Kürzungen bei Kinderkultur in Berlin - Schluss mit lustig

Sa 22.03.25 | 16:36 Uhr | Von Nathalie Daiber
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SING! – das Bildungsprogramm des Rundfunkchores Berlin (Quelle: Rundfunkchor Berlin)
Rundfunkchor Berlin
Audio: rbb24 Inforadio | 20.03.2025 | Tamy Daum | Bild: Rundfunkchor Berlin

Kein Singen, kein Rappen, kein Zirkus, kein Kulturmonat mehr: Die Bildungsverwaltung hat vielen Kulturprojekten für Kinder ab April die Gelder drastisch gekürzt. Darunter langjährige Projekte wie das Sing-Projekt des Rundfunkchors. Von Nathalie Daiber

Auf die Melodie von "We will rock you" der britischen Rock-Band Queen singen die Kinder der Köpenicker Amtsfeld-Grundschule: "Lasst uns weiter singen. Und Lieder sollen erklingen. Ihr habt uns so viele Jahre schon so mega unterstützt. Wir brauchen Hilfe, ist doch klar, denn Singen ist wunderbar." Ein Protestsong, denn dem Sing-Projekt des Rundfunkchors werden 75.000 Euro gestrichen. Das ist ihr komplettes Budget, um das Projekt ab April bis Ende des Jahres zu finanzieren.

Von den Kürzungen hat die Chordirektorin Rahel Dries erst Ende Februar per Mail erfahren, wie sie sagt. Ein Schock: "Ich persönlich habe überhaupt nicht damit gerechnet, weil unser Projekt fest im Haushalt verankert war. Wir mussten das zwar, weil das in Deutschland so üblich ist, jedes Jahr wieder beantragen, aber die Gelder dafür mussten nicht jedes Mal neu gefunden werden, sondern wir waren tatsächlich im Haushalt enthalten, seit vielen Jahren mit der gleichstehenden Summe."

Insgesamt streicht Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) fast eine Million Euro im Bereich der kulturellen Bildung.

Die Stimme – ein Instrument, das alle immer dabeihaben

Das Sing-Projekt des Rundfunkchors gibt es seit 2011. An Grundschulen werden Lehrer:innen über drei Jahre ausgebildet, so dass sie gemeinsam mit ihren Schüler:innen singen können. Regelmäßig im Chor oder in der Pause beim Matheunterricht zum Entspannen. Laut dem Rundfunkchor fördert das die Konzentration und das Gemeinschaftsgefühl. Die Workshops finden einmal die Woche statt, im Anschluss kommen die Profis vom Rundfunkchor weiter regelmäßig zu Besuch.

Höhepunkt des Projekts ist ein gemeinsamer Auftritt der kleinen und der großen Profi-Sänger:innen in der Berliner Philharmonie. Rachel Dries sagt, jeder Mensch, der eine gesunde Stimme hat, könne singen ganz unabhängig von finanziellen, strukturellen oder organisatorischen Hürden. Das mache ihr Angebot so besonders. "Und deswegen ist Singen der einfachste und schnellste Zugang zu Musik" - und gleichzeitig zu Teilhabe und Kultur. Wie dieses Instrument – die Stimme - genutzt wird, das lernen die Kinder durch das Sing-Projekt unabhängig vom Geldbeutel oder den Interessen der Eltern.

"Singen tut allen gut!"

Rachel Dries betont außerdem, dass ihr Projekt kein Ersatz für ausfallenden Musikunterricht sein kann. Angesichts der fehlenden Fachlehrer:innen hätten die Kinder durch das Projekt aber immerhin eine gewisse musikalische Schulung. Wie die Kinder meinen in ihrem Protestsong: "Singen tut allen gut. "

Auf rbb-Anfrage argumentiert der Senat, dass die angespannte Haushaltslage für finanzielle Herausforderungen sorge. Man habe die Entscheidung, welche Gelder gekürzt werden, auf Basis einer sorgfältigen Prüfung der vorhandenen Mittel getroffen. Nur trifft es verhältnismäßig viele Kulturprojekte für Kinder wie auch den Kinder-Kulturmonat oder das Hip-Hop-Mobil.

