Untersuchungsausschuss - Teils heftige Kritik der Berliner Politik am Verfassungsschutz

Fr 10.01.25 | 19:35 Uhr | Von Sabine Müller
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Archivbild: Ein ausgebrannter Transporter eines Internet-Anbieters steht an der Treptower Straße in Neukölln. (Quelle: dpa/Zinken)
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Audio: rbb24 Inforadio | 10.01.2025 | Sabine Müller | Bild: dpa/Zinken

Der Berliner Untersuchungsausschuss zur rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln hat am Freitag eine teils ernüchterte Zwischenbilanz gezogen. Grüne und Linke übten scharfe Kritik an fehlenden Akten und Zeugen mit großen Erinnerungslücken. CDU und SPD äußerten Verständnis für die Arbeitsweise des Nachrichtendienstes.

Viele angeforderte Akten nicht freigegeben

Zum Abschluss der Befragung von Zeugen aus dem Verfassungsschutz beklagte der Ausschussvorsitzende Vasili Franco (Grüne), viele angeforderte Akten seien nicht freigegeben worden, Zeugen hätten oft nur spärlich Informationen geliefert. Sein Fazit: Man habe einen Einblick, aber keinen Überblick bekommen. "Das wird Anspruch und Notwendigkeit einer effektiven parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes leider nicht gerecht."

Sehr abweichende Fazits von Linken und CDU

Drei Monate lang hatten sich die Abgeordneten bemüht, ihre Kontrollfunktion über den Landesverfassungsschutz auszuüben und herauszufinden, welche Rolle er bei der Neuköllner Anschlagsserie spielte. Was wusste der Verfassungsschutz wann zu der Serie mit mindestens 72 Straftaten von Neonazis, darunter 27 Brandanschlägen? Wen informierte er wann über eigene Erkenntnisse, was trug er zur Aufklärung bei?

Vor den Abgeordneten saßen vor allem Sachbearbeiter sowie Gruppen- und Referatsleiterinnen aus dem Bereich Rechtsextremismus – und nach drei Monaten klangen CDU und Linke, als wären sie in zwei unterschiedlichen Ausschüssen gewesen. Der CDU-Abgeordnete Stephan Standfuß lobte die Arbeit der Beamten. "Wir haben eine Menge engagierte und professionelle Ermittler befragt, die sich hervorragend gekümmert haben." Strukturelle Fehler im Verfassungsschutz sieht Standfuß nicht. Dagegen beklagte Niklas Schrader von der Linken wenig Wissen über rechtsextreme Strukturen und große Erinnerungslücken bei manchen Zeugen. "Das grenzte schon teilweise an Aussageverweigerung und teilweise fand es ein Bild, das nicht gerade vertrauenerweckend ist."

Bedauern beim Verfassungsschutz über sehr späte Aufklärung

Darum, dieses Bild zu zerstreuen, bemühte sich am Vormittag der Präsident des Berliner Verfassungsschutzes, Michael Fischer, der erst nach dem Höhepunkt der Anschlagsserie ins Amt gekommen war. Fischer betonte im Ausschuss, sein Haus kümmere sich intensiv um Rechtsextremismus. Eklatante Fehler in der Vergangenheit sieht er nicht, sagte aber, sein Haus habe gelernt und manche Abläufe verändert.

Fischer äußerte sein Bedauern, dass so viel Zeit vergangen, bis die Täter der Brandserie überführt worden seien. Das habe aber nicht am mangelnden Willen der Mitarbeitenden gelegen. Am Donnerstag hatte das Berliner Landgericht zwei Neonazis unter anderem wegen zwei der Brandanschläge aus der Serie zu mehreren Jahren Haft verurteilt.

SPD erkennt "Entwicklung" beim Verfassungsschutz

Die SPD-Abgeordnete Wiebke Neumann sagte, sie nehme eine "Entwicklung" im Verfassungsschutz wahr, eine Art Umdenken sei erkennbar. Sehr kritisch äußerte sich André Schulze von den Grünen. Der Verfassungsschutz arbeite nicht effektiv, gebe viel zu selten Informationen an die Polizei weiter. "Momentan wirkt Verfassungsschutz auf mich wie ein Eichhörnchen", sagte Schulze, "das viele Daten sammelt und vergräbt, sie dann aber nicht mehr zusammenstellen kann und bei der Hälfte vergisst, wo sie sind." Schulze forderte, die Aufgaben des Verfassungsschutzes grundsätzlich zu evaluieren.

Aber es gab nicht nur Kritik von Abgeordneten, sondern auch Kritik an ihnen. Claudia von Gelieu war selbst von der Anschlagsserie betroffen, ihr Auto wurde 2017 angezündet. Sie zeigt sich enttäuscht von der Arbeit der Abgeordneten, wirft ihnen vor, "dass einfach zu wenig und zu unkonkret nachgefragt wird".

Ab dem neuen Jahr beschäftigt sich der Untersuchungsausschuss mit der Arbeit der Staatsanwaltschaft. Dann vermutlich auch mit vielen Akten, die ihm bisher verweigert wurden. Aber nach dem Urteil im Verfahren gegen die Hauptverdächtigen müssen diese jetzt freigegeben werden.

Ab dem Sommer soll dann am Abschlussbericht gearbeitet werden, der 2026 vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden soll.

Sendung: rbb24 Inforadio, 10.01.2025, 19:00 Uhr

Kommentar

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5 Kommentare

  1. 4.

    Auch zur/bei der Anschlagsserie (ihr Auto wurde 2017 angezündet) war welcher Senat noch aktiv und hat was bewirkt?

  2. 3.

    Und das dauert, das dauert....

  3. 2.

    Die waren doch ersichtlich auf dem rechten Auge blind. Diese kleinen und auch feigen Neonazis, haben uns alle ausgelacht.

  4. 1.

    Wollen wir Wetten abschließen, wie das ausgeht ....?

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