Starker Zuzug vom Subkontinent - Warum der Boom der indischen Community in Berlin kein Zufall ist

Sa 22.03.25 | 08:03 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Archivbild: Teilnehmerinnen der indischen Gemeinschaft in traditionellen Sari Kleidern tanzen auf dem Karneval der Kulturen in 2023. (Quelle: IMAGO/Olaf Schuelke)
IMAGO/Olaf Schuelke
Audio: rbb24 Inforadio | 18.03.2025 | Birgit Raddatz | Bild: IMAGO/Olaf Schuelke

Seit 2014 hat sich die Zahl der Menschen mit indischer Staatsangehörigkeit in Berlin mehr als verzehnfacht. Der Zuzug vom asiatischen Subkontinent zeigt, was für eine Erfolgsgeschichte Migration sein kann - nur redet kaum jemand darüber. Von S. Schöbel

Wer wissen möchte, wie hoch Deutschland bei Menschen in Indien gerade im Kurs steht, sollte Marla Stukenberg in Delhi anrufen. Die Regionalleiterin Südasien ist allein in Indien für insgesamt sechs Goethe-Institute und vier Goethe-Zentren verantwortlich, an denen Deutschunterricht und vor allem die für migrationswillige Fachkräfte wichtigen Deutschprüfungen angeboten werden.

"200.000 Prüfungsteilnehmer hatten wir hier", rechnet Stukenberg vor. "Also, 200.000 im vergangenen Jahr." Zum Vergleich: Das sind mehr Menschen als Potsdam Einwohner hat. "Es gibt wirklich ein großes Interesse an Deutschland als Studien- und Karriereziel", so Stukenberg.

Berlin als Sprosse der Karriereleiter

Auf fast 41.500 Menschen ist die indische Community allein in Berlin inzwischen angewachsen, wie Recherchen von rbb|24 jüngst ergaben. Innerhalb eines Jahrzehnts hat sich die Zahl mehr als verzehnfacht, keine andere migrantische Gruppe in Berlin wächst so stark. Gesprochen wurde über die indischen Neuankömmlinge allerdings kaum, auch nicht im zurückliegenden Bundestagswahlkampf, in dem Migration ein Hauptthema war - und meistens als Problem dargestellt wurde. Dabei sind gerade indische Zuwanderer ein Paradebeispiel dafür, wie Deutschland vom Zuzug aus dem Ausland profitieren kann, und zwar nicht nur beim gastronomischen Angebot.

"Mir wurde hier ein Job angeboten", erzählt Shankaran Loganathan. Sein Deutsch sei noch etwas rudimentär, entschuldigt sich der Software-Ingenieur aus dem südindischen Chennai, er wohne erst seit 2022 in Berlin. "Ich hatte gehört, dass hier die Startup-Szene boomt, und da wollte ich dabei sein und meine Karriere aufbauen."

Deutschland sei schön, aber sein Ziel sei es, hier nur ein paar Jahre zu bleiben, um sich beruflich zu entwickeln und dann nach Indien zurückzukehren, sagt Loganathan. "Ich bin jetzt jung und wollte mich einfach selbst herausfordern", erzählt er im Interview mit der rbb24 Abendschau. Seit rund vier Monaten lebt auch seine Frau in Berlin, ebenfalls eine Software-Ingenieurin.

Günstiger als die alte Kolonialmacht

Berlin als Sprosse auf der Karriereleiter: Längst sei der Sprung ins Ausland nicht mehr nur der hypermobilen Elite aus Indiens wohlhabenden Oberschichten vorbehalten, sagt Mustafa Aksakal von der Universität Bielefeld. "Die Mittelschicht wird deutlich präsenter."

Neben IT-Expert:innen und Forscher:innen kommen längst auch Bäcker, Metzger, Handwerker und Pflegekräfte. Gerade Indiens Mittelschicht schätze Deutschland für den Ruf seiner Unternehmen, bezahlbare Studiengebühren und leistbare Lebenserhaltungskosten, sagt Aksakal – vor allem verglichen mit England, wohin traditionell besonders viele Inder wegen der langen Kolonialgeschichte hin auswanderten.

