Kürzungen bei Kinderkultur in Berlin - Schluss mit lustig
Kein Singen, kein Rappen, kein Zirkus, kein Kulturmonat mehr: Die Bildungsverwaltung hat vielen Kulturprojekten für Kinder ab April die Gelder drastisch gekürzt. Darunter langjährige Projekte wie das Sing-Projekt des Rundfunkchors. Von Nathalie Daiber
Auf die Melodie von "We will rock you" der britischen Rock-Band Queen singen die Kinder der Köpenicker Amtsfeld-Grundschule: "Lasst uns weiter singen. Und Lieder sollen erklingen. Ihr habt uns so viele Jahre schon so mega unterstützt. Wir brauchen Hilfe, ist doch klar, denn Singen ist wunderbar." Ein Protestsong, denn dem Sing-Projekt des Rundfunkchors werden 75.000 Euro gestrichen. Das ist ihr komplettes Budget, um das Projekt ab April bis Ende des Jahres zu finanzieren.
Von den Kürzungen hat die Chordirektorin Rahel Dries erst Ende Februar per Mail erfahren, wie sie sagt. Ein Schock: "Ich persönlich habe überhaupt nicht damit gerechnet, weil unser Projekt fest im Haushalt verankert war. Wir mussten das zwar, weil das in Deutschland so üblich ist, jedes Jahr wieder beantragen, aber die Gelder dafür mussten nicht jedes Mal neu gefunden werden, sondern wir waren tatsächlich im Haushalt enthalten, seit vielen Jahren mit der gleichstehenden Summe."
Insgesamt streicht Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) fast eine Million Euro im Bereich der kulturellen Bildung.
Die Stimme – ein Instrument, das alle immer dabeihaben
Das Sing-Projekt des Rundfunkchors gibt es seit 2011. An Grundschulen werden Lehrer:innen über drei Jahre ausgebildet, so dass sie gemeinsam mit ihren Schüler:innen singen können. Regelmäßig im Chor oder in der Pause beim Matheunterricht zum Entspannen. Laut dem Rundfunkchor fördert das die Konzentration und das Gemeinschaftsgefühl. Die Workshops finden einmal die Woche statt, im Anschluss kommen die Profis vom Rundfunkchor weiter regelmäßig zu Besuch.
Höhepunkt des Projekts ist ein gemeinsamer Auftritt der kleinen und der großen Profi-Sänger:innen in der Berliner Philharmonie. Rachel Dries sagt, jeder Mensch, der eine gesunde Stimme hat, könne singen ganz unabhängig von finanziellen, strukturellen oder organisatorischen Hürden. Das mache ihr Angebot so besonders. "Und deswegen ist Singen der einfachste und schnellste Zugang zu Musik" - und gleichzeitig zu Teilhabe und Kultur. Wie dieses Instrument – die Stimme - genutzt wird, das lernen die Kinder durch das Sing-Projekt unabhängig vom Geldbeutel oder den Interessen der Eltern.
"Singen tut allen gut!"
Rachel Dries betont außerdem, dass ihr Projekt kein Ersatz für ausfallenden Musikunterricht sein kann. Angesichts der fehlenden Fachlehrer:innen hätten die Kinder durch das Projekt aber immerhin eine gewisse musikalische Schulung. Wie die Kinder meinen in ihrem Protestsong: "Singen tut allen gut. "
Auf rbb-Anfrage argumentiert der Senat, dass die angespannte Haushaltslage für finanzielle Herausforderungen sorge. Man habe die Entscheidung, welche Gelder gekürzt werden, auf Basis einer sorgfältigen Prüfung der vorhandenen Mittel getroffen. Nur trifft es verhältnismäßig viele Kulturprojekte für Kinder wie auch den Kinder-Kulturmonat oder das Hip-Hop-Mobil.
Hip-Hop für alle zum Mitmachen
Das Hip-Hop-Mobil gibt es seit den 1990er Jahren. Bisher fährt es oft vier Mal die Woche zu verschiedenen Schulen oder auch zu Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete. Vor Ort bietet das Team den Kindern und Jugendlichen Workshops in Breakdance, Rappen, Djing, Beatbox oder Graffiti an. Mitmachen kann jede und jeder, die oder der will. Jetzt sollen dem Projekt 104.000 Euro gekürzt werden, was bedeutet, dass das Angebot stark reduziert werden muss.
Dabei ist auch hier ein einfacher Zugang zur Kultur der Schlüssel: "Hip-Hop ist eine Kultur, bei der es ursprünglich darum ging, mit nichts als seinem eigenen Körper zu arbeiten", sagt der Breakdance-Trainer Sebastian Issa Franke. "Für Rap brauche ich meinen Mund und die Stimme, auch für Beatbox, zum Tanzen den Körper und zum Sprayen eine Dose und Papier für die Skizze." Und plötzlich können die Kinder sich selbst als Kendrick Lamar oder Cardi B ausprobieren.
Einmal sein wie Kendrick Lamar und Cardi B
Sebastian Issa Franke unterrichtet einmal die Woche auch beim Kinderzirkus in der Ufafabrik in Tempelhof. Seit fast 40 Jahren können Kinder hier Einradfahren, Akrobatik lernen, einen Hula-Hoop schwingen und eben Breakdance lernen. Die Eltern zahlen 15 Euro pro Monat. Auch hier werden die Zuschüsse ab dem 1. April von der Bildungsverwaltung gestrichen.
Laut der Leiterin der Zirkusschule Gabriele Happe hat das Projekt rund 9.000 Euro für den Zeitraum Januar bis März bekommen, knapp 28.000 Euro werden gekürzt. Der Grünen-Bildungspolitiker Louis Krüger kritisiert den Förderstopp: "Für die Projekte ist das am Ende sehr viel Geld. Im Vergleich zum großen Bildungshaushalt ist das aber sehr wenig Geld. Insofern muss man sich schon fragen, aus welchen Gründen da diese Prioritäten gesetzt wurden."
Happe versucht das fehlende Geld jetzt zum Beispiel über Spenden zu bekommen. Ihr Ziel: Wenigstens bis Mai alle Kurse für die Kinder finanzieren zu können, denn im Mai beim Kinderzirkusfestival treten alle gemeinsam auf.
Zirkus macht selbstbewusst
Einmal auf der Bühne stehen – das macht viel aus für die Kleinen. Um kurz vor 17 Uhr kommen die Eltern in die Ufafabrik und holen ihre Kinder von den Kursen ab. Mutter Franziska Kolb sagt, ihrem Sohn Milo mache der Kurs natürlich Spaß. Auch Sebastian Vitis Tochter ist dabei: "Das macht sehr viel mit ihr. Es gibt ihr Selbstbewusstsein und sie schämt sich nicht mehr so für das, was sie macht, ist nicht mehr so schüchtern."
Alle Eltern finden es traurig, dass die Gelder gekürzt worden sind. Sie verstehen nicht, warum ausgerechnet bei den Kindern gespart wird – "wo doch alle immer sagen, die Kinder seien die Zukunft" sagt Franziska Kolb.
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.03.2025, 17:55 Uhr