Basketball - NBA bereitet Expansion nach Europa vor: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Die NBA plant den Einstieg in Europas Basketball. Was genau die US-Liga vorhat, ist noch unklar. Aber die Organisation des Sports dürfte sich grundlegend wandeln. Alba-Geschäftsführer Baldi demonstriert Gelassenheit. Von Shea Westhoff
Adam Silver wird wohl gewusst haben, welche Welle er diesseits des Atlantiks lostreten würde, als er zu Jahresbeginn über eine mögliche Expansion der NBA sprach. "Wir prüfen weiterhin, welche Möglichkeiten bestehen, um die Basketball-Infrastruktur hier weiter zu entwickeln", sagte der Präsident und Geschäftsführer der nordamerikanischen Basketballliga auf einer Pressekonferenz in Paris im Rahmen zweier NBA-Gastspiele zwischen den San Antonio Spurs und den Indiana Pacers.
Der Jurist deutete die Möglichkeit einer unabhängigen europäischen Liga an, in Zusammenarbeit mit dem Weltverband FIBA. Schon vorher hatte Silver solche Überlegungen anklingen lassen.

Etwaige konkrete Pläne hielt die nordamerikanische Liga bislang erfolgreich unter Verschluss. Marco Baldi, der als Geschäftsführer des deutschen Topklubs und Euroleague-Teilnehmers Alba Berlin von einer Basketballrevolution direkt betroffen wäre, geht aber von einem "hohen Realitätsgehalt" rund um die Europa-Pläne der NBA aus.
Klar ist, dass die NBA unter Silvers Führung bereits mehrere internationale Initiativen gestartet hat, darunter die mit der FIBA veranstaltete Basketball Africa League (BAL), die es seit nunmehr vier Jahren gibt. Nun also Europa?
Wann fällt die Entscheidung?
Noch im März ist ein Treffen der Besitzer der 30 NBA-Franchises über die strategische Ausrichtung der Liga geplant. Die FIBA teilte rbb|24 am Dienstag mit, dass aktuell mehrere Vorstandssitzungen mit den "relevanten Interessengruppen stattfinden". Möglich, dass ein gemeinsames Konzept zeitnah verkündet wird.
Warum ist Europa für die NBA attraktiv?
Europa ist längst ein bedeutender Standort in der Welt des Basketballs, stellt mit Deutschland den aktuellen Weltmeister. Zum MVP, also zum wertvollsten Spieler der Saison, ist in den vergangenen sechs Jahren fünfmal ein Europäer ausgezeichnet worden (dreimal der Serbe Nikola Jokic, zweimal der Grieche Giannis Antetokounmpo). Mit dem Franzosen Victor Wembanyama (Spurs) sowie dem Slowenen Luka Doncic (Lakers) prägen zwei weitere europäische Superstars und künftige MVP-Kandidaten die NBA.
Dass der Spitzenbasketball ohne den europäischen Markt nicht mehr denkbar ist, weiß auch Adam Silver. Er stellt allerdings klar: "Wir sind der Meinung, dass die kommerziellen Möglichkeiten nicht mit dem Wachstum des Spiels Schritt gehalten haben." Belegt wird seine Kritik unter anderem durch den Umsatz der 18 Bundesligaklubs in der Spielzeit 2023/2024. Dieser lag bei 148 Millionen Euro, und damit zwar auf nationalem Rekordniveau. Gleichzeitig liegt die Summe aber gerade mal bei 50 Prozent eines einzelnen NBA-Franchise, wie Stefan Ludwig, Leiter der "Sport Business Gruppe" der Unternehmensberatung Deloitte, schätzt: "Die Kommerzialisierungsmöglichkeiten und die Potenziale für Wertsteigerungen in Europa sind hoch."
Warum gerade jetzt?
"Die Märkte in Nordamerika gelten als gesättigt", sagt Ludwig. "Die TV-Quoten der NBA sind leicht rückläufig - ein Phänomen, mit dem sich der Sport grundsätzlich auseinandersetzen muss." Zudem würden die Investitionsmöglichkeiten in US-Franchises laut Ludwig immer geringer. "Die Preise sind extrem nach oben gegangen", sagt er.
Möglicherweise zupass kommt der NBA mit ihren Übersee-Plänen, dass sich im europäischen Basketballsport derzeit kein starker, vereint auftretender Verhandlungspartner findet. Schon seit Jahren ist der Basketball in Europa zersplittert. In direkter Konkurrenz stehen mittlerweile die von der FIBA ausgetragene Champions League und die von den europäischen Basketballligen veranstaltete, prestigeträchtigere Euroleague.
Diese steht allerdings vor einer ungewissen Zukunft. Die sogenannten A-Lizenzen der 13 Anteilseigner laufen im nächsten Jahr aus. Alba-Geschäftsführer Marco Baldi sagt daher: Der Zeitpunkt des Europa-Vorstoßes der NBA "erscheint günstig".
