Kurz und eisig - Keiner klebt allein - Wahlkämpfer in Sorge vor Gewalt

Sa 11.01.25 | 08:21 Uhr | Von Tobias Schmutzler
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Vorbereitete Plakatwände, aber noch ohne Wahlwerbung (Symbolbild, Quelle: Julian Stratenschulte, dpa)
Bild: dpa

Ab der Nacht von Samstag auf Sonntag dürfen Wahlplakate für die Bundestagswahl aufgehängt werden. In Berlin ist es der fünfte Wahlkampf in drei Jahren. Nicht einfach zu schultern für die Parteien – vor allem bei Winterwetter. Von Tobias Schmutzler

"Darf ich Ihnen einen Kugelschreiber schenken?" Obwohl Mario Rhode auf dem Wittenbergplatz kostenlose Stifte im Angebot hat, laufen viele Passanten wortlos an ihm vorbei. Für den Landesvorsitzenden der Freien Wähler in Berlin ist das ein Vorbote, wie die kommenden Wochen ablaufen werden. "Das Wetter wird es schwierig machen, den Wahlkampf zu bestreiten, und dann ist da der Zeitfaktor: Bis zum 23. Februar ist nicht viel Zeit, Menschen zu überzeugen", sagt Rhode.

Nur wenige bleiben an diesem Nachmittag stehen, um sich kurz über die politischen Forderungen der Freien Wähler zu informieren. Die Partei will unter anderem den Steuerfreibetrag für Erwerbstätige und Rentner fast verdoppeln, die Migration begrenzen und den sozialen Wohnungsbau verstärken. Zwei bis zweieinhalb Prozent der Zweitstimmen wollen die Freien Wähler in Berlin bekommen – und über drei bis vier Direktmandate, die sie in Bayern gewinnen wollen, in den Bundestag einziehen.

Für die kleinen Parteien ist der kurzfristig anberaumte Wahlkampf nochmal schwieriger zu schultern als für die etablierten. Kleinparteien haben meist viel weniger Personal und Budget. Diejenigen, die bisher keine Abgeordneten in Landtagen oder im Bundestag haben, müssen zudem bis zum 20. Januar 2.000 Unterschriften in Berlin sammeln.

Heiße Phase des Bundestagswahlkampfs beginnt

Ab der Nacht von Samstag auf Sonntag dürfen die Parteien Wahlplakate aufhängen. Damit beginnt die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs. Direkt nach Mitternacht geht es für alle Parteien darum, sich die besten Plätze an den Laternenmasten zu sichern. In Berlin startet damit bereits der fünfte Wahlkampf in drei Jahren; es gab zuletzt zwei reguläre Wahltermine und zwei Wiederholungswahlen. Der anstehende Wahlkampf ist zudem der dritte in einem Winter in Folge.

"So viele Wahlkämpfe in so kurzer Frist – das ist für die Ehrenamtlichen eine große Herausforderung", sagt Jan-Marco Luczak, der die Berliner CDU in die Bundestagswahl führt. "Es wird früher dunkel. Wir müssen versuchen, die Leute bei Tageslicht zu erreichen. Und wir brauchen dicke Socken und Unterwäsche, wenn wir stundenlang auf den Plätzen stehen." 4.000 Plakate und 8.000 Kabelbinder haben Luczak und sein Team in Tempelhof in einer leerstehenden Wohnung zwischengelagert. Rund 100 Ehrenamtliche werden sie ab der Nacht von Samstag auf Sonntag auf die Straßen zu bringen.

Über 100.000 Wahlplakate in Berlin

Wahlkampf ist, auch in Zeiten von Social Media, immer noch eine Materialschlacht mit Papier und Plastik. Über 100.000 Wahlplakate dürften ab nächster Woche dann in Berlin hängen. Auf rbb-Anfrage teilte die CDU mit, sie werde etwa 40.000 Plakate aufhängen. Die Linke plant 24.000, die Grünen 20.000, die FDP 17.000, die AfD 14.000 und das BSW 7.000. Die SPD machte keine Angabe.

