Anschlagsserie - Neukölln-Ausschuss schließt Zeugen-Komplex "Staatsanwaltschaft" ab
Der Untersuchungsausschuss zu der Anschlagsserie in Berlin-Neukölln hat die Arbeit der Generalstaatsanwaltschaft gelobt. Deutliche Kritik übten die Abgeordneten dagegen an der zuvor für die Ermittlungen zuständigen Staatsanwaltschaft. Von Sabine Müller
Der Neukölln-Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus hat am Freitag den dritten großen Zeugen-Komplex abgeschlossen. Nach Polizei und Verfassungsschutz stand die Arbeit der Staatsanwaltschaften im Mittelpunkt.
Für das Agieren der Generalstaatsanwaltschaft gab es viel Lob von den Abgeordneten, viel Kritik gab es dagegen für die zunächst zuständige Staatsanwaltschaft. Ihr konnte allerdings in den Zeugenbefragungen kein bewusstes oder politisch motiviertes Fehlverhalten nachgewiesen werden.
Arbeit der Generalstaatsanwaltschaft "sehr vorbildlich und professionell"
CDU, SPD, Grüne und Linke zeigten sich bei der abschließenden Pressekonferenz einig: Es sei richtig gewesen, dass die Generalstaatsanwältin die Ermittlungen zur Anschlagsserie im Sommer 2020 an sich gezogen und die Staatsanwaltschaft raus gewesen sei. Die Arbeit der Generalstaatsanwaltschaft sei "sehr vorbildlich und professionell" gewesen, lobte der grüne Ausschussvorsitzende Vasili Franco. "Da hat man gesehen, dass die hartnäckige Arbeit Früchte getragen hat". Klarere Strukturen, bessere Aktenauswertung und bessere Kooperation mit der Polizei hätten zu mehr Aufklärungserfolg geführt, so das Fazit der Abgeordneten.
Damiano Valgolio von der Linksfraktion machte den "neuen Drive" der Ermittlungen mitverantwortlich dafür, dass die beiden Hauptverdächtigen der Anschlagsserie im vergangenen Dezember zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden konnten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden Rechtsextremisten zwei von insgesamt 23 Brandstiftungen der Neukölln-Serie verübt haben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Kritik an Arbeit der Staatsanwaltschaft
Deutlich schlechter bewerteten die Abgeordneten die Arbeit der Staatsanwaltschaft, die zunächst jahrelang für den Neukölln-Komplex zuständig war. Kritikpunkte sind unter anderem, dass die Verfahren dort nicht gebündelt und Überwachungs-Anträge der Polizei teils mit großer Verzögerung bearbeitet wurden.
André Schulze von den Grünen äußerte Zweifel am Engagement der zuständigen Staatsanwälte. Er erinnerte an den "erschreckenden" Zeugenauftritt von Ralph Knispel, der zu Beginn der Neukölln-Serie Abteilungsleiter war, sich bei seiner Befragung aber an kein einziges Verfahren erinnern konnte. "Wenn jemand mit so einer Einstellung über fünf Jahre den Staatsschutzbereich leitet, dann muss man sich nicht wundern, dass die Abteilung nicht hervorragend aufgestellt ist, um den Rechtsextremismus in Berlin zu bekämpfen", kritisierte Schulze.
Der CDU-Abgeordnete Stephan Standfuß verwies darauf, dass es bei der Staatsanwaltschaft zu viele Fälle und zu wenig Personal gegeben habe. "Und man deshalb an der einen oder anderen Stelle die Ermittlungen nicht so durchführen konnte, wie das dann die Generalstaatsanwaltschaft gemacht hat", sagte Standfuß.
Ähnlich hatte sich zuvor in der Befragung auch Dirk Feuerberg, Ex-Abteilungsleiter der Generalstaatsanwaltschaft, geäußert. Angesichts von bis zu 7.000 Verfahren im Jahr könne es das Personal der Staatsanwaltschaft "nicht stemmen", so zu arbeiten, wie seine Abteilung es dann getan habe. Feuerberg ließ aber auch durchblicken, dass er die Haltung der Staatsanwaltschaft gegenüber der Polizei kritisch beurteilt. Er sprach von einem "gewissen Standesbewusstsein", der Linken-Abgeordnete Valgolio nannte es später "Standesdünkel".
Für Wiebke Neumann von der SPD wurde in den Zeugenbefragungen deutlich, "dass eine bewusste oder politisch geleitete Verzögerung oder Fehlleistung nicht konkret nachgewiesen werden konnte, beziehungsweise erkennbar war." Die Generalstaatsanwaltschaft hatte den Neukölln-Komplex an sich gezogen, nachdem im Sommer 2020 der Verdacht aufkam, die politische Einstellung eines Oberstaatsanwalts könne ihn befangen gemacht haben. Ein Neonazi, dessen Kommunikation überwacht wurde, hatte in einem Chat geschrieben, von diesem Ermittler sei nichts zu befürchten, er stehe der AfD nah.
Der Oberstaatswalt wies den Vorwurf zurück, Belege für eine Befangenheit fanden sich nicht. Für die Generalstaatsanwaltschaft sagte Dirk Feuerberg mit Blick auf die Arbeit der Staatsanwaltschaft: "Wir haben keinen rauchenden Colt gefunden für Manipulation oder Schlechtleistung, und wir haben sehr genau hingeschaut."
AfD-Abgeordneter bleibt Sitzungen seit Monaten fern
Nach dem Abschluss des Komplexes "Staatsanwaltschaft" gehen die Ermittlungen des Neukölln-Untersuchungsausschusses langsam auf die Zielgerade. Bis zur Sommerpause werden unter anderem noch Zeugen aus der Politik befragt, dann beginnt die Arbeit am Abschlussbericht.
Vertreterinnen und Vertreter von CDU, SPD, Grünen und Linken fragen sich, ob der zuständige Abgeordnete der AfD dann wieder im Ausschuss auftauchen wird. Bei den regulären Sitzungen wurde er seit Monaten nicht mehr gesehen, schickt nur einen Mitarbeiter, der mitschreibt. "Dass die AfD durch Abwesenheit glänzt, schadet der Arbeitsfähigkeit des Ausschusses nicht", meint der Linke Damiano Valgolio. Ausschusschef Franco geht davon aus, dass der AfD-Mann "wenig zur Bewertung beizutragen" habe, falls er überhaupt komme.
Sendung: rbb24 Inforadio, 21.03.2025, 16 Uhr