Neu sei das Phänomen aber gar nicht, so Aksakal. Schon in den 1970er Jahren seien viele Inderinnen und Inder für die Gesundheitsbranche der Bundesrepublik rekrutiert worden. Wirklich verstetigt habe sich das dann aber nicht – auch weil es gesellschaftlichen und politischen Gegenwind gab. An den Spruch "Kinder statt Inder" von CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers beim Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2000 erinnere man sich noch heute, sagt Aksakal. Erst ab 2005 sei die Zahl der Zuwanderer aus Indien wieder gestiegen.

Seit 2022 gibt es zwischen Deutschland und Indien ein Migrationsabkommen, das erste seiner Art. Es vereinfacht vor allem den Visa-Prozess, besonders für Fachkräfte. Im März 2023 trat das Abkommen in Kraft, seitdem wurden mehr als 46.000 Visa an Studierende und mehr als 43.000 an Erwerbstätige aus Indien vergeben, wie das Auswärtige Amt auf Nachfrage des rbb mitteilt. 2024 beschloss die Ampel-Regierung zusätzlich eine Fachkräftestrategie für Indien, um dort noch mehr Menschen anzuwerben, zum Beispiel über Jobmessen.

Erfolgreichste migrantische Community

Abschiebungen nach Indien, die ebenfalls durch das Abkommen erleichtert werden sollen, spielen hingegen in der Praxis kaum eine Rolle: 2023 betraf es gerade einmal 51 Personen. Ganz anders als bei den Ländern, mit denen inzwischen ebenfalls Migrationsabkommen vorbereitet oder schon abgeschlossen wurden, zum Beispiel Georgien, Moldau und Usbekistan.

Wie erfolgreich indische Migrant:innen sind, zeigte Ende 2024 eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Demnach verdienen sie im Schnitt besser als jede andere Einwanderergruppe, vor allem wegen überdurchschnittlich guter Qualifizierung. Laut IW-Analyse lag der Medianlohn indischer Migranten in Deutschland 2023 bei rund 5.400 Euro, rund 1.400 Euro über dem Medianlohn der deutschen Vollzeitbeschäftigten.

Die Bundesagentur für Arbeit zählte im Februar in Berlin insgesamt 20.670 indische Staatsangehörige, die einer Beschäftigung nachgingen, 19.730 von ihnen sozialversicherungspflichtig. Die Arbeitslosenquote lag bei 4,6 Prozent - halb so hoch wie bei deutschen Staatsangehörigen und deutlich unter der Arbeitslosenquote von 19,1 Prozent bei Ausländern.

"Deutschland hat eine Bringschuld"

Über deren Integrationswillen müsse man sich derweil keine Sorgen machen "Indien ist so riesig, so multi-ethnisch, dass es auch in den Großstädten im Zusammenleben auf Toleranz ankommt", sagt Soziolige Aksakal. Politische und gesellschaftliche Konflikte, vor allem zwischen der Hindu-Mehrheit und der muslimischen Minderheit Indiens, oder das hierarchische Kasten-System, spielten unter indischen Migranten in Deutschland laut Befragungen kaum eine Rolle.

Umgekehrt sieht es mitunter allerdings anders aus. "Unsere Studie zeigt, dass indische Studierende und Fachkräfte durchaus Diskriminierung erfahren in Deutschland“, so Aksakal, vor allem in Ostdeutschland. Auch deswegen würden die meisten von ihnen eher in Großstädte ziehen als in ländliche Regionen. "Da hat eher Deutschland eine Bringschuld", sagt Marla Stukenberg vom Goethe-Institut in Delhi. "Es gibt hier viele Menschen, die das, was Deutschland braucht, mitbringen."

