Untersuchungsausschuss - Neukölln-Komplex: Oberstaatsanwalt dementiert Sympathien für Rechtsextreme

Fr 21.02.25 | 19:05 Uhr
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Das Abgeordnetenhaus ist das Landesparlament von Berlin und deren oberstes Verfassungsorgan. (Quelle: dpa/Daniel Kalker)
Audio: rbb24 Inforadio | 21.02.2025 | Sabine Müller | Bild: dpa/Daniel Kalker

Im Untersuchungsausschuss zur rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln hat Oberstaatsanwalt Matthias Fenner Vorwürfe der Befangenheit zurückgewiesen. Abgeordnete ärgerten sich jedoch über viele "Erinnerungslücken".

Im Untersuchungsausschuss Neukölln des Berliner Abgeordnetenhauses hat ein Oberstaatsanwalt den Verdacht zurückgewiesen, er habe die Aufklärung der rechtsextremen Anschlagsserie verschleppt.

"Wir haben alles angeklagt, was ging", versicherte Matthias Fenner den Abgeordneten. Fenner war ab 2016 Abteilungsleiter Staatsschutz bei der Berliner Staatsanwaltschaft, in seinem Team landeten unter anderem Fälle von Brandanschlägen in Neukölln. Den Vorwurf, der Bereich Rechtsextremismus sei zu wenig beachtet worden, nannte Fenner falsch. Bei der Bearbeitung hätten "politische Einstellungen" keine Rolle gespielt, er und sein Team hätten "immer sachorientiert gearbeitet".

Zuständigkeit für Neukölln-Komplex entzogen

Die Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers hatte Fenners Abteilung im Sommer 2020 die Zuständigkeit für den Neukölln-Komplex entzogen, weil es den Verdacht gab, Fenner sei befangen. Der Hintergrund: Ein Neonazi, dessen Kommunikation überwacht wurde, schrieb nach seiner Vernehmung durch Fenner in einem Chat, von diesem Oberstaatsanwalt sei nichts zu befürchten, der stehe der AfD nah. Fenner sagte dazu im Ausschuss, er könne sich diese Behauptung des Neonazis, der Mitte Dezember wegen Anschlägen in Neukölln verurteilt wurde, nicht erklären. Er habe in der Vernehmung "nichts gesagt oder getan, was ihn dazu verleiten könnte". Der Vorwurf, er sympathisiere mit Rechtsextremen, entspreche nicht der Wahrheit, so Fenner.

Dem Neukölln-Komplex werden seit 2013 mindestens 72 rechtsextrem-motivierte Straftaten zugeordnet, davon 23 Brandstiftungen. Opfer waren vor allem Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren oder einen Migrationshintergrund haben. In der Befragung durch die Abgeordneten wies Oberstaatsanwalt Fenner auch den Vorwurf zurück, er habe das Landeskriminalamt bei der Ermittlungsarbeit behindert.

SPD kritisiert "Erinnerungslücken"

LKA-Zeugen hatten im Ausschuss erklärt, nach ihrem Eindruck sei Fenner an der Verfolgung bestimmter Straftaten nicht interessiert gewesen und habe Anfragen, verdächtige Neonazis zu observieren oder abzuhören, gar nicht oder sehr spät gebilligt. Fenner tat diese Aussagen als "zusammengedichtet" ab, ihn habe nie Kritik an seiner Arbeit erreicht.

Vor allem Abgeordnete von Grünen und Linken waren hörbar unzufrieden mit Fenners Ausführungen, aber auch die SPD kritisierte hinterher "Erinnerungslücken". Es sei eine "seltsame Verteidigungsstrategie", Differenzen mit dem LKA komplett zu negieren, sagte Niklas Schrader (Linke). Denn diese Differenzen seien doch offiziell erwähnt in der Begründung der Behördenleitung, warum Matthias Fenner in eine andere Abteilung umgesetzt wurde.

Verärgerung über zweiten Zeugen

Für Unmut unter den Abgeordneten sorgte auch der zweite Zeuge des Tages, Oberstaatsanwalt Ralph Knispel. Er war Fenners direkter Vorgänger in der Abteilung Staatsschutz, konnte sich aber angeblich nicht einmal mehr daran erinnern, in welchem Zeitraum (es war von 2011 bis 2016). Gleich zu Beginn betonte der Oberstaatsanwalt, er sei überrascht über die Ladung vor den Ausschuss, in der Befragung konnte er sich dann an keinen einzigen konkreten Fall mit Bezug zum Neukölln-Komplex erinnern. "Ein erschreckender Auftritt", bilanzierte der grüne Abgeordnete André Schulze.

Auch Abgeordnete der CDU verbargen ihren Ärger nicht, als Knispel sie in der Befragung auflaufen ließ. Denn er weigerte sich, als Leiter der Vereinigung Berliner Staatsanwälte den Umgang mit Fenner und dessen Umsetzung in eine andere Abteilung zu beurteilen.

Vor dem Abgeordnetenhaus demonstrierte eine kleine Menschenmenge für bessere Aufklärung im Neukölln-Komplex. Eine Rednerin kritisierte, die aktuelle Sitzung habe wieder gezeigt, dass es kein Interesse an Aufklärung gebe und niemand Verantwortung übernehmen wolle.

Sendung: rbb24 Inforadio, 21.02.2025, 17:30 Uhr

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16 Kommentare

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  1. 16.

    Wir brauchen eine Justiz-Reform!

  2. 15.

