen Kontext wird die Bedeutung des Werks nachvollziehbar und macht die Gemälde noch ein bisschen spannender. Wie hätten wir sonst wissen können, dass ein gemalter offener Mund, der Zähne zeigt, für die damalige Zeit moralisch total verwerflich war? Oder dass das locker im Garten gemalte lümmelnde Ehepaar einen gesellschaftlichen Affront darstellt?

Hals selbst hingegen ließ sich offenbar nur sehr ungern porträtieren, es soll kaum Bildnisse von ihm geben.

Frans Hals. Meister des Augenblicks, Ausstellungsansicht, Gemäldegalerie, 2024, (Quelle:© Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker)
Ausstellungsansicht in der GemäldegalerieBild: © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.07.2024, 07:55 Uhr

Beitrag von Julia Sie-Yong Fischer

5 Kommentare

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  1. 4.

    Ein schöner kultureller Beitrag. Danke dafür.

  2. 2.

    Schöner Beitrag. Hoffentlich wirft da die Generation "ich mach nichts, aber wenn, dann wenigstens Dinge kaputt" nicht noch Kartoffelbrei drauf. Zu mehr reicht es da ja nicht.

  3. 1.

    Ein Maler für die damaligen Eliten und heute gut für eine Ausstellung für das Gutbürgertum.

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