"Millennial" versus "Boomer" - "Von einem Generationenkonflikt kann keine Rede sein"
Klimaschutz, Ernährung, Gendern: Bei solchen Themen ist häufig die Rede vom Generationenkonflikt. Eine Studie zeigt: Alt und Jung sind sich ähnlicher als gedacht - und wünschen sich mehr Austausch. Zwei Brandenburger Bauern machen es vor. Von David Donschen
Arvid Salzwedel hockt auf seinem Acker in Rüthnick bei Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin). Der 35-Jährige pflanzt hier im sandigen, märkischen Boden Buchweizen an. Neben ihm hält der doppelt so alte Jürgen Frenzel seine Hand in ein gerade gebuddeltes Loch. Die beiden prüfen, wie feucht der Boden ist. "Sieht gut aus", sagt Frenzel.
Salzwedel stellt den landwirtschaftlichen Familienbetrieb gerade von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft um, Frenzel berät ihn - Jung lernt von Alt. Salzwedel gehört zu den sogenannten Millennials, also der Generation, die zwischen 1980 und Mitte der 1990er geboren wurde. Frenzel ist Teil der Babyboomer-Generation, die nach dem Krieg geboren wurde.
Zwei Generationen Bauern, die ziemlich ähnlich denken
In letzter Zeit ist häufig die Rede davon, dass es zwischen diesen Gruppen einen Generationenkonflikt gebe: die SUV-fahrenden Boomer gegen die klimaängstlichen Millennials - nur ein plakatives Beispiel.
Auf dem Acker in der Ostprignitz ist davon nichts zu spüren. Der 70-jährige Frenzel ist Biobauer der ersten Stunde. Schon kurz nach der Wende stellte er seinen Betrieb auf ökologische Landwirtschaft um. "Ich hatte viele Höhen und Tiefen seitdem", sagt er. Doch als Bauer gehe es auch darum, nachhaltig zu denken. Arvid Salzwedel denkt ähnlich: "Als Landwirt hast du eine Verantwortung. Der Boden hier und den Hof, das ist eine Leihgabe unserer Kinder." Hier stehen zwei Generationen Bauern, die sich ziemlich ähnlich sind und ähnlich denken.
Generationenstudie: Übereinstimmung bei den wichtigsten Werten
"Von einem Generationenkonflikt kann keine Rede sein", sagt auch der Organisationsforscher Kilian Hampel von der Universität Konstanz. Er hat sich in der aktuellen Trendstudie "Jugend in Deutschland" [trendstudie.de, Vollversion der Studie kostenpflichtig] angeschaut, wie Babyboomer, Millennials und die noch jüngere Generation Z denken. Gut 3.000 Menschen aus den verschiedenen Altersgruppen wurden dazu befragt, zum ersten Mal waren darunter auch ältere. Das Ergebnis: Zwischen den Generationen gibt es keine großen Werteunterschiede. Für alle drei Gruppen zählen Familie, Gesundheit und Freiheit zu den drei wichtigsten Werten.
Tatsächlich kann die junge Generation sogar als traditionell und konventionell bezeichnet werden, heißt es in der Studie weiter. Arvid Salzwedel passt da gut rein. Mit seinem Sohn und seiner Frau ist er vergangenes Jahr von Berlin wieder zurück nach Rüthnick gezogen und lebt jetzt mit seinen Eltern und Großeltern auf dem Hof. Er versteht sich auch nicht als Revolutionär, nur weil er Biobauer wird. "Die konventionelle Landwirtschaft hat genauso ihre Berechtigung" sagt Salzwedel.
Wenig Unterstützung für "Letzten Generation" - auch unter den Jungen
Nicht gegeneinander, sondern miteinander - das wünschen sich laut Forscher Hampel viele Menschen. Die Heftigkeit, mit der etwa die Umweltgruppe "Letzte Generation" die Babyboomer anklagt, gefällt nur den wenigsten der Befragten. Selbst unter den jüngsten Befragten in seiner Studie befürworten gerade einmal neun Prozent der 14- bis 29-Jährigen die Aktionen der "Letzten Generation".
Das Gespräch über die Generationen hinweg - bei Salzwedel und Frenzel funktioniert es. "Klar befinden uns in unterschiedlichen Lebenssituationen, aber das macht im persönlichen Umgang nichts aus", sagt der Jungbauer Salzwedel. Kennengelernt haben die beiden sich über ein Mentoring-Programm der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau. Mittlerweile sind die beiden Freunde, obwohl Frenzel doppelt so alt ist wie Salzwedel.
Transfer in beide Richtungen
Für Salzwedel hat Frenzels Alter viel Gutes: "Jürgen steht seit über 50 Jahren auf dem Acker, von diesem Erfahrungsschatz profitiere ich massiv", sagt er. Salzwedel hat Agrarwissenschaften in Berlin studiert. "Am Ende zählt aber die Praxis auf dem Feld und nicht die Theorie, gerade bei der Umstellung auf ökologische Landwirtschaft." Wie kann er ohne Insektizide etwas gegen den Schädlingsbefall machen? Wie lässt sich die Ernte vermarkten?
Eine 2021 veröffentlichte Seniorenstudie des Brandenburger Sozialministeriums [msgiv.brandenburg.de] prognostiziert, dass bis 2030 ein Drittel der Bevölkerung in Brandenburg im Rentenalter sein wird. Das ist aus Sicht des Ministeriums wesentliches Argument für die Weitergabe von Wissen. "Dieser klassischer Wissenstransfer - Jung lernt von Alt – wird immer mehr aufgebrochen", sagt Wissenschaftler Hampel. Denn mittlerweile würden auch die Jüngeren immer mehr Wissen mit der älteren Generation teilen, gerade wenn es um das Thema Digitalität gehe.
Auch der erfahrene Frenzel profitiert vom jüngeren Salzwedel. Der 35-Jährige experimentiert gern, nutzt etwa alte Sorten und versucht sogar Kichererbsen bei sich anzubauen. Frenzel guckt sich das eine oder andere davon ab für seinen Hof ab, den er immer noch führt. Ab und zu muss er den Jungbauern dann aber doch bremsen: "Manchmal hat er etwas zu viel Elan", sagt Frenzel über Salzwedel. Nicht gleich so groß denken, die Experimente erstmal auf kleineren Flächen anfangen, das empfiehlt er seinem jüngeren Kollegen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 23.05.2023, 19.30 Uhr