Alba Berlin - Pedro Calles tritt als Schattentrainer ins Scheinwerferlicht
Pedro Calles wurde mit der schweren Mission beauftragt, den langjährigen Cheftrainer Israel Gonzalez bei Alba Berlin zu ersetzen. Er legte mit zwei Siegen den perfekten Start hin - weil er deutlich anders agiert als sein Vorgänger. Von Marc Schwitzky
Zu seinem Amtsantritt als neuer Cheftrainer des Basketball-Bundesligisten Alba Berlin hatte Pedro Calles gemischte Gefühle. "Man kann sich vorstellen, dass es menschlich schwer ist, so jemanden wie Israel Gonzalez zu beerben – ich schätze ihn sehr, er ist ein toller Mensch und Trainer", erklärt Calles knapp eine Woche später seine Gefühlslage gegenüber dem rbb. "Andererseits empfinde ich großes Glück, nun so einen großen Klub wie Alba Berlin trainieren zu dürfen und solch eine Herausforderung angehen zu können."
Erst zu Beginn des Jahres war der Spanier als neuer Assistenztrainer für den Stab um den damaligen Head Coach Israel Gonzalez verpflichtet worden. Wie eine normale Verstärkung wirkte Calles allerdings nicht. Der Spanier war in der Vergangenheit bereits Cheftrainer in Oldenburg, Hamburg und Vechta – eigentlich zu hoch dekoriert für einen normalen Assistenztrainer. Zudem stand Gonzalez sportlich stark in der Kritik, sein Vertrag lief zum Saisonende aus. War Calles also nur der Schattentrainer, der bei erstbester Gelegenheit von Gonzalez, der Alba immerhin fünf Jahre trainierte, beerben würde?

Calles legt perfekten Start hin
"Wir glauben an Israel und seine Arbeit als unser Head Coach. (…) Wir wollen auch über den Sommer hinaus mit ihm weiterarbeiten", beteuerte Sportdirektor Himar Ojeda zwar bei Calles' Verpflichtung, doch am 12. März war es so weit. Nachdem sich die Ergebnisse der Basketballer nicht verbesserten, zog Alba die Reißleine: Gonzalez musste gehen, Calles folgte auf ihn. Nach wenigen Monaten tritt der Schattentrainer ins große Scheinwerferlicht – und das bislang sehr erfolgreich.
24 Stunden hatte Calles Zeit, sich und die Mannschaft auf sein erstes Spiel als Head Coach vorzubereiten. "Es hatte viel mit Energie, Motivation und Zusammenhalt zu tun", beschreibt Alba-Spieler Jonas Mattisseck die ersten Handgriffe des Spaniers. "Er will, dass wir auf dem Feld zusammen agieren – auch mit der Bank. Das hatte uns vorher ein wenig gefehlt und bereits sehr geholfen." So sehr geholfen, dass die Berliner einen äußerst überraschenden 97:90-Heimsieg gegen Baskonia Vitoria-Gasteiz feierten und dabei eine völlig anderes Gesicht zeigten. Der erste Heim-Erfolg in der Euroleague seit vier Monaten.
"Das hat mit Sicherheit mit dem Trainerwechsel zu tun"
Für das darauffolgende Spiel hatte Calles immerhin drei Tage zur Vorbereitung. Auch gegen die Basketball Löwen Braunschweig, den Tabellendritten der Bundesliga, präsentierte sich Alba generalüberholt. Die Berliner fertigten ihren Gegner mit 108:73 ab, der zweite Sieg in Folge.
Der perfekte Start für Calles, der den Fokus bescheiden auf die Mannschaft legt: "Ich muss mich bei den Spielern bedanken. Sie haben meine Herangehensweise extrem gut umgesetzt. Wir dürfen nicht vergessen, was für großartige Spieler hier spielen – ohne sie würde Alba nicht auf solch hohem Niveau agieren."
Er glaube in jedem Fall, "dass wir mit einer ganz anderen Energie als in den letzten Wochen und Monaten aufgetreten sind. Das hat mit Sicherheit mit dem Trainerwechsel zu tun", bekräftigt Mattisseck. "Das Erste, was man ändern kann, ist die Energie und Einstellung – mit welcher Bereitschaft man Basketball spielt. Ich glaube, das ist uns in den ersten beiden Spielen unter Pedro sehr gut gelungen."
Calles lebt Energie vor
Energie und Einstellung – zwei Werte, die Calles mit jeder Faser seines Körpers vorlebt. Der 41-Jährige unterscheidet sich von Vorgänger Gonzalez wohl am meisten in der Aktivität während eines Spiels. "Ich will die beiden gar nicht so miteinander vergleichen, weil ich sie beide als Trainer sehr schätze", schiebt Mattisseck voran, betont aber: "Wir erleben als Team natürlich, dass Pedro an der Seitenlinie deutlich energischer ist und mehr mit den Spielern agiert, ihnen direktes Feedback gibt. Er pusht nach guten Aktionen und baut einen nach schlechten wieder auf."
Calles wirkt während des Spiels schon beinahe wie ein zusätzlicher Feldspieler, geht jeder Aktion mit, feuert an, hadert – und coacht jeden Moment, ob von den Spielern gehört oder in der Hitze des Gefechts kaum beachtet. "Ich möchte authentisch sein. Wenn das das Resultat ist, dann ist es so - und wenn es dem Team hilft, umso besser", erklärt sich Calles. "Ich kann meinen Job nicht gut machen, wenn ich mich verstelle. Was man an der Seitenlinie sieht, bin einfach ich."

Der Drei-Punkte-Plan
Während Calles während der Spiele hoch emotional ist, wirkt er im Gespräch äußerst fokussiert. Er durchbohrt sein Gegenüber schon beinahe mit seinem Blick, gibt klare, prägnante Antworten. So klar wie auch seine Herangehensweise an die derzeitige sportliche Situation Albas: "Wir haben unsere drei Schritte klar definiert. Zuallererst müssen wir jeden Tag mit dem Willen, uns zu verbessern, zum Training erscheinen. Wir spielen noch in der Euroleague und wollen jedes einzelne Spiel mithalten – mit dem klaren Ziel, darauf aufbauend jedes Spiel in der BBL zu gewinnen." Training, Euroleague, BBL – alles zahlt auf das große Ziel ein, doch noch einmal in den Meisterschaftskampf einzugreifen.
"Die Liga ist dieses Jahr sehr eng – ein großer Vorteil für uns, da wir bisher nicht so gut dastehen. Wir könnten innerhalb von ein paar Spielen sehr viel erreichen", blickt Mattisseck ambitioniert voraus. "Das gibt uns Pedro auch in jedem Training und jedem Spiel mit. Wir wollen uns in eine bestmögliche Ausgangslage für hoffentlich einen direkten Playoff-Platz bringen."
Derzeit steht Alba auf Tabellenrang zwölf, sechs Plätze hinter dem eigenen Ziel. Mit einer Serie ist noch alles möglich.
Sendung: rbb Der Tag, 20.03.2025, 18 Uhr
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