Auf die Frage nach dem Wahlkampfbudget des Berliner Landesverbands antworteten drei Parteien: Die Grünen verfügen über 730.000 Euro, die FDP über 500.000 Euro und Die Linke über 300.000 Euro. CDU, SPD, AfD und BSW machten entweder keine Angabe oder verwiesen darauf, dass die Bundesparteien das Gros des Budgets zur Verfügung stellten.

Sorge vor Gewalt im Wahlkampf

Auch in der Geschäftsstelle des Linken-Bezirksverbands in Spandau stehen meterhohe Stapel mit über 1.000 Plakaten in der Ecke. Die Mitglieder besprechen an diesem Abend die Wahlkampf-Einsätze der nächsten Wochen. Haustürgespräche und Koch-Aktionen sind geplant. "Wir sind geübt, durch die letzten Jahre. Wir haben genug Kaffee, Glühwein und Tee eingekauft. Bei uns wird keiner am Stand frieren", sagt Marc Mattern aus dem Linken-Bezirksvorstand.

Aber auch auf unangenehme Ereignisse werden die Ehrenamtlichen vorbereitet, zum Beispiel auf mögliche Angriffe gegen Plakatierende. "Gewalt ist schon ein großes Thema“, sagt Mattern. "Im Europawahlkampf gab es viele Übergriffe auf Abgeordnete und Ehrenamtliche, auch aus anderen Parteien. Deshalb haben wir klare Regeln aufgestellt: Keiner geht alleine plakatieren. Und zu späten, dunklen Zeiten schaut man, dass man in größeren Gruppen auf jeden Fall unterwegs ist.“ Der kurze, eisige Winterwahlkampf beginnt jetzt – und er wird sicher hart, aber hoffentlich auch fair ablaufen.

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Beitrag von Tobias Schmutzler

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23 Kommentare

  1. 23.

    Umso schlimmer, dass nach jahrelangem Kauen nach wie vor immer wieder das Umfeld mit diesem Plakatemüll verschandelt wird! Es gibt durchaus Orte, wo vermutlich sogar Sicherheitsbedenken angebracht wären (Sichtbehinderungen im Verkehr!).
    Bei so vielen Möglichkeiten zur Information halte ich Laternenplakate schon allein durch ihren minimalen Informationsgehalt für komplett verzichtbar. Und mehr oder weniger freundliche Gesichter sind kein Inhalt.

  2. 22.

    Ich baue da wirklich auf Anstöße. Einmal gab es in Bremen eine löbliche Übereinkunft zur allseitigen Zurückhaltung. Hoffnungslos ist die Sache allerdings keineswegs, soweit dies nicht nur einfach hingenommen, sondern auch einschlägig kommentiert wird und das möglichst auf allen Ebenen.

    Die Demokratie wird nicht beschädigt durch zu wenig Plakate, sondern durch zu viele.

  3. 21.

    Seit ca. 5:00 Uhr ist die Frage nach Gewalt beantwortet. In Riesa wüten die aufrechten Demokraten. 32 Hundertschaften sind vor Ort um die Demokraten am zerlegen der Umgebung zu hindern.

  4. 20.


    ,,Feuer in L. A., Trump, Musk, Kickl: 2025 ist jetzt schon das Jahr der Raserei. In einer Welt, die sich so unmenschlich beschleunigt, wird das Tempo selbst zum Ereignis.“
    Und auch noch die Wahl….
    Grün steht fest, aus Protest (siehe oben!).

  5. 19.

    Nee, allein isses nicht so schön, zu zweit machts viel mehr Spaß!

  6. 17.

    Ja doch! Thema Wahlplakte ist tausendfach durchgekaut, sinnlos, Umwelt usw. Aber nun werden die angebracht, so what?
    Ich weiß auch, daß ich Habeck als Kanzler will, nicht Merz.

  7. 16.