    Wohl kaum passt das Zitat der mehrere Konzentrationslager Überlebenden Ester Bejerano „wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen“ mehr zur Arbeit der „Staats“Anwaltschaft Berlin.

  3. 14.

    Befangen bei Ermittlungen gegen Rechts? Zwei Berliner Staatsanwälte werden 2020 versetzt.
    Die Generalstaatsanwaltschaft hatte bekanntgegeben, sämtliche Ermittlungsverfahren zu mehr als 70 Straftaten gegen Menschen zu übernehmen, die sich in Neukölln gegen Rechtsextremismus engagieren. Grund ist der Verdacht, dass ein Staatsanwalt befangen sein könnte.
    Zwei Verdächtige aus der rechtsextremen Szene sollen über einen Staatsanwalt gesagt haben, dass er nach eigenen Äußerungen der AfD nahe stehe und man von ihm nichts zu befürchten habe. Der betreffende Staatsanwalt und einer seiner Kollegen, der ebenfalls mit den Fällen befasst war, wurden in andere Abteilungen versetzt.

  4. 13.

    Mut zur Lücke Freitag, 21.02.2025 | 19:32 Uhr
    "Welche Ironie, dass gerade die SPD bei jemandem Erinnerungslücken kritisiert."

    Und welchen Punktsieg möchten nun Sie erringen mit diesem völlig unsinnigen Zwischenruf? Ausser das Sie nun mal gegen SPD gekeilt haben, Was offenbar im Sachverhalt Ihr eigentlicher Zweck, Ihr eigentliches Ziel ist.

    Welche "Erinnerungslücken" hat denn CDU /Kohl bei Spenden, Was erinnert denn die AfD regelmässig bei Spenden nicht. Wo ist denn das messerscharfe Erinnerungsvermögen der FDP bei Dies-Das?

    Also: Ist es das was Sie zu sagen haben im Angesicht jahrelangen Nazi-Terrors in Neukölln? Ehrlich? Das sind Sie? Stehen dabei und labern irgendwas von SPD, während jemand das Falkenheim oder fast das Haus der Eltern eines Linken-Abgeordneten anzündet? Das ist womit man bei Ihnen rechnen kann?
    Mannomann.
    Abgründe

  5. 12.

    Der Unterfranke Matthias B. ist seit vielen Jahren in der rechtsextremen Szene aktiv. So trat der heutige Jurist 2008 für die rechtsextreme Partei NPD (heute: "Die Heimat") als Landtagskandidat an und war später unterfränkischer Führungsaktivist im mittlerweile verbotenen Kameradschaftsdachverband "Freies Netz Süd". Seit dem Verbot betätigt sich B. in der Neonazi-Kleinpartei "Der dritte Weg" und tritt bei Veranstaltungen als Redner auf. Der Partei attestiert der Bayerische Verfassungsschutz in seinem Bericht 2023 inhaltliche Parallelen zum Programm der NSDAP.

    B. ist mittlerweile Volljurist mit eigener Anwaltskanzlei
    Inzwischen hat B. sein Referendariat beendet, ist als Anwalt tätig, er hat eine eigene Kanzlei im Landkreis Main-Spessart.

  6. 10.

    Dass die Berliner Staatsanwaltschaft eher rechts, gar rechts außen steht, sollte doch nun wirklich keine Neuigkei sein.

  7. 8.

    Ich traue auch keinem Arzt, der der AfD ergeben ist, keinem Pfleger, keinem Lehrer. Wer der AfD nahe ist, mag weder Recht noch Menschen noch GG.

  8. 6.

    Welche Ironie, dass gerade die SPD bei jemandem Erinnerungslücken kritisiert.

  9. 5.

    Der ist nicht mehr tragbar! Ich meine diesen Staatsanwalt!

  10. 4.

    Toll. Es hat geklappt. -
    Die Rechten haben den Staat an den Eiern, weil ein Rechter behauptet der Staat wäre Links. - So macht der NichtGute für den Bösen die Arbeit. - Und das im Akkord. Wenn dieses Geschachere bis zur Wahl Früchte tragen soll, müssen die sich beeilen, wer fährt sonst die Ernte ein ?

  11. 3.

    Ein Staatsanwalt hat natürlich dem Recht zu dienen. Wenn es daran Zweifel gibt, dann ist es die Aufgabe des Disziplinarvorgesetzen, dem nachzugehen. Das kann durchaus auch öffentlich begleitet werden, indem z. B. die Medien darüber kritisch berichten. Was jedoch nicht akzeptabel ist, sind Einflussnahmen der Politik auf die Arbeit der Justiz.

  12. 2.

    Jetzt verstehe ich auch warum Ferat Koçak heute nicht beim Wahlkampf-Entspurt der Linken im Kosmos-Kino war. Es ging ja auch um seinen Komplex.

  13. 1.

    'Lücken" sind weniger eine Frage des 'Jobs", aber sehr wohl einer benötigten Grundeinstellung. Ob 'erwünscht" oder nicht. Auch Politiker sind davon 'regelmäßig" betroffen. Ihre angebliche Vergesslichkeit ist aber eher selten gefährlich bzw. tödlich. Es stinkt nicht nur zum 'Himmel", es kostet immer wieder Leben. In D. aber kein Ding, da ja die übliche 'Empörung" eingepreist ist. Als Täter biste besser dran, als Opfer nicht interessant. Siehe Hanau, NSU. Die Liste wird immer länger. 'Die" Leute sollen aber lieber über Migration jammern, um den Status Quo beizubehalten...