Verteidigung fordert Einstellung - Prozess gegen frühere RAF-Terroristin Klette wegen Raubserie hat begonnen
Die frühere Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette muss sich seit Dienstag vor Gericht verantworten. Dabei geht es um eine Serie von Raubüberfällen und nicht um extremistische Straftaten. Klettes Verteidigung fordert eine Einstellung des Verfahrens.
- Strafprozesses gegen mutmaßliche frühere RAF-Terroristin Daniela Klette hat begonnen
- Verhandelt wird eine Serie von Raubüberfällen - keine terroristische Straftaten
- Verteidigung kritisiert Sicherheitsvorkehrungen als überzogen und vorverurteilend, fordert Einstellung des Verfahrens
Am Dienstag hat der Prozess gegen die mutmaßliche frühere RAF-Terroristin Daniela Klette im niedersächsischen Celle begonnen. Einiges aus der Anklageschrift, die zwei Staatsanwältinnen gut anderthalb Stunden vortragen, war bereits vorab bekanntgeworden. Der 66 Jahre alten Angeklagten wird versuchter Mord, unerlaubter Waffenbesitz sowie versuchter und vollendeter schwerer Raub vorgeworfen.
Um terroristische Straftaten im Zusammenhang mit der RAF geht es in diesem Verfahren nicht.
Zum Prozessauftakt meldete sich Klette erstmals persönlich zu Wort. In einer rund 15-minütigen Erklärung schloss sie sich dem Antrag ihrer Verteidiger an und forderte die Einstellung des Verfahrens. Die Angeklagte schilderte ihr politisches Weltbild und bezeichnete die Fahndung nach ihren mutmaßlichen Komplizen Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg als "hetzerisch". "Dieser Prozess wird mit politischem Kalkül geführt", sagte sie.
Verhandlung in andere Stadt verlegt
Die Verteidigung hatte zuvor auch die Aufhebung des Haftbefehls gefordert. Gegen Klette sei kein fairer, rechtsstaatlicher Prozess möglich, heißt es in dem Antrag der Anwälten. Aus ihrer Sicht ist Klettes Mitgliedschaft in der RAF nicht bewiesen.
Die Staatsanwaltschaft Verden ermittelt seit 2015 zu einer Serie von Raubüberfällen, an denen neben Klette auch die beiden anderen ehemaligen RAF-Mitglieder Burkhard Garweg (56) und Ernst-Volker Staub (70) beteiligt gewesen sein sollen [staatsanwaltschaft-verden.niedersachsen.de].
Laut Anklageschrift soll das Trio bei den 13 Raubüberfällen mehr als 2,7 Millionen Euro erbeutet haben. Den Angaben zufolge war Klette meist die Fahrerin des Fluchtautos. Klette ist zudem wegen versuchten Mordes angeklagt, weil bei einem Überfall geschossen wurde. Verletzt wurde dabei allerdings niemand.
Nach den Ermittlungen sollen Klette und ihre Komplizen von 1999 bis 2016 Geldtransporter und Kassenbüros von Einkaufsmärkten in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein überfallen haben. Dabei sei das Trio "arbeitsteilig und äußerst konspirativ" vorgegangen. Die zeitintensive Planung und Ausführung der Raubüberfälle hätten die drei als ihre Arbeit angesehen, so die Staatsanwaltschaft.
Alle drei werden der sogenannten dritten Generation der linksextremistischen Rote Armee Fraktion (RAF) zugerechnet. Wo sich die beiden Männer aufhalten, ist unbekannt. Bei den Überfällen soll Klette meistens das Fluchtauto gefahren haben. 2020 wurden sie sowie Klette auf Europal auf die Liste der meistgesuchten Personen Europas gesetzt.
Verteidigung sieht Anzeichen für eine Vorverurteilung
Sicherheitsgründen wird nicht im Landgericht Verden, sondern zunächst im Staatsschutzsaal des Oberlandesgerichts Celle verhandelt. Zahlreiche Einsatzkräfte sicherten das Gebäude am Dienstagmorgen ab. Auch ein Spürhund war im Einsatz, wie eine DPA-Reporterin berichtete. Vor den Eingängen standen Justizbeamte und Polizisten mit Maschinenpistolen, Polizeiwagen parkten in der Umgebung.
Gemeinsam mit ihren Anwälten sitzt Klette im Gerichtssaal in einem Glaskasten. Auch die Zuhörer sind vom Verhandlungsraum durch schusssicheres Glas abgeschirmt. Die Verteidigung konnte zum Prozessauftakt einen ersten kleinen Erfolg verbuchen: Sie wehrte sich dagegen, dass zwei Justizbeamte hinter der mutmaßlichen früheren RAF-Terroristin im Staatsschutzsaal sitzen.
Ulrich von Klinggräff, der zusammen mit Lukas Theune und Undine Weyers die Angeklagte vertritt, kritisierte, dass die Wachleute Gespräche zwischen Klette und ihrer Verteidigung mithören könnten.
Der Vorsitzende Richter Lars Engelke gab dem recht. Es werden bereits in einem Hochsicherheitssaal verhandelt, so der Richter. Daher müssten keine weiteren Justizwachmeister hinter der Angeklagten sitzen. Er wies ausdrücklich darauf hin, dass der Prozess gegen Klette "kein Staatsschutz- und kein Terrorverfahren" sei.
Festnahme in Berlin
Aus Sicht von Klettes Verteidigern weise allein das Ausmaß der Sicherheitsmaßnahmen Anzeichen eines Terrorismusverfahrens auf - und damit einer Vorverurteilung. Nach Auffassung der Verteidigung hat das Gericht die von der Staatsanwaltschaft hergestellten RAF-Bezüge bei der Zulassung der Anklage übernommen.
Die Bedeutung der Auflösung der RAF im Jahr 1998 werde bei der Bewertung der fraglichen Taten nicht berücksichtigt, so die Anwälte. Die Verteidigung wirft der Staatsanwaltschaft darüberhinaus vor, die RAF zu dämonisieren und ihre Mitglieder als skrupellose Verbrecher darzustellen.
Die untergetauchte mutmaßliche Terroristen und Bankräuberin lebte 30 Jahre lang unentdeckt und unter falschem Namen in Berlin. Vor gut einem Jahr wurde Klette in festgenommen. In ihrer Wohnung in der Kreuzberer Sebastianstraße wurden unter anderem eine Kalaschnikow und eine Panzerfaustgranate gefunden. Klette sitzt seit ihrer Festnahme im Frauengefängnis in Vechta (ebenfalls Niedersachsen). Die Untersuchungshaft wurde bereits einmal verlängert.
Verteidiger kritisieren Bundesanwaltschaft
Darüber hinaus wird Klette für einen Sprengstoffanschlag auf die JVA im hessischen Weiterstadt im Jahr 1993 verantwortlich gemacht. Laut Bundesanwaltschaft soll sie außerdem an einem RAF-Anschlag auf die US-Botschaft in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn im Jahr 1991 beteiligt gewesen sein.
Schon vor Prozessbeginn kritisierten Klettes Verteidiger die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Diese habe den größten Teil ihrer Ermittlungen aus einem parallel laufenden Verfahren zu kurzfristig übergeben, sagte Anwalt Theune. Demnach geht es um zwölf Terabyte digitaler Dokumente oder umgerechnet zehn Millionen Aktenordner. "Wie sollen wir das noch bis zum Prozessbeginn lesen? Wie sollen wir so die Beweislage kennen und unsere Mandantin ordentlich verteidigen?", sagte Theune.
Sendung: rbb24, 24.03.2025, 13 Uhr