    Steffen,ich weiß nicht wo sie wohnen,hier in Pankow hängen sehr wenige Plakate von der AFD.
    Hier hängen die "Larven",wie Sie es ausdrücken, der SPD und Grünen. Und die verursachen bei mir auch ganz üble Dinge.

  8. 15.

    Die vorläufigen Daten zeigen, dass hier in Thüringen vor allem Plakate der AfD beschädigt oder gestohlen worden sind. Etwa 470 AfD-Wahlplakate wurden demnach während des Kommunal- beziehungsweise Europawahlkampfs angegriffen. Am zweit- und drittmeisten traf es Werbematerial der CDU und der Grünen.

  9. 14.

    Im Sinne dessen, dass Demokratie zuallererst die Meinungsbekundung ist und erst in zweiter Linie das bloße rechnerische Abstimmen auf dem Stimmzettel, könnten Sie Ihren Kommentar dazu schreiben. Ein freies Feld, mit dem Sie die Werbeaussage nicht überdecken, wird sich gewiss finden. Da wird niemanden etwas genommen, nur etwas hinzugefügt. ;-)

  10. 13.

    Jeder Mensch, der sich mit Wahrnehmungspsychologie auskennt, weiß, dass sieben Wahlplakate an einem Laternenmast dazu führen, dass letztlich keines der Plakate noch eine Wirkung entfaltet. Wer sich umschaut, weiß, dass eine derartige Zahl an Plakate weit mehr die Regel als die Ausnahme ist.

    Zudem: Wahlplakate finden sich vorwiegend an Hauptverkehrsstraßen. Wer aber schaut wirklich drauf, um den Preis eines Zusammenstoßes, den das ggf. zur Folge hat, mithin Plakate faktisch nur aus dem Augenwinkel wahrgenommen werden.

    Alle, die werben, wissen das. Der Mut, daran etwas zu ändern, fehlt allerdings. Ein Zehntel der veranschlagten Wahlplakate reichten vollkommen aus, konzentriert auf die wichtigsten, zu Fuß frequentierten Plätze und immer verbunden mit einem Hinweis, wo denn der örtliche Parteikandidat / die örtliche Parteikandidatin seinen und ihren Auftritt hat.

    D. h. Konzentration auf das Wesentliche und die Entrümpelung des faktisch Überflüssigen.

  11. 12.

    Ist ja auch interessant, dass sich die Polizei hier im Osten so gar nicht dafür interessiert.

  12. 10.

    Exakt, die Parteien sind nicht lernfähig. Die Pappenheimer glauben weiterhin an den Wahlkampf mit den Plakaten und sind dann verwundert ihn zu bekommen.

  13. 9.

    Auch ich brauch kein Werbeplakat, da ich weiß, was ich will und was nicht. Würde aber Wahlhelfer beim Kleben unterstützen, wenn es um die Grünen geht. Die aktuelle Katastrophe in Kalifornien bestärkt mich in meiner Entscheidung für Herrn Habeck Punkt.

  14. 8.

    Auch ich brauch kein Werbeplakat, da ich weiß, was ich will und was nicht. Würde aber Wahlhelfer beim Kleben unterstützen, wenn es um die Grünen geht. Die aktuelle Katastrophe in Kalifornien bestärkt mich in meiner Entscheidung für Herrn Habeck Punkt.

  15. 7.

    Plakatieren schädigt die Umwelt und produziert Müll. Wenn meine Socke mit Loch in den Altkleidercontainer gehöhrt, den ich nicht mehr habe, kann man von der Politik erwarten im Wahlkampf Umweltfreundlich zu denken. Gewalt geht gar nicht. Hoffe es passiert den Wahlhelfen nichts. Früher musste man nur als Polizist damit rechnen. Was auch schlimm genug ist, dass man damit zu rechnen hat.Oder wurde einfach weniger berichtet?

  16. 6.

    Zukunft ist gut für alle!

    Im Ernst: Was für eine Verschwendung von Ressourcen und Verschmutzung der Umwelt.

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