"Millennial" versus "Boomer" - "Von einem Generationenkonflikt kann keine Rede sein"

Di 23.05.23 | 06:01 Uhr | Von David Donschen
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Die Landwirte Arvid Salzwedel und Jürgen Frenzel auf dem Feld von Arvid Salzwedel in Rüthnick (Ostprignitz-Ruppin). (Quelle: rbb/Yasser Speck)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 19.05.2023 | D. Donschen | Bild: rbb/Yasser Speck

Klimaschutz, Ernährung, Gendern: Bei solchen Themen ist häufig die Rede vom Generationenkonflikt. Eine Studie zeigt: Alt und Jung sind sich ähnlicher als gedacht - und wünschen sich mehr Austausch. Zwei Brandenburger Bauern machen es vor. Von David Donschen

Arvid Salzwedel hockt auf seinem Acker in Rüthnick bei Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin). Der 35-Jährige pflanzt hier im sandigen, märkischen Boden Buchweizen an. Neben ihm hält der doppelt so alte Jürgen Frenzel seine Hand in ein gerade gebuddeltes Loch. Die beiden prüfen, wie feucht der Boden ist. "Sieht gut aus", sagt Frenzel.

Salzwedel stellt den landwirtschaftlichen Familienbetrieb gerade von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft um, Frenzel berät ihn - Jung lernt von Alt. Salzwedel gehört zu den sogenannten Millennials, also der Generation, die zwischen 1980 und Mitte der 1990er geboren wurde. Frenzel ist Teil der Babyboomer-Generation, die nach dem Krieg geboren wurde.

Zwei Generationen Bauern, die ziemlich ähnlich denken

In letzter Zeit ist häufig die Rede davon, dass es zwischen diesen Gruppen einen Generationenkonflikt gebe: die SUV-fahrenden Boomer gegen die klimaängstlichen Millennials - nur ein plakatives Beispiel.

Auf dem Acker in der Ostprignitz ist davon nichts zu spüren. Der 70-jährige Frenzel ist Biobauer der ersten Stunde. Schon kurz nach der Wende stellte er seinen Betrieb auf ökologische Landwirtschaft um. "Ich hatte viele Höhen und Tiefen seitdem", sagt er. Doch als Bauer gehe es auch darum, nachhaltig zu denken. Arvid Salzwedel denkt ähnlich: "Als Landwirt hast du eine Verantwortung. Der Boden hier und den Hof, das ist eine Leihgabe unserer Kinder." Hier stehen zwei Generationen Bauern, die sich ziemlich ähnlich sind und ähnlich denken.

Die Landwirte Arvid Salzwedel und Jürgen Frenzel auf dem Feld von Arvid Salzwedel in Rüthnick. (Ostprignitz-Ruppin). (Quelle: rbb/Yasser Speck)Arvid Salzwedel (links) und Jürgen Frenzel auf dem Feld in Rüthnick

Generationenstudie: Übereinstimmung bei den wichtigsten Werten

"Von einem Generationenkonflikt kann keine Rede sein", sagt auch der Organisationsforscher Kilian Hampel von der Universität Konstanz. Er hat sich in der aktuellen Trendstudie "Jugend in Deutschland" [trendstudie.de, Vollversion der Studie kostenpflichtig] angeschaut, wie Babyboomer, Millennials und die noch jüngere Generation Z denken. Gut 3.000 Menschen aus den verschiedenen Altersgruppen wurden dazu befragt, zum ersten Mal waren darunter auch ältere. Das Ergebnis: Zwischen den Generationen gibt es keine großen Werteunterschiede. Für alle drei Gruppen zählen Familie, Gesundheit und Freiheit zu den drei wichtigsten Werten.

Tatsächlich kann die junge Generation sogar als traditionell und konventionell bezeichnet werden, heißt es in der Studie weiter. Arvid Salzwedel passt da gut rein. Mit seinem Sohn und seiner Frau ist er vergangenes Jahr von Berlin wieder zurück nach Rüthnick gezogen und lebt jetzt mit seinen Eltern und Großeltern auf dem Hof. Er versteht sich auch nicht als Revolutionär, nur weil er Biobauer wird. "Die konventionelle Landwirtschaft hat genauso ihre Berechtigung" sagt Salzwedel.