Hip-Hop für alle zum Mitmachen

Das Hip-Hop-Mobil gibt es seit den 1990er Jahren. Bisher fährt es oft vier Mal die Woche zu verschiedenen Schulen oder auch zu Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete. Vor Ort bietet das Team den Kindern und Jugendlichen Workshops in Breakdance, Rappen, Djing, Beatbox oder Graffiti an. Mitmachen kann jede und jeder, die oder der will. Jetzt sollen dem Projekt 104.000 Euro gekürzt werden, was bedeutet, dass das Angebot stark reduziert werden muss.

Dabei ist auch hier ein einfacher Zugang zur Kultur der Schlüssel: "Hip-Hop ist eine Kultur, bei der es ursprünglich darum ging, mit nichts als seinem eigenen Körper zu arbeiten", sagt der Breakdance-Trainer Sebastian Issa Franke. "Für Rap brauche ich meinen Mund und die Stimme, auch für Beatbox, zum Tanzen den Körper und zum Sprayen eine Dose und Papier für die Skizze." Und plötzlich können die Kinder sich selbst als Kendrick Lamar oder Cardi B ausprobieren.

Für die Projekte ist das am Ende sehr viel Geld. Im Vergleich zum großen Bildungshaushalt ist das aber sehr wenig Geld. Insofern muss man sich schon fragen, aus welchen Gründen da diese Prioritäten gesetzt wurden.

Louis Krüger, Bildungspolitiker (Grüne)

Einmal sein wie Kendrick Lamar und Cardi B

Sebastian Issa Franke unterrichtet einmal die Woche auch beim Kinderzirkus in der Ufafabrik in Tempelhof. Seit fast 40 Jahren können Kinder hier Einradfahren, Akrobatik lernen, einen Hula-Hoop schwingen und eben Breakdance lernen. Die Eltern zahlen 15 Euro pro Monat. Auch hier werden die Zuschüsse ab dem 1. April von der Bildungsverwaltung gestrichen.

Laut der Leiterin der Zirkusschule Gabriele Happe hat das Projekt rund 9.000 Euro für den Zeitraum Januar bis März bekommen, knapp 28.000 Euro werden gekürzt. Der Grünen-Bildungspolitiker Louis Krüger kritisiert den Förderstopp: "Für die Projekte ist das am Ende sehr viel Geld. Im Vergleich zum großen Bildungshaushalt ist das aber sehr wenig Geld. Insofern muss man sich schon fragen, aus welchen Gründen da diese Prioritäten gesetzt wurden."

Happe versucht das fehlende Geld jetzt zum Beispiel über Spenden zu bekommen. Ihr Ziel: Wenigstens bis Mai alle Kurse für die Kinder finanzieren zu können, denn im Mai beim Kinderzirkusfestival treten alle gemeinsam auf.

Zirkus macht selbstbewusst

Einmal auf der Bühne stehen – das macht viel aus für die Kleinen. Um kurz vor 17 Uhr kommen die Eltern in die Ufafabrik und holen ihre Kinder von den Kursen ab. Mutter Franziska Kolb sagt, ihrem Sohn Milo mache der Kurs natürlich Spaß. Auch Sebastian Vitis Tochter ist dabei: "Das macht sehr viel mit ihr. Es gibt ihr Selbstbewusstsein und sie schämt sich nicht mehr so für das, was sie macht, ist nicht mehr so schüchtern."

Alle Eltern finden es traurig, dass die Gelder gekürzt worden sind. Sie verstehen nicht, warum ausgerechnet bei den Kindern gespart wird – "wo doch alle immer sagen, die Kinder seien die Zukunft" sagt Franziska Kolb.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.03.2025, 17:55 Uhr

Beitrag von Nathalie Daiber

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18 Kommentare

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  1. 18.

    Woanders verrecken Kinder beim Pflücken von Kakaobohnen, die haben selbst noch nie Schokolade gegessen. Wir haben hier echte Luxusprobleme. Eltern können auch ohne externes Halligalli eine schöne Zeit mit ihren Kindern gestalten. Wie viel Staat muss denn noch sein und übernehmen Familien auch noch mal selbst Verantwortung für ihr Wohl?

  2. 17.

    Ja, was wollen Sie denn, dass der Bund als einziger sämtliche Gelder einnimmt und diese dann verteilt, oder dass die Städte und Gemeinden die Gelder einnehmen, aber was für eine Funktion und Daseinsberechtigung sollen dann die
    16 Bundersländer noch haben, und den Bundeshaushalt bitte auch nicht vergessen.
    Es ist schon gut durchdacht, so wie es ist.

  3. 16.