Sendung: rbb24 Inforadio, 18.03.2025, 7 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

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51 Kommentare

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  1. 51.

    Was ist das Problem mit meinem Kommentar?

  2. 50.

    Viele kommen, aber viele gehen wieder, zurück nach Indien oder anderswohin, Silikon-Tal vielleicht.

  3. 49.

    Interessant, mal eine persönliche Geschichte zu diesem Thema zu hören. Danke dafür und alles Gute für Sie!

  4. 48.

    Bei meinem Arbeitgeber (IT natürlich...) stellen Inder die zweitgrößte Gruppe an Arbeitnehmern dar - zahlenmäßig ungefähr gleich viel wie die deutschen. Und was auffällt: die Arbeitsmentalität ist komplett anders. Es wird gearbeitet, als gäbe es kein Morgen mehr. Die meisten sind kompetent, pfiffig und karriereorientiert und sorgen sich weniger um ihre eigenen Rechte und Folgen den Wortes des Vorgesetzten auf Schritt und Tritt, besonders wenn der angetretene Job der erste in Deutschland ist.
    Nach einiger Zeit wird sich aber der deutschen Mentalität angepasst. Rechte (und Pflichten) werden akzeptiert und angewandt.

  5. 47.

    Da das Medianeinkommen der indischen Community 1400€ über dem Einkommen deutscher Arbeitskräfte liegt, kann der Großteil der Arbeitsverhältnisse gar nicht prekär sein.

  6. 46.

    nach Ihrem Kommentar stellt sich doch die Frage, warum finden die Zugewanderten eine Wohnung und Sie nicht?

  7. 45.

    Lincoln: Sie sind ein unqualifizierter Kommentator!! Was hat bitte Marzahn und Brandenburg mit der hohen Zahl der Einwanderung von Indern zu tun . Mir als Einwohner Berlin -Marzahns ist es völlig egal welcher Staatsangehörigkeit jemand angehört, Hauptsache er benimmt sich anständig. Ich habe eher den Eindruck Sie Hetzen gegen Marzahn und Brandenburg. Unterlassen Sie das bitte!

  8. 44.

    "Kinder statt Inder" - in meinem Fall muss das eher "Kind mit Inder" lauten ;)

    Mein Mann ist 2018 von Maharashtra nach Deutschland gezogen, nachdem er ein Jobangebot als Software-Ingenieur bekommen hatte, der Klassiker. Ursprünglich wollte er nur ein paar Jahre hier bleiben und dann weiterziehen, USA hatte er sich damals gut vorstellen können. Allerdings hat er dann mich kennengelernt - verliebt, verlobt, verheiratet, dann kam unser Kind und mittlerweile hat er den deutschen Pass und möchte hier alt werden. Durch ihn habe ich jetzt auch gute Kontakte zur indischen Community und das bereichert meinen Horizont enorm. Ich bin auch sehr glücklich, dass unser Kind bikulturell und mehrsprachig aufwachsen kann, auch wenn es nicht immer einfach ist. Die Welt ist so groß und es gibt so viel schönes darin. Da ist Abschottung ein wirklicher Verlust. To be continued...

  9. 43.

    Woher wissen Sie das mit der Community, haben Sie eine Quelle? Außerdem: Es darf hier jeder nach Berlin hinziehen und sich Arbeit suchen der möchte - seit Jahrhunderten. Dafür muss sich keiner rechtfertigen.

  10. 42.

    Sie schreiben hier unter falschem Namen Ihre Ressentiments hin, um die hier genannten Erfolge schlechtzureden, das ist alles. Mit dem von einem anderen Nutzer geklauten Namen. Ist Ihnen das nicht zu schäbig?

  11. 41.

    Leider Gottes sind ein Größteil der indischen Einwanderer in prekären Arbeitssituationen, wenn man die Vielzahl an Essenlieferanten, die einem täglich über das Bein fahren, in der Stadt sieht.
    So verstehe ich den Satz „ Da hat eher Deutschland eine Bringschuld.“

  12. 40.