Das Feld von Arvid Salzwedel in Rüthnick (Ostprignitz-Ruppin). (Quelle: rbb/Yasser Speck)
Der Acker in Rüthnick | Bild: rbb/Yasser Speck

Wenig Unterstützung für "Letzten Generation" - auch unter den Jungen

Nicht gegeneinander, sondern miteinander - das wünschen sich laut Forscher Hampel viele Menschen. Die Heftigkeit, mit der etwa die Umweltgruppe "Letzte Generation" die Babyboomer anklagt, gefällt nur den wenigsten der Befragten. Selbst unter den jüngsten Befragten in seiner Studie befürworten gerade einmal neun Prozent der 14- bis 29-Jährigen die Aktionen der "Letzten Generation".

Das Gespräch über die Generationen hinweg - bei Salzwedel und Frenzel funktioniert es. "Klar befinden uns in unterschiedlichen Lebenssituationen, aber das macht im persönlichen Umgang nichts aus", sagt der Jungbauer Salzwedel. Kennengelernt haben die beiden sich über ein Mentoring-Programm der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau. Mittlerweile sind die beiden Freunde, obwohl Frenzel doppelt so alt ist wie Salzwedel.

Transfer in beide Richtungen

Für Salzwedel hat Frenzels Alter viel Gutes: "Jürgen steht seit über 50 Jahren auf dem Acker, von diesem Erfahrungsschatz profitiere ich massiv", sagt er. Salzwedel hat Agrarwissenschaften in Berlin studiert. "Am Ende zählt aber die Praxis auf dem Feld und nicht die Theorie, gerade bei der Umstellung auf ökologische Landwirtschaft." Wie kann er ohne Insektizide etwas gegen den Schädlingsbefall machen? Wie lässt sich die Ernte vermarkten?

Eine 2021 veröffentlichte Seniorenstudie des Brandenburger Sozialministeriums [msgiv.brandenburg.de] prognostiziert, dass bis 2030 ein Drittel der Bevölkerung in Brandenburg im Rentenalter sein wird. Das ist aus Sicht des Ministeriums wesentliches Argument für die Weitergabe von Wissen. "Dieser klassischer Wissenstransfer - Jung lernt von Alt – wird immer mehr aufgebrochen", sagt Wissenschaftler Hampel. Denn mittlerweile würden auch die Jüngeren immer mehr Wissen mit der älteren Generation teilen, gerade wenn es um das Thema Digitalität gehe.

Die Landwirte Arvid Salzwedel und Jürgen Frenzel auf dem Feld von Arvid Salzwedel in Rüthnick (Ostprignitz-Ruppin). (Quelle: rbb/Yasser Speck)
| Bild: rbb/Yasser Speck

Auch der erfahrene Frenzel profitiert vom jüngeren Salzwedel. Der 35-Jährige experimentiert gern, nutzt etwa alte Sorten und versucht sogar Kichererbsen bei sich anzubauen. Frenzel guckt sich das eine oder andere davon ab für seinen Hof ab, den er immer noch führt. Ab und zu muss er den Jungbauern dann aber doch bremsen: "Manchmal hat er etwas zu viel Elan", sagt Frenzel über Salzwedel. Nicht gleich so groß denken, die Experimente erstmal auf kleineren Flächen anfangen, das empfiehlt er seinem jüngeren Kollegen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 23.05.2023, 19.30 Uhr

Beitrag von David Donschen

12 Kommentare

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  1. 12.

    "Wir haben in Deutschland keine Sprachpolizei."
    Dies muß dann aber für beide Richtungen gelten. Wenn jemand dieses Schluckaufdeutsch oder Pünktchengeschreibsel als "falsch" bezeichnet, ist das in "keinster Weise" ein Versuch eines Verbotes. Manche Befürworter spielen sich aber wie der Spiritus Rector in Persona auf.

    "Keinster Weise" - steht auch im Duden. Inhaltlich aber eine echte Hohlnummer - "niemals nicht" oder "schwarzes Schwarz" kommt bestimmt auch noch.

  2. 11.

    Wissen Sie, was mit den Leuten passiert ist, die aus ideologischen und umerzieherischen Gründen die Sprache verschandelt haben? Sie wurden geächtet. Immer.
    Weiterentwicklung ist etwas ganz anderes. Wenn es der (schnelleren) Verständigung dient. Sagen alle Experten und Profis.

  3. 10.

    Als Lehrer sage ich Ihnen: „Blüte“ hat recht. Woher haben Sie, entgegen allen Umfragen, Ihre Informationen her? Doch nicht aus dem „Bauch“?

  4. 9.

