Anschlagsserie Neukölln - Koppers verteidigt Abzug von Staatsanwälten als "alternativlos"

Die Absetzung zweier Staatsanwälte bei den Ermittlungen zu mutmaßlich rechtsextremen Anschlägen sorgt für politischen Streit: Die Opposition hält die Gründe für nicht plausibel und übt scharfe Kritik. Derweil zeigen sich die betroffenen Juristen einsichtig.
Es ist ziemlich unmissverständlich, was Generalstaatsanwältin Margarete Koppers den Berliner Abgeordneten aus den Akten zur Anschlagsserie in Neukölln vorliest: In fett gedruckten Buchstaben weisen die Ermittler auf eine besonders brisante Aussage eines Verdächtigen hin. Es geht um einen der Staatsanwälte, die ihn befragt hatten. "Also, die Staatsanwaltschaft ist auf unserer Seite, der ist AfD-Wähler", zitiert Koppers.
Hinweis "nicht ernst genommen"
Der Staatsanwalt sei also keine Gefahr, möglicherweise sogar ein Gesinnungsgenosse: So jedenfalls kann man die Schlussfolgerung des Rechtsextremisten verstehen. Dieser Hinweis hätte zwingend weitergeleitet werden müssen, so Koppers, "ungeachtet des Wahrheitsgehalts". Doch der Hinweis auf die brisante Aussage verschwand für gut acht Monate in den Akten und wurde erst durch wiederholte Bemühungen der Anwältin eines der Opfer, dem Linken-Politiker Ferat Kocak, entdeckt. Die hatte monatelang Akteneinsicht erbeten, war aber immer wieder abgewiesen worden - zu Unrecht, wie die Generalstaatsanwaltschaft später feststellte.
Die Abberufung des ermittelnden Staatsanwaltes und seines Chefs sei daher alternativlos gewesen, so Koppers. "Nur der kleinste Verdacht einer politisch motivierten staatsanwaltlichen Ermittlung kann das Vertrauen in den Rechtsstaat gefährden."
CDU und AfD üben Kritik, Linke verlangt U-Ausschuss
Für den Innenexperten der AfD, Karsten Woldeit, reicht diese Begründung allerdings nicht aus. "Es kann doch nicht sein, dass ein Verdächtiger mutmaßt, der Staatsanwalt gehöre einem beliebigen politischen Lager an", so Wodeit. "Und die Generalstaatsanwältin die Staatsanwälte abzieht. Das kann doch nicht sein."
Auch bei der CDU regt sich Unmut. Ihr Fraktionschef Burkard Dregger fühlt sich an das neue Landesantidiskriminierungsgesetz des rot-rot-grünen Senats erinnert: Das, so Dregger, stelle Polizei und Justiz unter Generalverdacht. "Wenn sie so weitermachen, beschädigen sie das Vertrauen in unsere Sicherheitsorgane und unsere Justiz, ohne Grund, und spalten unser Land."
Vor allem Linke und Grüne aber sehen in dem Vorgang den Verdacht vieler Betroffenen bestätigt, dass die Aufklärung rechtsextremer Straftaten in Berlin nicht ernst genommen werde. Linken-Fraktionschefin Anne Helm fordert deswegen eine umfangreiche Aufklärung von Verbindungen zwischen rechten Strukturen und Sicherheitsbehörden. "Lassen sie uns diesen Auftrag annehmen, um einen Untersuchungsausschuss einzurichten."
Staatsanwälte räumen Fehler ein
Die beiden Staatsanwälte, die von den Ermittlungen abgezogen wurden, haben inzwischen Fehlverhalten eingeräumt, sagte Generalstaatsanwältin Koppers. Die Aussage des Verdächtigen habe man schlicht "nicht ernst genommen". Auch der abgesetzte Leiter der zuständigen Abteilung habe im Gespräch eingesehen, dass man die Brisanz dieses Hinweises nicht erkannt habe. Wie der Mann zu der Ansicht gekommen ist, dass der Staatsanwalt AfD-Unterstützer sei, habe er sich nicht erklären können, so Koppers. "Er habe mitnichten irgendwas in diese Richtung erklärt."
Konkrete Hinweise darauf, dass die Staatsanwälte tatsächlich befangen sind, gebe es auch nicht, sagt Koppers. Dass der Verdächtige aus der rechten Szene die Staatsanwaltschaft möglicherweise gezielt diskreditiert hat, glaubt sie ebenfalls nicht: Seine Aussagen wurden nämlich nicht bei der Telekommunikationsüberwachung entdeckt, was der Verdächtige eventuell hätte ahnen können. Vielmehr sei die Aussage in einer alten Chat-Nachricht entdeckt worden, auf einem beschlagnahmten Handy.