    Ich kann mich nicht erinnern, schonmal mit Ihnen Schweine gehütet zu haben. Bezüglich unserer schwachen Einwanderungsbedingungen kann ich nur sagen, dass ich mich in meinem Alter zwar darüber ärgere, aber ausbaden muss das Dilemma ja Ihre Generation. Ich habe meine Schäfchen einigermaßen im trockenen.

  13. 39.

    Mir ist das echt egal ob jemand nur student, langzeittourist oder assylsuchender immigrant ist.

    aber eine frage stellt sich da. wie viele wohnungen wurden in den letzen 10 jahren gebaut... dann kann man mal gegen rechnen was den urberlinern an wohnraum geklaut wird. wo soll ich hin? weg ziehen von familie und freunden nur weil ich keine neue wohnung finde?

  14. 38.

    Es gibt natürlich auch das "Azubi-BSK" - Berufssprachkurse für Auszubildende - gefördert durch das BAMF
    "Zugangsberechtigt sind berufsschulpflichtige Personen mit Migrationshintergrund, die sich in einer förderfähigen Ausbildung befinden und Unterstützung bei der Bewältigung der sprachlichen Anforderungen des Berufsschulunterrichts sowie der Zwischen- und Abschlussprüfung benötigen. Auch Auszubildende, die über einen entsprechenden Ausbildungsvertrag verfügen, jedoch noch nicht mit der Ausbildung begonnen haben oder an einer entsprechenden Einstiegsqualifizierung (EQ) teilnehmen, können zugelassen werden."
    Umfangreich auf den Seiten des BAMF erklärt, für den Betrieb mit ein "wenig" Schreibkram verbunden. Für "Nicht-Azubis" gibt es das "Job-BSK" - auch über das BAMF. Man mus als Betrieb nur wollen, Kosten übernimmt das BAMF, und das "bisschen" Schreibkram ist nicht so wild.

  15. 37.

    Es ist nicht überraschend, dass es schwierig ist, eine bezahlbare Wohnung in Berlin zu finden. In der indischen Community ist es üblich, dass sich sechs bis acht Personen eine teure Dreizimmerwohnung teilen. Dies trägt dazu bei, dass die Mietpreise weiter steigen und das allgemeine Mietniveau in die Höhe getrieben wird.

  16. 36.

    Sie werden trotzdem kommen. Nach dem neuen Einwanderungsgesetz, nämlich die sogenannte Chancenkarte, sind keine Deutschkenntnisse erforderlich. Es reicht auch der Nachweis von Englisch. Da muss ich dich also leider enttäuschen. Obwohl, so leid tut mir das eigentlich gar nicht.

  17. 35.

    Nö, man kann auch in unzähligen anderen Ländern mit Englisch weiterkommen. Aber wie man an den ausländerfeindlichen Kommentaren sieht, weiß man, wo das Problem ist.
    Goethe Institut? Die bieten kaum Kurse an und kosten das mehrfache eines Monatsgehalts. Mit dem "nötigsten Deutsch" bekommt man aber keine Arbeitsstelle. Auch in Berlin, das sich gerne "Weltmetropole" schimpft.

  18. 33.

    Zweifellos. Das Ruhrgebiet hätte ohne die Ruhrpolen niemals aufgebaut werden können, Duisburg hat als Stadt jh. lang von den Niederländern profitiert, dessen Handelshafen das war und das Hamburg benachbarte Altona hat gut gehabt von den niederländischen Mennoniten, als die Franzosen die Niederlande besetzten und den Mennoniten im Nacken saßen.

    Auch die Große Freiheit - zur Entstehungszeit zu Altona gehörig - zeugt davon.

  19. 32.

    Lesen Sie Natalie Tenberg,: Bollywood und Rübenkraut - und Sie werden sehen, wie die indische und die deutsche Kultur bereichernd und unterhaltsam sind bei ihrem Zusammentreffen. Viel Spass.