    "Beispiel: Wer unter Schülern und Jugendlichen gendert, also absichtlich, jenseits der Lehrmeinung an den Schulen, falsch spricht, ist schnell einsam."
    Weder verstehen sie was Jugendsprache ist, noch haben sie offensichtlich Kontakt zu Jugendlichen. Viele gendern, benutzen neue Pronomen und denken nicht-binär. Klar nicht alle, aber was sie dort beschreiben ist weit an der Realität vorbei.
    Übrigens falsch sprechen ist ihre Wertung. Sprache hat sich schon immer verändert und jedes Jahr werden neue Worte in den Duden aufgenommen. Sie können gerne Ihre Meinung haben, aber verbieten Sie anderen nicht die Meinung- und Sprachfreiheit. Wir haben in Deutschland keine Sprachpolizei.

  5. 8.

    „Klimaschutz, Ernährung, Gendern“ Die Botschaft in der Einleitung ist nicht nur irreführend sondern sogar gänzlich falsch anmutend. Es ist nicht i.O. daran einen Generationenkonflikt zu beschreiben. Beispiel: Wer unter Schülern und Jugendlichen gendert, also absichtlich, jenseits der Lehrmeinung an den Schulen, falsch spricht, ist schnell einsam. Auch Ernährung und Klimaschutz eignen sich nicht. Es gibt ein Gespür, über alle Altersgruppen hinweg, wer es nötig hat sich „darzustellen“ und wer mitarbeiten will.

  6. 7.

    Nun - immerhin haben wir in Sachen Klimaschutz abermillionen Autos mit Kat ausgerüstet, abermillionen Kohleöfen abgeschafft, abermillionen Industrieschlote abgerissen oder mit Filtern ausgerüstet. Die Umwelt ist inzwischen wohl so sauber, wie seit Jahrhunderten nicht mehr. Nur auf so geniale Ideen, wie uns an die Straße zu kleben oder Kunstwerke zu zerstören, sind wir nicht gekommen. Sorry...

  7. 6.

    Erfahrungsweitergabe ist extrem wichtig, sonst entwickelt sich eine Kultur ja nicht weiter. Man hört ja auch, dass die Millenials denken, sie hätten das Internet „erfunden“, dabei wurde jenes durch die Babyboomer und Generation Golf entwickelt. Was das Rentensystem angeht, ist eigenes Ansparen mit Mitte 20 wichtiger. Die Älteren hat man mit unglücklichen Sprüchen zu lange „nur“ bei der DRV gehalten.

  8. 5.

    Ich bin der Meinung jede Generation sollte ihre eigenen Erfahrungen machen. Jede Generation hat seine guten und schlechten Zeiten zu durch leben und daraus seine Lehren ziehen.

  9. 4.

    Super! Trotzdem ist in Sachen Klimaschutz einfach nichts passiert. Und das war zu überwindenden Teil die Generation der Boomer der die weichen gelegt hat. Das kann man drehen wie man will aber politisch und gesellschaftlich haben die Millennials erst seit ein paar Jahren überhaupt irgendwas zu sagen. Z.B. die Schiene über Jahrzehnte abzubauen und Autobahnen zu bauen ist ein Griff ins Klo.

  10. 3.

    Thema verfehlt.
    Das sind nicht die Kernprobleme zwischen den Generationen, auch wenn es schon mal nett ist, dass die "Boomer" nicht andauernd alles besser wissen.
    Rücksicht auf die Gefühle der älteren Generation will ich gar nicht nehmen, weil diese Generation auf meine Gefühle keine Rücksicht genommen hat und jetzt fordert deren Probleme zu lösen ohne dass man die grundlegenden Probleme angehen darf.
    Schöne romantische Geschichte, aber ganz weit weg vom wirklichen Generationenkonflikt und schon gar kein Ansatzpunkt um gegen die LG zu wettern.

  11. 2.

    Ich habe die gleichen Erfahrungen gemacht. Ich bin Millennial, meine Großeltern Babyboomer. Es gibt eher Meinungsverschiedenheiten bei der Generation geb. Ab 1965 (Gen X). Sie mussten in der Kindheit weniger verzichten als die Nachkriegsgeneration und dementsprechend fällt eine Umstellung auch schwerer. Unzufriedenheit wegen des späten Renteneintritts, zusätzlich die 100% Besteuerung der Rente, wenig Wertschätzung der erbrachten Leistung usw. Meine Eltern können schwer auf Konsum verzichten und möchten sich den Lebensstandard nicht nehmen lassen (z. B. Jedes Jahr in den Urlaub fliegen). Wir reden zum Glück viel miteinander und lassen den anderen leben wie er mag. :-)

  12. 1.

    Obwohl mir eine Jugend, die "traditionell und konventionell" ist, ein wenig Angst macht - der Generationenkonflikt ist Triebfeder der menschlichen Kultur -, gefällt mir, dass Wissenstransfer nun nicht mehr als einseitig angesehen wird.

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