Wie reagiert die Euroleague?
Die Euroleague gibt sich abgeklärt. Sie weist auf rbb|24-Anfrage darauf hin, dass erst kürzlich die Partnerschaft mit der global operierenden Sportmarketingagentur IMG erneuert wurde und dies die beteiligten Vereine zur Zusammenarbeit bis 2036 verpflichte. Den oben angeführten Lizenzen werde "zu viel Bedeutung beigemessen".
Es gebe zudem bereits vier internationale Klub-Wettbewerbe in Europa. Ein weiterer würde nur "Verwirrung stiften und die kommerziellen Möglichkeiten zerstreuen". Dennoch: "Wir sind gerne bereit, mit der NBA, der FIBA und allen anderen Akteuren darüber zu diskutieren, wie wir alle unsere Kräfte bündeln können", heißt es weiter.
Innerhalb des Verbunds an Topteams scheint es aber unterschiedliche Haltungen zur NBA zu geben. Während sich etwa Tony Parker, Ex-NBA-Star und derzeitiger Präsident von Alba-Kontrahent Villeurbanne, positiv zu einem NBA-Einstieg äußerte, brach der Geschäftsführer des FC Bayern, Marko Pesic, eine Lanze für die Euroleague - diese sei der "beste Wettbewerb, in dem man spielen kann" [basketball-world.news].
Welche Standorte visiert die NBA an?
Im Fokus der NBA dürften wirtschaftsstarke Regionen stehen, die für Sponsoren attraktiv sind, also insbesondere UK, Frankreich, Spanien und Deutschland. Die Standortsuche hängt auch mit der Frage zusammen, wo sich entsprechende Investoren finden lassen.
So berichtete "The Times" im Februar von Verhandlungen der NBA über einen Deal, um reguläre Saisonspiele in der 23.500 Zuschauer fassenden Mehrzweckhalle "Co-op Live" in Manchester auszutragen [thetimes.com]. Deren Miteigentümer ist die Holding-Gesellschaft "City Football Group", die sich mehrheitlich in Besitz der Herrscherfamilie des arabischen Emirats Abu Dhabi befindet und unter anderem den Fußballklub Manchester City unter sich vereint. Auch von Paris St. Germain, der von Katar aus kontrolliert wird, war immer wieder die Rede.
In welchem System wird gespielt?
Unter vielen Insidern gilt eine eigenständige Liga unter dem Dach der NBA als realistischstes Szenario. Sie würde parallel zu den bestehenden Ligen laufen. Integriert werden könnten große Fußballmarken mit neugegründeten beziehungsweise aufpolierten Basketballabteilungen.
Die langfristige Vision scheint allerdings eine eigenständige Divison in Europa zu sein, deren Teilnehmer am Ende auch in den Wettbewerb mit den US-amerikanischen Teams treten - wenn es nach Silver geht. "Vielleicht wird das ein Projekt meines Nachfolgers, aber eines Tages sehe ich definitiv eine NBA-Division in Europa", zitiert das Portal "Basketball World" eine Aussage des Commissioners aus dem Podcast "The Big Podcast with Shaq" [basketball-world.news].
Was bedeutet das für Alba Berlin?
Im Gespräch vermittelt Alba-Geschäftsführer Marco Baldi den Eindruck, dass eine tiefgreifende Veränderung im europäischen Spitzenbasketball durchaus willkommen ist. Die Euroleague sei derzeit "null nachhaltig". Die 18 Teams der europäischen Königsklasse verlören pro Jahr "ungefähr 180 Millionen Euro". Auch wenn diese Summe schwierig zu belegen ist, dürfte sie in der Tendenz richtig sein: Die Topklubs FC Bayern München und FC Barcelona meldeten im vergangenen Jahr jeweils Verluste von rund zehn Millionen Euro für die vorangegangene Saison.
Baldi scheint einen durch die NBA angestoßenen Wandel als Chance zu begreifen, dass sich die zunehmend auseinanderdriftenden Möglichkeiten der Euroleague-Klubs neu sortieren. Ausgleichende Elemente, wie man sie im Fußball durch das Financial Fairplay oder die rückwirkende Entschädigung für abgewanderte Toptalente versucht hat einzuführen, vermisse er im gegenwärtigen Basketball-System jedenfalls.
Ob Alba bei den Erwägungen der NBA und den beteiligten Sponsoren und Investoren überhaupt eine Rolle spielt? Geht es nach Baldi: selbstverständlich. Berlin sei "Hauptstadt des größten und wirtschaftlich stärksten europäischen Landes. Rund um Alba hat sich eine entsprechende Community gebildet, hier gibt es Strukturen, das Know-how."
Sendung: rbb24 Inforadio, 21.03.2025, 20:15 Uhr