    Ich denke, sie haben schon einiges... schon in West Deutschen Zeiten hat West Berlin nichts zur Verteidigung beigetragen. Einfach mal die Fr...e...sie halten

  4. 15.

    Wer keine Zukunft hat muss auch nicht in diese investieren :(

  5. 14.

    Wo bleibt der Aufschrei, wenn in Schulen u.a. der Musikunterricht ausfällt? Jedem Tierchen sein Plaisierchen (Projektien)! Es arbeitet keiner mehr! Es gibt nur noch Projekte.

  6. 13.

    Nein, diese kleinen "Racker" sollen endlich eine gute Bildung bekommen!!!

  7. 12.

    Auch der Budeshaushalt besteht aus Steuern,auch der Berliner Bürger.Und was für das Militär schon ausgegeben ist,kann den Bürgern,die es bezahlt haben,nicht mehr zu Gute kommen.Kommunen haben kaum eigene Steuereinnahmen,sie sind immer auch auf den Bund angewiesen.Folglich ist die Trennung Bund,Land,Kommune bei Steuern nicht schlüssig.

  8. 11.

    Die Ausgaben für Militär sind Bestandteil des Bundeshaushalts, nicht des Landeshaushalts, auch nicht des Länderfinanzausgleichs.

  9. 10.

    Ich bin ehrlich geschockt! Erst wird die kindernotrufnummer wahrscheinlich gestrichen werden. Und jetzt auch noch die kinderkultur?
    Das wird uns allen auf die füße fallen. Hier handelt die CDU sehr kurzsichtig...

  10. 9.

    Die beschriebenen "Sparmaßnahmen" sind kurzsichtig und schädlich. Soweit stimme ich zu.
    Aber was hat das mit den Diäten der Mitglieder des Abgeordnetenhauses zu tun? Wer eine Woche lang ein Lokalpolitikerleben mitverfolgen durfte, weiß genau, dass es das Gegenteil von einem Ruhekissen ist. Kaum ein Mensch in wirtschaftlichen Führungsetagen muss solch ein Pensum bewältigen. Und so er Verantwortung hat, lässt er/sie sich das deutlich teurer bezahlen als politisch aktive Menschen es je erleben werden (Das Bild verklären diejenigen Politiker*innen, die noch als Lobbyisten in diversen Vorständen sitzen -Wann eigentlich neben der zeitintensiven Parteiarbeit?- und dort Unsummen einstreichen. Damit meine ich nicht die Berliner Senator*innen, die qua Amt in landeseigenen Unternehmen sitzen.)

  11. 8.
    Antwort auf [Ma Ra] vom 22.03.2025 um 20:23

    Ganz genau!! So kurzsichtig, es ist kaum auszuhalten.

    Für eine stabile Gesellschaft von morgen brauchen wir doch eher MEHR Investitionen in Kinder & Jugend. Hier zu sparen ist wirklich eine Katastrophe in so vieler Hinsicht.

  12. 7.

    Wird da eigentlich 1 Cent in dem anti-digitalen, umständlichen Verwaltungsapparat gespart?

  13. 6.

    Einfach nur traurig, wenn an Kindern gespart wird.

  14. 5.

    Der Berliner Landeshaushalt hat mit Ausgaben für das Militär nichts zutun. Steht jedenfalls im Grundgesetz, dass einzig der Bund da zuständig ist. Sie bringen da ganz viel durcheinander.

  15. 4.

    …endlich geht einer mal gegen diese Geldverschwendung bei Kindern und Kultur vor! Bravo, Herr Wegner! Diese kleinen faulen Racker sollen doch besser mal arbeiten lernen und die Schnauze halten! Deshalb wählen wir schließlich die CDU. Danke dafür! (äh… Ironie aus!)

  16. 3.

    Wir benötigen derzeit alle Mittel, um uns gegen einen drohenden Angriff Russlands zu verteidigen. Da muss dann auch einmal an Kulturprojekten für Kinder gespart werden. Es ist wichtiger, das Leben der Kinder vor Putin zu schützen.

  17. 2.

    Wann protestieren wir endlich gegen automatisierte Diätenerhöhungen und Einsparungen bei „uns“? Wie lange lassen wir uns sowas noch gefallen?

  18. 1.

    Na prima.. sparen wir weiter bei den Kindern . Ist ja nicht so wild. Kummer nummer wurde ja auch schon die Förderung gestrichen. Was soll's ?! Der Dame fällt sicher noch was ein waa man streichen/kürzen kann.